US-Strafzölle? Winzer spüren «zermürbende Unsicherheit» Von Birgit Reichert und Ira Schaible sowie Harald Tittel , dpa

12.07.2025 04:01

Trump ist auch bei Winzern derzeit in aller Munde. Warum das
weltpolitische Geschehen vor allem an der Mosel besonders beäugt
wird.

Ayl/Zeltingen-Rachtig (dpa/lrs) - Wie hoch fallen die US-Strafzölle
auf deutsche Weine aus? Diese Frage treibt derzeit Winzer im
Anbaugebiet Mosel um wie keine andere. «Es ist eine zermürbende
Unsicherheit», sagt Winzer Florian Lauer aus Ayl an der Saar. Bleibt
es bei den aktuell zehn Prozent, die bei der Einfuhr in die USA
anfallen? Werden es 20 oder 25 Prozent? Oder doch 0 Prozent?

Mit Spannung schauen die Winzer auf den 1. August. Das ist das neue
Datum, das US-Präsident Donald Trump für die Zölle angekündigt hat.

Drei Monate waren sie ausgesetzt gewesen: Eigentlich war die Frist am
9. Juli ausgelaufen. Die EU-Kommission verhandelt schon länger mit
Washington im Zollstreit - der Ausgang ist nach wie vor offen. 

Die Unsicherheit bremst Lauers US-Exportgeschäft aus. «Wir sitzen auf
glühenden Kohlen», sagt er. Er habe einen Keller voll Wein, der in
die USA gehen solle. Der Importeur habe den Transport auf Eis gelegt:
«Man hat die ganze Zeit Angst, dass während die Ware auf dem Wasser
ist, der Zoll erhoben wird», sagt der Winzer, der Mitglied im Verband
Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) ist.

«Bei 25 Prozent verdienen wir nichts mehr»

Rund 30 Prozent seiner Weine gehen in die USA. «Das sind etwa 30.000
Flaschen.» Wenn jetzt Zölle in Höhe von 25 Prozent kämen? «Dann w
äre
das ein herber Schlag für uns. Dann verdienen wir nichts mehr. Dann
ist die Marge futsch», sagt er. Die aktuellen 10 Prozent würden noch
geradeso «zähneknirschend» gehen. Lauer importiert noch in 16 weitere

Länder. «Aber die USA ist unser wichtigster Markt.»

Er hoffe, dass die dreimonatige Frist zur Zollerhebung erneut um zwei
oder drei Monate verlängert werde. Davon gingen Importeure in den USA
auch aus, weil die Verhandlungen mit der EU noch nicht beendet seien,
sagt Lauer.

Das Anbaugebiet Mosel wird von US-Strafzöllen auf Weine besonders
getroffen. Mit rund 6,3 Millionen Litern kommen fast die Hälfte aller
deutschen Weine (13 Millionen Liter), die in die USA gehen, von der
Mosel, wie der Leiter Weinwirtschaft der Industrie- und Handelskammer
Trier, Albrecht Ehses, sagt. Die USA seien für die Moselwinzer der
bedeutendste Auslandsmarkt.

Wein spielt bei Verhandlungen «eine Sonderrolle»

Der Wein dürfe bei den Verhandlungen zwischen der EU und Trump «nicht
unter die Räder kommen», sagt Winzer Johannes Selbach in
Zeltingen-Rachtig an der Mosel. Es gebe eine starke Lobby in den USA
gegen Zölle auf Weine aus Europa. Das liege am sogenannten
Three-Tier-System (Drei-Stufen-System) in den USA, ein gesetzlich
vorgeschriebenes Vertriebsmodell für alkoholische Getränke.

Es besteht aus drei Stufen - Importeur, Großhändler und Einzelhändler

- und sorge dafür, dass der Produktpreis auf dem Weg zum Kunden
mehrfach steige - und somit viele daran verdienten. «Bei Wein liegt
die Wertschöpfung zu mehr als 75 Prozent bei den Amerikanern», sagt
Selbach vom Weingut Selbach-Oster, der dem Verband Deutscher
Weinexporteure angehört. 

Aktuell stehen wohl 17 Prozent im Raum

Heißt also: Wenn die USA beim Wein einen Zoll drauflegen, dann ärgern
sich nicht nur die Lieferanten in der EU, sondern die gesamte
Weinwirtschaft in den USA. «Deshalb spielt der Wein bei den
Verhandlungen eine Sonderrolle.» Darüber müsse man eigentlich nicht
lange verhandeln, meint Selbach. Nach seinen Informationen sei aber
in den EU-Verhandlungen der Wein gerade aus dem Paket vom Tisch
genommen worden. «Das ist fatal, er muss zurück.» 

Sonst stehen derzeit Zölle von 17 Prozent im Raum. «Das tut weh und
wie das weh tut.» Mit 10 Prozent könnte man schlimmstenfalls leben:
«Aber auch das ist schlecht.» Zuvor war er davon ausgegangen, dass -
wenn man klug verhandele - für den Wein am Ende eine 0 stehen könnte.

Selbach exportiert einen großen Teil seines Weins in die USA. Hinzu
kommen noch rund 40 Betriebe, für die er den Export übernimmt. Anders
als bei Winzer Lauer läuft sein Exportgeschäft aktuell weiter. «Wir
haben viel verladen. Und wir warten jetzt in der nächsten Woche auf
neue Aufträge.» Die Unsicherheit sei natürlich weiter belastend. «W
ir
leben alle quasi von der Hand in den Mund.»

Ab 30 Prozent würden Weine nahezu unverkäuflich  

«Bei einem zehnprozentigen Strafzoll kämen wir vielleicht noch mit
einem blauen Auge davon», sagt VDP-Mitglied Ernst Loosen von der
Mittelmosel. «30, 40 Prozent oder mehr würde importierte Weine nahezu
unverkäuflich machen.» 

Der Strafzoll von 25 Prozent in Trumps erster Amtszeit habe schon
erhebliche Auswirkungen auf den Verkauf der Weine in den USA gehabt,
da sich die Preise für die Verbraucher um 50 Prozent erhöht hätten,
berichtet Loosen. «Diese gewaltigen Preissprünge hatten enorme
Auswirkungen auf den Abverkauf der Weine.»

Gerade in dem amerikanischen Drei-Stufen-System führe jede
zusätzliche Belastung zu ohnehin schon hohen Preisen, sagt Lara Haag
vom VDP-Weingut Schloss Lieser laut Verband. «Weitere Strafzölle
würden den Absatz massiv beeinträchtigen. In einem bereits stark
umkämpften Markt riskiert man dadurch Marktanteile zu verlieren - das
würde uns, wie viele andere exportorientierte Weingüter auch,
deutlich treffen.»

VDP: Die Zölle treffen alle Mitgliedsbetriebe

«Die Zölle treffen alle unsere Mitgliedsbetriebe - ob kleine
Familienweingüter oder größere Erzeugerbetriebe -, die über Jahre
hinweg enge Beziehungen zum US-Markt aufgebaut haben», sagt Theresa
Olkus vom VDP. Gleichzeitig schränkten sie auch die Vielfalt und
Verfügbarkeit deutscher Spitzenweine für amerikanische Importeure,
Gastronomen und Händler deutlich ein. «Es entsteht Schaden in beide
Richtungen.»