Trumps Zoll-Brief: Muss die EU jetzt in den Handelskrieg? Von Ansgar Haase und Khang Mischke, dpa
13.07.2025 18:51
In der EU gab es bis zuletzt die Hoffnung, dass der Zollkonflikt mit
den USA zügig und glimpflich enden könnte. Ein neuer Brief von Trump
weckt daran Zweifel. Nun stellt sich die Strategiefrage.
Washington/Brüssel (dpa) - US-Präsident Donald Trump geht im
Zollstreit mit der EU voll auf Konfrontationskurs. Ungeachtet der
bislang laufenden Gespräche über eine einvernehmliche Lösung kündig
te
er in einem am Samstag veröffentlichten Brief neue hohe Zölle ab dem
1. August an. Die EU steht nun vor schwierigen Entscheidungen. Fragen
und Antworten im Überblick:
Was genau steht in dem Schreiben?
Der Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beginnt
erst einmal sehr nett. Im ersten Satz heißt es: «Es ist mir eine
große Ehre, Ihnen dieses Schreiben zu übermitteln, da es die Stärke
und das Engagement unserer Handelsbeziehungen unterstreicht (...).»
Kurz danach kommt es für die EU allerdings knüppeldick:
So kündigt Trump an, dass die USA ab dem 1. August auf Einfuhren aus
der EU einen Basiszoll in Höhe von 30 Prozent erheben werden.
Ausgenommen sind demnach nur die Produkte, für die es bereits
sogenannte Sektorzölle gibt. Zudem lässt Trump wissen, dass er
erwartet, dass US-Unternehmen Waren künftig zollfrei in die EU
exportieren können. Dazu gibt es auch noch eine Drohung: Sollte die
EU-Vergeltungszölle erheben, werde deren Zollsatz auf die
angekündigten 30 Prozent aufgeschlagen, warnt er.
Was würde eine Umsetzung der Ankündigungen bedeuten?
Vor allem für die exportorientierte deutsche Wirtschaft wäre das ein
heftiger Schlag, da Zölle Produkte in der Regel teurer machen und
damit den Handel bremsen. Bereits unter den von Trump schon
eingeführten Zöllen litt die Wirtschaft. Dazu gehörte ein
Basiszollsatz in Höhe von zehn Prozent sowie Sektorzölle auf Import
von Autos und Autoteilen in Höhe von 25 Prozent und Zölle auf Stahl-
und Aluminiumprodukte in Höhe von 50 Prozent.
Die Präsidentin des Auto-Branchenverbandes VDA, Hildegard Müller,
kommentierte: «Die Kosten für unsere Unternehmen sind bereits im
Milliarden-Bereich - und mit jedem Tag wächst die Summe.»
Wie begründet Trump seine neuen Ankündigungen?
Trump beschreibt die Zölle in dem Brief als notwendige
Korrekturmaßnahme. Aus seiner Sicht haben europäische Zölle und
andere Handelsbarrieren über Jahre hinweg ein großes und nicht
tragbares US-Handelsdefizit verursacht. Dieses Defizit stelle eine
erhebliche Bedrohung für die Wirtschaft und die nationale Sicherheit
der USA dar.
Sind die Verhandlungen mit dem Brief noch sinnvoll?
Optimisten in Brüssel hoffen, dass Trump mit dem Schreiben lediglich
eine Drohkulisse aufbauen will, um bei einer Fortsetzung der
Verhandlungen dann am Ende mehr herausholen zu können. Ebenso wird es
für möglich gehalten, dass er einen Deal möglichst lange herauszöge
rn
will, um bis dahin mit bereits eingeführten Zöllen Kasse machen zu
können.
In der EU wird davon ausgegangen, dass Trump Zolleinnahmen braucht,
um Steuersenkungsversprechen einlösen zu können. US-Finanzminister
Scott Bessent rechnete jüngst vor, dass er bis Jahresende mit
Einfuhrzöllen insgesamt mehr als 300 Milliarden US-Dollar einnehmen
könnte. Neben der EU sind weltweit fast alle anderen Handelspartner
der USA von neuen Zöllen betroffen.
Lässt Trump in dem Brief Verhandlungsbereitschaft erkennen?
Ja. Sollte die EU bereit sein, ihre bislang geschlossenen
Handelsmärkte für die Vereinigten Staaten zu öffnen und
Handelsbarrieren zu eliminieren, werde man möglicherweise eine
Anpassung des Schreibens in Erwägung ziehen, lässt Trump die
EU-Kommissionspräsidentin wissen. Die Zölle könnten je nach
Entwicklung der Beziehungen nach oben oder unten angepasst werden.
Wo standen die Verhandlungen mit den USA zuletzt?
Auf dem Tisch lag eigentlich der Entwurf für eine gemeinsame
Erklärung. Die meisten EU-Staaten waren grundsätzlich bereit, einen
neuen US-Basiszollsatz zu akzeptieren. Dieser sollte allerdings bei
zehn Prozent oder darunter liegen und nicht bei 30 Prozent. Zudem war
man bereit zuzusichern, an einem Abbau des Handelsdefizits zu
arbeiten - etwa durch den verstärkten Import von Flüssigerdgas (LNG)
aus den USA. Klargemacht hatte die EU allerdings etwa auch, dass sie
von Trump kritisierte Regeln für die Digitalwirtschaft nicht ändern
wird.
Wie reagiert die EU auf den Brief?
Die für die Zollverhandlungen mit den USA zuständige EU-Kommission
machte umgehend deutlich, dass sie sich so lange wie möglich weiter
um eine einvernehmliche Lösung des Handelskonflikts bemühen will. Man
nehme das Schreiben von US-Präsident Donald Trump zu einem neuen
Zollsatz und einem neuen Zeitplan zur Kenntnis, teilte
Kommissionspräsidentin von der Leyen mit. Man sei weiterhin bereit,
bis zum 1. August auf eine Einigung hinzuarbeiten.
Welche Handlungsoptionen hätte die EU noch gehabt?
Eine Option wäre es gewesen, bereits am Dienstag erste Gegenzölle auf
Importe aus den USA in Kraft treten zu lassen. Dies hätte damit
begründet werden können, dass bisherige Zollerhöhungen von Trump
wegen der bis zuletzt noch laufenden Verhandlungen unbeantwortet
geblieben sind und die USA dadurch aus EU-Sicht ungerechtfertigte
Einnahmen generieren. Kommissionspräsidentin von der Leyen entschied
sich am Sonntag aber wie erwartet gegen diese Option und begründete
dies damit, dass die Zeit bis zum 1. August noch für Gespräche
genutzt werden soll.
Bernd Lange, der deutsche Vorsitzende des Handelsausschusses des
Europäischen Parlaments, hatte zuvor für ein Ende der Geduld
plädiert. Der SPD-Politiker argumentierte, Trumps Brief sei nach den
wochenlangen Verhandlungen eine «Unverschämtheit». Man müsse nun di
e
wirtschaftliche Stärke der EU nutzen, um klarzumachen, dass Trumps
unfaire Handelspraktiken inakzeptabel seien. Lange spielte damit
darauf an, dass die EU den USA mit Gegenzöllen erheblich schaden
könnte, weil sie mit etwa 450 Millionen Bürgerinnen und Bürgern in 27
Ländern eine echte Marktmacht ist.
Warum setzt die EU nicht schon lange auf mehr Druck?
Als Hintergrund gilt insbesondere die Abhängigkeit in
Verteidigungsfragen. So gibt es die Sorge, Trump könne im Fall eines
verschärften Handelskonflikts neue Drohkulissen aufbauen -
beispielsweise indem er erneut die militärische Beistandspflicht
innerhalb der Nato infrage stellt oder die Unterstützung für die
Ukraine zurückfährt. Beides sind äußerst sensible Themen angesichts
der Bedrohungen durch Russland.
Um was für ein Handelsvolumen geht es eigentlich?
Nach Angaben der EU haben die Europäische Union und die Vereinigten
Staaten die umfassendsten bilateralen Handels- und
Investitionsbeziehungen der Welt und die am engsten miteinander
verzahnten Volkswirtschaften. Zusammen machen sie demnach fast
30 Prozent des weltweiten Handels mit Waren und Dienstleistungen und
43 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aus. Im Jahr 2024 belief
sich der transatlantische Handel mit Waren und Dienstleistungen nach
EU-Zahlen auf rund 1,7 Billionen Euro. Die EU und die USA waren
jeweils füreinander der wichtigste Warenhandelspartner.
Haben die US wirklich ein deutliches Handelsdefizit?
Im Warenhandel mit den USA verbuchte die EU 2024 nach jüngsten Zahlen
des Statistikamts Eurostat einen deutlichen Überschuss in Höhe von
rund 198 Milliarden Euro. So wurden im Jahr 2024 Waren im Wert von
etwa 533 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten ausgeführt und
nur Waren im Wert von rund 335 Milliarden Euro aus den USA
importiert. Im Dienstleistungsbereich hat die EU hingegen ein
Handelsdefizit mit den Vereinigten Staaten, so dass die EU nach
eigenen Angaben 2024 im Handel mit Waren und Dienstleistungen
lediglich einen Handelsüberschuss von 50 Milliarden Euro hat.