Wachstumsmotor oder «Realsatire» - Wüst weist Kritik zurück

10.07.2025 13:49

Außer Spesen nichts gewesen? Elf Vorstandschefs der wichtigsten
NRW-Unternehmen waren kürzlich mit Ministerpräsident Wüst zu Besuch
in Brüssel. Die Opposition fragt nach konkreten Ergebnissen.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik
Wüst (CDU) hat Kritik der Opposition an seiner Reise mit den
wichtigsten Unternehmenschefs des Landes zur EU-Kommission
entschieden zurückgewiesen. Die NRW-Wirtschaft sei besonders
exportorientiert. Daher sei es für die Industrie ganz besonders
wichtig, dass in Berlin und Brüssel die richtigen
wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen geschaffen würden, sagte
Wüst in einer Aktuellen Stunde des Landtags. 

«Wo immer zentrale wirtschaftspolitische Weichenstellungen getroffen
werden, muss unsere Stimme aus Nordrhein-Westfalen gehört werden»,
sagte Wüst. In den Unternehmen der an dem Gespräch mit
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beteiligten
Vorstandschefs arbeiteten fast 1,5 Millionen Menschen. In Brüssel sei
es um die Zukunft der Branchen Chemie, Auto, Energie, Logistik,
Transport, um sichere Arbeitsplätze und die Existenzgrundlage vieler
Familien gegangen. 

NRW-Stimme hat in Brüssel Gewicht

Die Wirtschaftskraft von NRW liege 20 Prozent über dem
EU-Durchschnitt. 22 Prozent aller deutschen Exporte in die EU kämen
aus NRW. Kaum ein Ort in Europa verbinde Märkte so effizient wie NRW
dank seiner Häfen, Verkehrswege und digitalen Netze.
«Nordrhein-Westfalen ist das wirtschaftliche Kraftzentrum Europas»,
sagte Wüst. «Deswegen hat unsere Stimme auch in Brüssel Gewicht.»

Die Vorstandvorsitzenden hätten von der Leyen deutlich erläutert, «an

welchen Stellen es konkret hakt». In einem gemeinsamen Impulspapier
hätten sie die Erwartungen des Industrielandes NRW an die EU deutlich
gemacht. Es seien weitere Gespräche mit der EU-Kommission vereinbart
worden. Im Übrigen habe NRW auch zentrale Forderungen im
schwarz-grünen Koalitionsvertrag in Berlin verankert. Wenn wir das
Gewicht des Industrielandes Nordrhein-Westfalen in die Waagschale
werfen, dann bewegen wir auch was.» 

Opposition spricht von «Realsatire»

Zuvor hatten Redner von SPD und FDP der schwarz-grünen
Landesregierung eine verzerrte Wahrnehmung der wirtschaftlichen
Realität vorgeworfen. Wüst sei mit großem Tross nach Brüssel gereis
t
und habe sich mit Konzernchefs fotografieren lassen, sagte
FDP-Fraktionschef Henning Höne. Er habe NRW zum «Wirtschaftsmotor
Europas» erklärt. 

In Wirklichkeit sei die Wirtschaftskraft 2024 nicht gewachsen,
sondern geschrumpft. Für das laufende Jahr erwarteten Ökonomen
EU-weit ein Wachstum von 1,1 Prozent, für NRW nur ein Plus von 0,1
Prozent. «Wer da von einem «Wirtschaftsmotor NRW» spricht, streut den

Menschen Sand in die Augen», sagte Höne. «NRW ist leider nicht
Wachstumsmotor. NRW ist unter dieser Regierung der Bremsklotz
Deutschlands.» Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Alexander Vogt
sagte, es grenze an «Realsatire» und es sei «PR-Sprech», von NRW al
s
Wachstumsmotor in Europa zu sprechen.

«Nörgeliger Antrag»

Jan Heinisch von der CDU sagte, die Landesregierung hätte eigentlich
den Dank der FDP für ihren Einsatz in Brüssel verdient - und «keinen

nörgeligen Antrag». Die Unternehmer jedenfalls hätten das verstanden.

Sie wüssten, dass man die politische Chance nutzen müsse, um die
Spitze der EU-Kommission von ihren Anliegen zu überzeugen.

Der SPD-Abgeordnete André Stinka sagte: «Sie sind die schwarz-grüne
Schlusslaterne in ganz Europa.» Die Liste der Jobverluste in NRW
ziehe sich wie ein roter Faden durch alle Branchen im Land. Die
Wasserstoffinfrastruktur in NRW sei ein «Paradebeispiel für
Ankündigungspolitik ohne Substanz.» Unternehmen berichteten nach wie
vor von fehlender Planungssicherheit und fehlender Unterstützung. 

Die AfD warf allen Parteien, die in Bund und Land an der Regierung
waren und sind vor, mit ihrer Energiepolitik Deutschlands Industrie,
auch in NRW, an den Abgrund gebracht zu haben. 

Neubaur mit 0,1 Prozent Wachstum nicht zufrieden

Die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne), räumte

ein, dass sie mit 0,1 Prozent Wachstum in NRW nicht zufrieden sein
könne. Denn das Land sei das «industrielle Herz Europas» und habe
prozentual den höchsten Anteil an energieintensiver Industrie.
Gebraucht würden Energiepreise, die die Wettbewerbsfähigkeit «nicht
schwächen, sondern herstellen». Da gebe es auch in der neuen
Bundesregierung noch Nachsteuerungsbedarf. Ein erster Schritt sei
eingeleitet. Die Bedingungen für Industrie, Wirtschaft und alle
Bürgerinnen und Bürger müssten aber noch besser werden, sagte
Neubaur.

Die schwarz-rote Bundesregierung hatte unter Verweis auf knappe
Kassen im Kernhaushalt beschlossen, dass die Stromsteuer nicht für
alle Betriebe sowie die privaten Haushalte gesenkt werden soll,
sondern nur für das produzierende Gewerbe. Daran gibt es breite
Kritik auch aus der CDU, unter anderem von Wüst.

Neubaur wunderte sich über die Opposition. Die Liberalen forderten
doch immer, die Landesregierung solle sich in Berlin und Brüssel
kraftvoll für die nordrhein-westfälischen Interessen einsetzen. «Und

dann machen wir es und dann ist es auch wieder nicht richtig.»