Expertin: Zollstreit mit Trump bedroht Zukunft der EU
09.07.2025 04:17
Einmal mehr verschiebt US-Präsident Trump die Frist für Zölle, doch
ein Ende des Handelskonflikts ist nicht in Sicht. Eine Expertin hält
mehrere Szenarien für denkbar.
Berlin (dpa) - Der Zollstreit zwischen den USA und der EU droht sich
nach Ansicht einer Handelsexpertin zu einem weitreichenden Konflikt
mit schweren Folgen für Europa zu entwickeln. «Erstmals seit dem
Zweiten Weltkrieg könnten sich Amerikaner und Europäer nicht nur als
wirtschaftliche Wettbewerber, sondern als Gegner mit unvereinbaren
geopolitischen Vorstellungen gegenüberstehen», schreibt Laura von
Daniels von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einem
Szenarienpapier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Der Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump berge ein enormes
Spaltpotenzial, betont die Leiterin der SWP-Arbeitsgruppe Amerika.
Die Kosten der US-Zölle seien in der EU ungleich verteilt. Einige
Mitglieder wie Deutschland, Irland oder Italien seien
exportorientierter und daher stärker betroffen. «Ließen sich diese
Länder dazu hinreißen, einzelne bilaterale Absprachen mit Trump
einzugehen, wäre die Kraft des Binnenmarkts reduziert und die Zukunft
der EU bedroht.»
Trump nutzt auch die Sicherheitspolitik
Trump werde zudem nicht aufhören, Wirtschafts- mit Sicherheitspolitik
zu vermischen, um die EU zu spalten, schreibt die Expertin. «Während
Staaten an der östlichen Flanke einen potenziellen Rückzug der USA
aus Europa als existenzielle Bedrohung sehen, bewerten andere
Mitgliedstaaten die sicherheitspolitischen Implikationen als weniger
dramatisch.» Dies schwäche die europäische Reaktionsfähigkeit auf
Trumps Drohungen zusätzlich.
Zuletzt verschob US-Präsident die Frist für neue Zölle auf den 1.
August. Bereits im April hatte Trump einen Basiszoll in Höhe von zehn
Prozent auf fast alle Importe aus der EU eingeführt. Zusätzlich
gelten Sonderzölle auf bestimmte Produkte, etwa auf Stahl- und
Aluminium- sowie Autoimporte. Mit seiner Zollpolitik will Trump unter
anderem erreichen, dass mehr in den USA produziert wird. Die EU hat
angedrohte Gegenzölle auf Eis gelegt, solange die Verhandlungen
laufen.
Von Daniels hält eine Lösung, bei der die USA ihre Zölle komplett
zurücknehmen, für unrealistisch. Dafür müsste die EU gewaltige
Zugeständnisse machen. Realistischer seien andere Szenarien.
Ein schneller Deal?
So könnte die EU für einen schnellen «Deal» mit Trump einen
generellen US-Einfuhrzoll von 10 Prozent auf die meisten Waren
akzeptieren. Im Gegenzug könnte die US-Regierung feste Quoten für die
zollfreie Einfuhr bestimmter Güter bieten, etwa bei speziellen Stahl-
und Aluminium-Produkten.
«Für eine frühe Einigung spricht aus US-Sicht, dass Trump gegenüber
den Finanzmärkten eine gemäßigte Politik signalisieren könnte»,
schreibt die Expertin mit Blick auf das gestiegene Kreditrisiko der
USA und den schwachen US-Dollar. Zugleich warnt sie: «Für die EU
bleibt ein nicht geringes Risiko, dass ein Deal mit Trump nur von
recht kurzer Dauer sein könnte.» So drohten im Herbst weitere
US-Zölle auf bestimmte Branchen.
«Damit verbindet sich die Sorge, Trump zu signalisieren, dass die EU
auch in Zukunft auf Druck vor ihm einknickt», so von Daniels. Ein
früher Deal sei vielmehr ein «wirtschaftspolitischer
Waffenstillstand», der Zeit verschafft und unmittelbar hohe Kosten
einer Eskalation erspart.
Und was könnte sonst geschehen?
In einem zweiten Szenario wird nach Einschätzung der Expertin ohne
Lösung weiter verhandelt, die Kosten aufgrund bereits erlassener
Zölle stiegen. Trump werde die EU mit sicherheitspolitischen
Provokationen unter Druck setzen - ein Streit über die richtige
Verhandlungstaktik könnte die anfangs einheitliche Haltung der EU zum
Einsturz bringen.
Schließlich könnte - so das dritte Szenario - ein voller Handels- und
Wirtschaftskrieg zwischen den USA und der EU ausbrechen, warnt von
Daniels. Sie schließt nicht aus, dass Trump dann die Nato unter Druck
setzt, indem er beispielsweise noch weit umfassender US-Truppen aus
Europa abzieht als bisher bereits in Sicherheitskreisen angenommen
wird.
Mögliche Gegenmaßnahmen der EU, die auch digitale Dienstleistungen
und Eigentumsrechte in der EU betreffen, würde Trump wiederum mit
Finanzsanktionen, einem Lieferstopp von Flüssiggas oder
Exportkontrollen für US-Software kontern.
Was Trumps wahre Ziele sind, bleibe für die Handelspartner unklar,
schreibt von Daniels. Klar sei nur: «Die EU und Deutschland als
wirtschaftlich wichtigstes Mitgliedsland und politisches
Schwergewicht müssen für den Fall, dass eine Einigung ausbleibt,
vorbereitet sein.»