Der ewige Kampf ums Handgepäck in der Flugzeugkabine Von Christian Ebner, dpa

01.07.2025 05:00

Vor dem Urlaubsflug stellt sich für Passagiere die Frage nach dem
Handgepäck. Etliche Airlines haben die zulässige Menge in der Kabine
eng begrenzt. Dagegen regt sich Widerstand.

Frankfurt/Main (dpa) - Unmittelbar vor der größten Reisewelle des
Jahres ist eine Debatte um das zulässige Handgepäck in
Passagiermaschinen entbrannt. Was darf ich mit an Bord nehmen? Die
Antwort auf diese einfache Frage fällt zum Ärger der Passagiere je
nach Airline höchst unterschiedlich aus und kann sogar richtig ins
Geld gehen. 

Das könnte sich demnächst ändern: Der europäische
Verbraucherschutz-Verband Beuc hat bei der Kommission eine offizielle
Beschwerde gegen sieben Direktfluggesellschaften eingereicht, die
aktuell pro Passagier lediglich eine kleine Tasche für Dinge des
persönlichen Bedarfs kostenfrei zulassen. Und im EU-Parlament setzen
sich Abgeordnete für großzügigere Regeln in den Kabinen ein. 

Warum gibt es bislang keine festen Regelungen?

Bislang hat die EU die Handgepäckregeln weitgehend den Airlines
selbst überlassen. Selbst die Empfehlungen des weltweiten
Airline-Verbandes IATA werden nicht einheitlich umgesetzt. Nach einem
Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2014 ist nur klar,
dass für Handgepäck auch beim günstigsten Ticket keine zusätzliche

Gebühr erhoben werden darf. Die vom Gericht verlangten «angemessenen
Vorgaben» zu Größe und Gewicht gibt es in der EU aber bis heute
nicht.

Wie ist die derzeitige Situation?

Das ist je nach Gesellschaft unterschiedlich. Die meisten
Direktfluggesellschaften wie Ryanair, Easyjet oder auch die
Lufthansa-Tochter Eurowings lassen im günstigsten Tarif nur eine
kleine Tasche zu, die unter den Vordersitz passen muss. Bei
Netzanbietern wie Lufthansa oder British Airways ist hingegen auch im
billigsten Ticket zusätzlich ein kleiner Rollkoffer erlaubt. Urlauber
sollten daher vor Flugantritt unbedingt die Regelungen ihrer Airline
checken, um am Flughafen möglichen Nachforderungen und Strafgebühren
zu entgehen. Gerade bei voll gebuchten Flügen sind die Crews sehr
strikt. 

Was spricht dafür, nur mit Handgepäck zu reisen?

Wer im Strandurlaub mit Shorts und einigen T-Shirts auskommt, könnte
sich das Aufgabegepäck sparen. Passagiere haben ihr Handgepäck zudem
ständig in ihrer Nähe, was die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes
erheblich verringert. Gerade im Sommer-Hochbetrieb gehen aufgegebene
und dann verladene Gepäckstücke häufiger verloren oder kommen
verspätet an. Außerdem muss man nach der Landung nicht auf das Gepäck

warten und kann schneller den Flughafen verlassen. 

Was wollen die Verbraucherschützer erreichen?

Die Klage der europäischen Verbände richtet sich gegen die
Grundtarife der Gesellschaften Easyjet, Ryanair, Norwegian,
Transavia, Voltea, Vueling und Wizz Air. Nach den Untersuchungen von
Beuc erheben diese zwischen 6 und 75 Euro für ein zusätzliches
Gepäckstück in der Kabine. Platz genug ist also vorhanden. Derartige
Nebeneinnahmen sind wichtig für die Airlines. Die italienische
«Corriere della Sera» schätzt die jährlichen Gepäck-Einkünfte v
on
Ryanair auf 3,5 Milliarden Euro und bei Easyjet auf 2,2 Milliarden
Euro. 

Die kostenfreie Tasche reiche nicht aus, um genügend Kleidung und
persönliche Gegenstände mitzunehmen, kritisiert Beuc. Dem Verband
gehört auch der deutsche Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) an.
Beuc-Generaldirektor Agustín Reyna setzt sich für einen zusätzlichen

Rollkoffer ein: «Ich kann nicht verstehen, wie es angemessen sein
soll, für eine mindestens zwei bis drei Tage lange Reise alles in
eine kleine Tasche zu packen.»

Was wird im EU-Parlament diskutiert?

Im Verkehrsausschuss hat eine fraktionsübergreifende Mehrheit dafür
gestimmt, dass Passagiere künftig zwei kleine Gepäckstücke ohne
Zusatzgebühr an Bord nehmen dürfen. Neben dem kleinen Gepäckstück w
ie
Handtasche, Rucksack oder Laptop (Maximalmaße 40x30x15 cm) wäre ein
kleiner Koffer möglich. Das vorgeschlagene Mindestmaß liegt
allerdings unterhalb der bislang bei Lufthansa und Co. üblichen
Kabinenkoffer. 

Ohnehin befindet sich das Verfahren noch in der Abstimmung zwischen
Parlament und den EU-Mitgliedstaaten. Mit einer Einigung zu den
Fluggastrechten wird frühestens zur Jahreswende gerechnet. Man werde
nicht zulassen, dass Passagierrechte verschlechtert werden, sagt der
Europa-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen (FDP). 

Wie argumentieren die Fluggesellschaften?

Der Airline-Verband A4E lehnt zusätzliche Regeln zum Kabinengepäck
ab. Millionen Passagiere entschieden sich bewusst für den günstigsten
Tarif ohne Kabinenkoffer und dürften nicht gezwungen werden, für
etwas zu bezahlen, was sie nicht benötigen. A4E-Vertreterin Ourania
Georgoutsakou zieht einen Vergleich: «Was kommt als Nächstes? Popcorn
und Drinks als verpflichtender Teil der Kinokarte?»

Eine strengere Regulierung würde schlicht weniger Wahlmöglichkeiten
für die Passagiere bedeuten, heißt es auch vom deutschen
Branchenverband BDL. Einheitliche Gepäckmaße würden zudem den
unterschiedlichen Flugzeugtypen nicht gerecht. 

Was spricht noch gegen viel Handgepäck in der Kabine?

Wenn die Passagiere zu viele Habseligkeiten mit ins Flugzeug bringen,
kann der Platz in den Gepäckfächern schnell knapp werden. Streit und
Stress sind vorprogrammiert. Die Maschinen dürfen erst zum Start
rollen, wenn alle sitzen und das Gepäck komplett verstaut ist. Kommt
es zu Verzögerungen etwa durch das Umladen aus der Kabine in den
Frachtraum, sind die oft knappen Zeitfenster für den Start in Gefahr
und es dauert für alle länger.