Eskalation statt Einigung: Trump schickt Zoll-Brief an EU Von Ansgar Haase und Khang Mischke, dpa

12.07.2025 18:51

In der EU gab es bis zuletzt die Hoffnung, dass der Zollstreit mit
den USA glimpflich enden könnte. Ein neuer Brief von US-Präsident
Trump weckt daran erhebliche Zweifel. Oder ist er nur ein Bluff?

Washington/Brüssel (dpa) - US-Präsident Donald Trump geht im
Zollstreit mit der EU voll auf Konfrontationskurs. Ungeachtet der
bislang laufenden Gespräche über eine einvernehmliche Lösung kündig
te
er in einem am Samstag veröffentlichten Brief ab dem 1. August neue
hohe Zölle an und warnt die EU davor, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Alles nur Verhandlungstaktik? Fragen und Antworten im Überblick:

Was genau steht in dem Schreiben?

Der Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beginnt
erst einmal sehr nett. Im ersten Satz heißt es: «Es ist mir eine
große Ehre, Ihnen dieses Schreiben zu übermitteln, da es die Stärke
und das Engagement unserer Handelsbeziehungen unterstreicht (...).»
Kurz danach kommt es für die EU allerdings knüppeldick: 

So kündigt Trump an, dass die USA ab dem 1. August auf Einfuhren aus
der EU einen Basiszoll in Höhe von 30 Prozent erheben werden -
gesondert von den Sektorzöllen, die schon heute auf den Import von
Autos und Autoteilen sowie von Stahl- und Aluminiumprodukten gelten.
Zudem lässt er wissen, dass er erwartet, dass US-Unternehmen Waren
künftig zollfrei in die EU importieren können. Dazu gibt es auch noch
eine Drohung: Sollte die EU-Vergeltungszölle erheben, werde deren
Zollsatz auf die angekündigten 30 Prozent aufgeschlagen, warnt er.

Was würde eine Umsetzung der Ankündigungen bedeuten?

Vor allem für die exportorientierte deutsche Wirtschaft wäre das ein
heftiger Schlag, da Zölle Produkte in der Regel teurer machen und
damit den Handel bremsen. Bereits unter den von Trump schon
eingeführten Zöllen litt die Wirtschaft. Dazu gehörte ein
Basiszollsatz in Höhe von zehn Prozent, Zölle auf Import von Autos
und Autoteilen in Höhe von 25 Prozent und Zölle auf Stahl- und
Aluminiumprodukte in Höhe von 50 Prozent. 

Die Präsidentin des Auto-Branchenverbandes VDA, Hildegard Müller,
kommentierte am Samstag: «Die Kosten für unsere Unternehmen sind
bereits im Milliarden-Bereich - und mit jedem Tag wächst die Summe.»

Wie begründet Trump seine neuen Ankündigungen? 

Trump beschreibt die Zölle in dem Brief als notwendige
Korrekturmaßnahme. Aus seiner Sicht haben europäische Zölle und
andere Handelsbarrieren über Jahre hinweg ein großes und nicht
tragbares US-Handelsdefizit verursacht. Dieses Defizit stelle eine
erhebliche Bedrohung für die Wirtschaft und die nationale Sicherheit
der USA dar.

Sind die Verhandlungen mit dem Brief damit vorerst beendet?

Das ist völlig unklar. Optimisten in Brüssel hoffen, dass Trump mit
dem Schreiben lediglich eine Drohkulisse aufbauen will, um bei einer
Fortsetzung der Verhandlungen dann am Ende mehr herausholen zu
können. Ebenso wird es für möglich gehalten, dass er einen Deal
möglichst lange herauszögern will, um bis dahin mit bereits
eingeführten Zöllen Kasse machen zu können. In der EU wird so davon
ausgegangen, dass Trump Zolleinnahmen braucht, um
Steuersenkungsversprechen einlösen zu können. US-Finanzminister Scott
Bessent rechnete jüngst vor, dass er bis Jahresende insgesamt mit
Einfuhrzöllen mehr als 300 Milliarden US-Dollar einnehmen möchte.
Neben der EU sind weltweit fast alle anderen Handelspartner der USA
betroffen.

Lässt Trump in dem Brief Verhandlungsbereitschaft erkennen?

Ja. Sollte die EU bereit sein, ihre bislang geschlossenen
Handelsmärkte für die Vereinigten Staaten zu öffnen und
Handelsbarrieren zu eliminieren, werde man möglicherweise eine
Anpassung des Schreibens in Erwägung ziehen, schreibt Trump. Die
Zölle könnten je nach Entwicklung der Beziehungen nach oben oder
unten angepasst werden.

Wo standen die Verhandlungen mit den USA zuletzt?

Auf dem Tisch lag eigentlich der Entwurf für eine gemeinsame
Erklärung. Die meisten EU-Staaten waren grundsätzlich bereit, einen
neuen US-Basiszollsatz zu akzeptieren. Dieser sollte allerdings bei
zehn Prozent oder darunter liegen und nicht bei 30 Prozent. Zudem war
man bereit zuzusichern, an einem Abbau des Handelsdefizits zu
arbeiten - etwa durch den verstärkten Import von Flüssigerdgas (LNG)
aus den USA. Klargemacht hatte die EU allerdings etwa auch, dass sie
von Trump kritisierte Regeln für die Digitalwirtschaft nicht ändern
wird. 

Wie reagiert die EU auf den Brief?

Die für die Zollverhandlungen mit den USA zuständige EU-Kommission
machte umgehend deutlich, dass sie sich so lange wie möglich weiter
um eine einvernehmliche Lösung des Handelskonflikts bemühen will. Man
nehme das Schreiben von US-Präsident Donald Trump zu einem neuen
Zollsatz und einem neuen Zeitplan zur Kenntnis, teilte
Kommissionspräsidentin von der Leyen mit. Man sei weiterhin bereit,
bis zum 1. August auf eine Einigung hinzuarbeiten.

Welche Handlungsoptionen hätte die EU noch?

Theoretisch könnte sofort begonnen werden, die USA mit ersten
Vergeltungszöllen unter Druck zu setzen. Diese sind sogar bereits
beschlossen, wurden wegen bislang andauernden Verhandlungen
allerdings ausgesetzt. Als wahrscheinlich gilt, dass sie erst dann in
Kraft gesetzt werden, wenn es keine Chance mehr auf eine
Verhandlungslösung gibt - beziehungsweise dann, wenn die USA ihre
neuen Zollpläne umsetzen. Wirtschaftlich könnten EU-Zölle den USA
erheblich schaden - die EU ist mit etwa 450 Millionen Bürgerinnen und
Bürgern in 27 Ländern eine echte Marktmacht.

Warum setzt die EU dann nicht einfach mehr auf Druck?

Als Hintergrund gilt insbesondere die Abhängigkeit in
Verteidigungsfragen. So gibt es die Sorge, Trump könne im Fall eines
verschärften Handelskonflikts neue Drohkulissen aufbauen -
beispielsweise indem er erneut die militärische Beistandspflicht
innerhalb der Nato infrage stellt oder die Unterstützung für die
Ukraine zurückfährt - beides sind äußerst sensible Themen angesicht
s
der Bedrohungen durch Russland.

Um was für ein Handelsvolumen geht es eigentlich?

Nach Angaben der EU haben die Europäische Union und die Vereinigten
Staaten die umfassendsten bilateralen Handels- und
Investitionsbeziehungen der Welt und die am engsten miteinander
verzahnten Volkswirtschaften. Zusammen machen sie demnach fast
30 Prozent des weltweiten Handels mit Waren und Dienstleistungen und
43 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aus. Im Jahr 2024 belief
sich der transatlantische Handel mit Waren und Dienstleistungen nach
EU-Zahlen auf rund 1,7 Billionen Euro. Die EU und die USA waren
jeweils füreinander der wichtigste Warenhandelspartner.

Haben die US wirklich ein deutliches Handelsdefizit?

Im Warenhandel mit den USA verbuchte die EU 2024 nach jüngsten Zahlen
des Statistikamts Eurostat einen deutlichen Überschuss in Höhe von
rund 198 Milliarden Euro. So wurden im Jahr 2024 Waren im Wert von
etwa 533 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten ausgeführt und
nur Waren im Wert von rund 335 Milliarden Euro aus den USA
importiert. Im Dienstleistungsbereich hat die EU hingegen ein
Handelsdefizit mit den Vereinigten Staaten, so dass die EU nach
eigenen Angaben 2024 im Handel mit Waren und Dienstleistungen
lediglich einen Handelsüberschuss von 50 Milliarden Euro hat. «Dies
entsprach weniger als drei Prozent des gesamten Handels zwischen der
EU und den USA», wird in Brüssel argumentiert.