Schlagabtausch zu Misstrauensvotum: Von der Leyen attackiert
07.07.2025 20:24
Ursula von der Leyen und ihre EU-Kommission müssen sich der
Abstimmung über einen Misstrauensantrag stellen. Bei einer Aussprache
geht die Deutsche nun in die Offensive - im Visier ist auch die AfD.
Straßburg (dpa) - EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat
im Europaparlament Vorwürfe aus einem Misstrauensantrag gegen sie und
ihre Kommission zurückgewiesen. Die deutsche Politikerin rief
eindringlich dazu auf, am Donnerstag bei der Abstimmung gegen den
Antrag aus dem Rechtsaußen-Lager zu votieren. Eingereicht hatten ihn
rund 80 Abgeordnete, darunter die 15 deutschen AfD-Abgeordneten. Die
Sozialdemokraten kritisierten von der Leyen und ihre
Mitte-Rechts-Parteienfamilie EVP, kündigten aber an, gegen den Antrag
stimmen zu wollen.
In ihrer rund 15-minütigen Rede im Plenum ging die Kommissionschefin
unter anderem auf Anschuldigungen wegen unveröffentlichter
Textnachrichten während der Corona-Krise ein. Sie habe nie ein
Geheimnis daraus gemacht, dass sie damals Kontakt mit
Spitzenvertretern von Impfstoffherstellern hatte. Zu behaupten, dass
diese Kontakte unangemessen gewesen seien oder gar gegen das
europäische Interesse verstießen, sei einfach falsch. Es habe keine
Geheimnisse, keine versteckten Klauseln und auch keine Verpflichtung
für die einzelnen Mitgliedstaaten zu Bestellungen gegeben.
Entsprechende Behauptungen seien Lügen.
Zur Kritik daran, dass sie ein milliardenschweres Kreditprogramm für
Verteidigungsinvestitionen als Notfallmaßnahme ohne
Parlamentsbeteiligung plante, sagte von der Leyen, dies sei genau
das, was sie in ihren politischen Leitlinien versprochen habe. Für
jeden weiteren Schritt des Weges werde sie sich mit dem Parlament
abstimmen. «Ich möchte sagen, dass ich Ihre Bedenken laut und
deutlich höre, und ich werde stets bereit sein, offen über unsere
Arbeit zu sprechen und gemeinsam mit pro-europäischen, demokratischen
Kräften in diesem Haus nach gemeinsamen Lösungen zu suchen», sagte
sie.
Attacken gegen Antragsteller
Den Antragstellern aus dem rechten Lager warf von der Leyen vor,
keine Antworten auf politische Probleme zu haben und Verschwörungen
anzuheizen. Es gebe reichlich Beweise, dass viele der extremen Kräfte
von Feinden unterstützt würden, ob die Strippenzieher nun in Russland
säßen oder anderswo, sagte sie.
Die anderen Parteien rief sie auf, gegen den Misstrauensantrag zu
stimmen. «Lasst uns nicht das Spiel der Extremisten spielen», sagte
sie. Als Kommissionspräsidentin verspreche sie, immer bereit zu sein,
auf Kompromisse und Einigkeit hinzuarbeiten.
Misstrauensvotum als Belastungsprobe
Der Misstrauensantrag war von einem rechten rumänischen Abgeordneten
initiiert worden. Von der Leyen und ihrem Team wird in ihm unter
anderem mit Blick auf die Corona-Politik Intransparenz und
Missmanagement vorgeworfen. Eine ausreichende Mehrheit gilt als
äußerst unwahrscheinlich.
Für die deutsche CDU-Politikerin, die der europäischen
Parteienfamilie EVP angehört, ist der Vorstoß aus dem rechten Lager
trotz der geringen Erfolgsaussichten eine Belastungsprobe. Grund ist,
dass die 66-Jährige mit manchen Initiativen zuletzt auch bei ihr
eigentlich wohlgesonnenen Abgeordneten für Unmut sorgte.
Fraktionen links der Mitte attackieren Glaubwürdigkeit der EVP
So wurde die Aussprache im Plenum am Montagabend auch von den
Sozialdemokraten und Liberalen für Kritik an von der Leyen und dem
Mitte-Rechts-Bündnis EVP genutzt. Beide warfen ein, dass die EVP
zuletzt mehrfach in Kauf genommen hatte, dass politische Projekte mit
Stimmen aus dem Rechtsaußen-Lager vorangebracht wurden.
Die S&D-Fraktionsvorsitzende Iratxe García fragte an die EVP
gerichtet: «Mit wem wollen Sie regieren? Mit wem wollen Sie Europa
zerstören oder mit wem kämpfen wir jeden Tag, um es aufzubauen?»
Gleichzeitig stellte sie aber auch klar, dass der Misstrauensantrag
der Rechten «keine einzige Stimme» der Sozialdemokraten bekommen
werde.
Die liberale Fraktionsvorsitzende Valérie Hayer (Renew) sagte:
«Heute, Frau Präsidentin, sehen Sie die Sackgasse, in die Sie und
Ihre politische Familie geraten sind, weil Sie zugelassen haben, dass
die EVP Zweckbündnisse mit der extremen Rechten eingeht.»
Die Äußerungen dürften von Ursula von der Leyen und der EVP als
politischer Warnschuss verstanden werden. Grund ist, dass die EVP
eigentlich eine Art informelle Koalition mit den europäischen
Sozialdemokraten und Liberalen hat und auf die Stimmen dieser
Parteien angewiesen ist, wenn sie politische Projekte ohne Stimmen
von Rechtsaußen durchbringen will.
Weber warnt vor Putin
EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) warnte hingegen vor den
möglichen Folgen der Debatte und forderte die Abgeordneten dazu auf,
sie zu beenden. Putin werde es mögen, was seine Freunde hier machten,
erklärte er. Die EVP habe eine klare rote Linie. Diese laute: «Pro
Europa, pro Ukraine, pro Rechtsstaatlichkeit.»
Sollte der Misstrauensantrag wider Erwarten angenommen werden, müsste
die EU-Kommission geschlossen zurücktreten. Der rumänische Initiator
Gheorghe Piperea warb am Montagabend in der Debatte eindringlich
dafür. In den letzten sechs Jahren habe sich die Kommission auf
missbräuchliche Weise Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten angeeignet
und das Europäische Parlament bei wichtigen Entscheidungen ignoriert,
kritisierte er und warf von der Leyen eine «undemokratische
Konzentration von Entscheidungen» in ihren Händen vor, die dem
Prinzip der Gewaltenteilung widerspreche. Der Entscheidungsprozess
sei intransparent und willkürlich geworden und wecke Befürchtungen
von Machtmissbrauch und Korruption.