Lage in Gaza: EU baut Drohkulisse gegen Israel auf Von Ansgar Haase, dpa
11.07.2025 02:09
Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist seit Monaten katastrophal.
Bringt eine neue Vereinbarung mit Israel Besserung? Die EU
präsentiert nun vorsorglich das Inventar ihrer Daumenschrauben.
Brüssel (dpa) - Die EU baut für den Fall des Scheiterns der neuen
Hilfsvereinbarungen für den Gazastreifen eine Drohkulisse gegen
Israel auf. Wie Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel
bestätigen, ließ die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas den
Mitgliedstaaten einen Katalog mit Maßnahmen übermitteln, mit denen
die israelische Regierung theoretisch unter Druck gesetzt werden
könnte. Er umfasst etwa das Aussetzen von Handelsvorteilen, ein
Waffenembargo und die Blockade von Israels Zugang zum
EU-Forschungsförderungsprogramm Horizon.
Zudem könnten demnach Einreisebestimmungen für israelische
Staatsbürger verschärft und Sanktionen gegen Politiker verhängt
werden, die eine Verantwortung für die katastrophale humanitäre
Situation im Gazastreifen tragen. Auch das Luftverkehrsabkommen
zwischen der EU und Israel wird als mögliches Druckmittel erwähnt.
Dieses hat den Markt für Direktflüge zwischen Israel und der EU
geöffnet.
Verstoß gegen den Grundsatz der Achtung der Menschenrechte
Den Auftrag für die Erstellung des Katalogs mit möglichen Maßnahmen
hatte Kallas im Juni bei einem Außenministertreffen der EU bekommen.
Zuvor waren EU-Prüfer zu dem Ergebnis gekommen, dass Israel mit
seinem Vorgehen im Gazastreifen gegen den Grundsatz der Achtung der
Menschenrechte verstößt. Dieser ist in einem seit 2000 geltenden
Assoziierungsabkommen zwischen beiden Seiten als eine Voraussetzung
für enge Zusammenarbeit festgelegt worden.
Konkret wird Israel vor allem vorgeworfen, in den vergangenen Monaten
kaum noch Lieferungen von Hilfsgütern in den Gazastreifen zugelassen
zu haben. Israel begründete dies damit, dass die islamistische Hamas
von den Lieferungen profitiere.
Auf politischer Spitzenebene soll nun am kommenden Dienstag bei einem
Außenministertreffen in Brüssel über die Handlungsoptionen gesprochen
werden. Angesichts der jüngsten Entwicklungen gilt es allerdings als
sehr unwahrscheinlich, dass Entscheidungen getroffen werden.
Verbessert Deal mit Israel die Situation?
So hat Israel am Donnerstag bestätigt, eine Vereinbarung für eine
bessere Versorgung der notleidenden Zivilbevölkerung im abgeriegelten
Gazastreifen akzeptiert zu haben. Sie sieht nach EU-Angaben unter
anderem eine deutliche Erhöhung der Zahl der täglichen
Lebensmittellieferungen und anderer Hilfsgüter per Lastwagen vor.
Konkret sollen auch mehr Grenzübergänge zu dem Küstengebiet öffnen
und die jordanischen und ägyptischen Hilfsrouten wieder genutzt
werden können. Die Maßnahmen werden nach EU-Angaben in den kommenden
Tagen in Kraft treten. Dabei soll auch sichergestellt werden, dass
keine Hilfe an die Hamas umgeleitet werde.
Ob, und wenn ja, welche Maßnahmen im Fall eines Scheiterns der
Hilfsvereinbarung getroffen werden könnten, ist derzeit unklar. Eine
Rolle spielt dabei auch, dass einige Maßnahmen einer einstimmigen
Zustimmung aller Mitgliedstaaten bedürfen und Länder wie Deutschland
Sanktionen gegen Israel äußerst kritisch gegenüberstehen. Zum
Beispiel Handelsmaßnahmen könnten aber vermutlich auch per
Mehrheitsentscheidung veranlasst werden.