Von der Leyen schlägt EU-Budget von zwei Billionen Euro vor Von Katharina Redanz, dpa

16.07.2025 18:15

Die EU will aufrüsten - aber Bauern, Regionen und Wirtschaft wollen
auch mehr Geld. Die EU-Kommission macht einen Vorschlag, wie das
klappen soll.

Brüssel (dpa) - EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will
den langfristigen Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union
deutlich aufstocken, um zusätzliche Investitionen in Sicherheit und
Verteidigung zu ermöglichen. Wie sie in Brüssel mitteilte, soll der
Etat für die Jahre 2028 bis 2034 rund 2 Billionen Euro umfassen - das
sind etwa 700 Milliarden Euro mehr als derzeit für die laufende
siebenjährige Budgetperiode veranschlagt sind. 

Fast die Hälfte des Haushalts soll nach Willen der Kommission in die
Mitgliedsstaaten fließen und etwa an die Landwirtschaft und die
strukturschwächsten Regionen gehen, so EU-Kommissionspräsidentin
Ursula von der Leyen. «Die Landwirtschaft und der Zusammenhalt stehen
weiterhin im Mittelpunkt unseres Haushalts.» 

Mehr als 400 Milliarden Euro sind für einen Fonds zur Steigerung der
Wettbewerbsfähigkeit vorgesehen. Allein 131 Milliarden Euro sollen in
den Bereich Verteidigung und Raumfahrt fließen. «Das ist das
Fünffache dessen, was wir heute haben», erklärte von der Leyen.

Zudem sind Mittel etwa für das EU-Forschungsförderungsprogramm
Horizon und das Bildungsprogramm Erasmus+ vorgesehen. Für die
Unterstützung der Ukraine will die Behörde 100 Milliarden Euro
bereitstellen - zusätzlich zu bereits laufenden Hilfsprogrammen.

 

Als wirtschaftsstärkster Mitgliedsstaat steuert Deutschland in der
Regel knapp ein Viertel der Mittel bei. Die vorgeschlagene
Budgeterhöhung könnte allerdings zumindest teilweise auch über neue
Einnahmequellen finanziert werden.

Um den Druck auf die nationalen Haushalte zu verringern, will die
EU-Kommission die vorgeschlagene Budgeterhöhung auch über neue
Einnahmequellen finanzieren: Sogenannte neue Eigenmittel sollen
jährlich 58,5 Milliarden Euro einbringen, teilte sie mit. Konkret
schlägt die EU-Kommission unter anderem eine Abgabe für große
Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro
und eine Abgabe auf nicht für das Recycling gesammelten
Elektroschrott vor. Auch ist vorgesehen, dass ein Teil der Einnahmen
aus Tabaksteuern aus den Hauptstädten nach Brüssel fließen soll. 

Mit dem Haushaltsplan wird grob festgelegt, wofür die EU Geld
ausgeben will - und wie viel. Die Kommission unter der Leitung der
Deutschen von der Leyen versucht mit ihrem Vorschlag,
unterschiedliche Interessen und Faktoren unter einen Hut zu bringen.
Denn während mehr Geld für die Sicherheit und Verteidigung ausgegeben
werden soll, Bauern gegen mögliche Kürzungen Sturm laufen und
Darlehen des Corona-Aufbaufonds zurückgezahlt werden müssen, sind die
Kassen der Mitgliedsländer leer. Und finanzstarke EU-Staaten wie
Deutschland oder die Niederlande wollen nicht tiefer in die Tasche
greifen. 

Weniger Geld soll fest verplant werden

Neben zusätzlichem Geld für die Aufrüstung gegen Russland will die
Kommission auch, weniger Mittel fest zu verplanen - um schnell und
wirksam auf neu auftretende Entwicklungen reagieren zu können, wie es
heißt. Auch soll es insgesamt weniger spezifische Ausgabenprogramme
geben. Während es bislang etwa separate Töpfe für die EU-Agrarpolitik

und die Strukturförderung für Regionen gibt, sollen diese Posten
künftig aus lediglich einem großen Fonds finanziert werden. Auch
EU-Einrichtungen wie die Grenzschutzagentur Frontex und die
Polizeibehörde Europol sollen hier Geld bekommen.

Für Geld aus dem Fonds soll nach dem Willen der Kommission jeder
EU-Staat einen sogenannten Nationalen Reform- und Investitionsplan
(NRP) erstellen. Darin würde das Land zeigen, welche Reformen und
Investitionen es von 2028 bis 2034 umsetzen und wofür es EU-Geld
verwenden möchte. Bei der Erstellung des Plans sollen etwa auch
regionale Behörden mitwirken.

Für die Rückzahlung des Corona-Aufbaufonds sieht die Kommission
jährlich 24 Milliarden Euro zu derzeitigen Preisen vor - das bedeute
Gesamtkosten in Höhe von 168 Milliarden Euro, teilte sie mit. Der
Topf wurde 2021 geschaffen, um die wirtschaftlichen Schäden durch die
Corona-Pandemie zu bewältigen und gleichzeitig die Wirtschaft zu
modernisieren. Dafür wurden in der EU erstmals im großen Stil
gemeinsam Schulden aufgenommen. Die Rückzahlung beginnt 2028 und soll
bis 2058 andauern. 

Lange und komplizierte Verhandlungen erwartet

Der Vorschlag muss nun von den EU-Ländern und dem Europäischen
Parlament beraten werden. Dann muss das EU-Parlament durch eine
Mehrheitsentscheidung zustimmen, die EU-Länder müssen den Haushalt
einstimmig annehmen. Es werden lange und komplizierte Verhandlungen
erwartet. Über den aktuellen Finanzrahmen diskutierten die EU-Staats-
und Regierungschefs 2020 bei einem Gipfeltreffen vier Tage und Nächte
lang.

Der größte Teil des langfristigen EU-Haushalts wird aus Beiträgen der

Mitgliedsstaaten gestemmt - jeder EU-Staat zahlt einen bestimmten
Prozentsatz seines Bruttonationaleinkommens (BNE). Als sogenannte
Eigenmittel fließen bislang vor allem Zolleinnahmen und die Erträge
einer Plastiksteuer nach Brüssel.

Von der Bundesregierung gab es nicht unmittelbar eine Reaktion auf
den Vorschlag der Kommission. Bislang hatte Deutschland allerdings
nie infrage gestellt, dass es die höchsten nationalen Beiträge
leisten muss. In Berlin wird darauf verwiesen, dass die
Bundesrepublik als großes Exportland auch am meisten vom gemeinsamen
Binnenmarkt profitiert.

Kritik aus dem Parlament

Aus dem EU-Parlament kam bereits Kritik an dem Vorschlag -
insbesondere an den geplanten Nationalen Reform- und
Investitionsplänen, nach denen in den Mitgliedsstaaten über die
Verwendung von Geldern entschieden werden soll. In einem gemeinsamen
Papier der Fraktionsvorsitzenden des Mitte-Rechts-Bündnisses EVP, der
sozialdemokratischen S&D, der liberalen Renew und der Grünen heißt
es, das Parlament werde keine Einschränkung seiner Aufsichtspflicht
und demokratischen Kontrolle über EU-Ausgaben akzeptieren - «oder,
noch schlimmer, eine Renationalisierung zentraler EU-Politiken».