EU-Kommission will mehrjähriges Billionen-Budget reformieren Von den Brüsseler dpa-Korrespondenten

16.07.2025 20:22

In Europa braucht es Geld für Verteidigung, die Landwirtschaft und
strukturschwache Regionen - doch wo kommt es künftig her und wie soll
es verteilt werden? Die EU-Kommission will einiges verändern.

Brüssel (dpa) - Die Europäische Kommission will den Bauern in der EU
künftig weniger Geld fest zusagen. Wie aus einem Haushaltsvorschlag
der Brüsseler Behörde hervorgeht, sollen Landwirten für den Zeitraum

von 2028 bis 2034 nur etwa 300 Milliarden zugesichert werden - und
damit mehr als 20 Prozent weniger als in der laufenden siebenjährige
Budgetperiode veranschlagt. Für Fischereibetriebe sind zwei
Milliarden Euro fest vorgesehen. Die Mitgliedsstaaten sollen ihren
Bauern aber mehr EU-Geld zufließen lassen können. 

Weiterhin will die Kommission den Geldtopf für die Agrarpolitik mit
Budgets für andere Politikbereiche zusammenlegen. Was genau schlägt
die Kommission vor? Fragen und Antworten im Überblick.

Was ist der mehrjährige EU-Haushalt?

In dem langfristigen Etat werden die Obergrenzen der jährlichen
Ausgaben der EU sowie deren Verwendung festgelegt. Der sogenannte
Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) wird jeweils für sieben Jahre
aufgestellt und zunächst von der Europäischen Kommission
vorgeschlagen, bevor er von den EU-Staaten und dem Europaparlament
diskutiert wird. 

Der nächste Finanzrahmen soll nach Willen der EU-Kommission rund 2
Billionen Euro umfassen - das sind etwa 700 Milliarden Euro mehr als
derzeit für die laufende siebenjährige Budgetperiode veranschlagt
sind. 

In dem derzeit laufenden Budget fließt das mit Abstand meiste Geld in
Europas Landwirtschaft und die sogenannte Kohäsionspolitik. Mit
diesen Mitteln für die Strukturförderung soll wirtschaftlich schwach
entwickelten Regionen geholfen werden, ökonomische und soziale
Unterschiede auszugleichen. Künftig ist beispielsweise deutlich mehr
Geld für Sicherheit und Verteidigung vorgesehen.

Was soll mit den bislang großen Posten passieren?

Während es bislang viele Töpfe für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU

(GAP) und für die Kohäsion gibt, soll es nach Willen der Kommission
künftig lediglich einen großen Fonds dafür geben. Auch
EU-Einrichtungen wie die Grenzschutzagentur Frontex und die
Polizeibehörde Europol sollen hieraus Geld bekommen.

Rund die Hälfte des Budgets soll nach Willen der Kommission an diese
erste Säule des Haushalts gehen. «Die Landwirtschaft und der
Zusammenhalt stehen weiterhin im Mittelpunkt unseres Haushalts», sagt
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ihr Kommissar für
Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Christophe Hansen, betont:
«Das Geld, das in die Taschen unserer Landwirte fließt, bleibt
erhalten.»

Für Geld aus dem Fonds soll nach dem Willen der Kommission jeder
EU-Staat einen sogenannten Nationalen Reform- und Investitionsplan
(NRP) erstellen. Darin würde das Land zeigen, welche Reformen und
Investitionen es von 2028 bis 2034 umsetzen will und wofür es EU-Geld
verwenden möchte. Bei der Erstellung des Plans sollen etwa auch
regionale Behörden mitwirken. Den Angaben nach könnte im Rahmen
dieser Pläne entschieden werden, den Landwirten mehr Geld zukommen zu
lassen als von Brüssel vorgegeben ist.

Was ist für die Agrargelder geplant?

Derzeit profitieren besonders große Landwirtschaftsbetriebe von den
EU-Geldern. Wie die Kommission in Zukunft plant, die Fördergelder zu
verteilen, dazu gab es zunächst keine konkreten Informationen. Wie
aus letzten Entwürfen hervorgeht, will die Kommission unter anderem,
dass Mitgliedsstaaten den jährlichen Betrag der flächenbezogenen
Gelder ab einer bestimmten Grenze kürzen. Kleine Betriebe könnten
ebenso wie Jungbauern mehr unterstützt werden.

Weil alle Bauern eigentlich mehr Geld wollen, demonstrierten sie in
Brüssel. Ein paar Hundert Teilnehmende aus verschiedenen EU-Ländern
machten lautstark auf sich aufmerksam. Für die deutschen Bauern ist
die EU-Agrarfinanzierung ein bedeutender Einkommensfaktor - mit
derzeit insgesamt 6,3 Milliarden Euro im Jahr. 

Woher soll das Geld kommen?

Der Löwenanteil des langfristigen EU-Haushalts wird aus Beiträgen der
Mitgliedsstaaten gestemmt - Deutschland steuert als
wirtschaftsstärkstes Mitgliedsland knapp ein Viertel der Mittel bei.
Bislang hat die Bundesrepublik nie infrage gestellt, dass es die
höchsten nationalen Beiträge leisten muss. In Berlin wird darauf
verwiesen, dass Deutschland als großes Exportland auch am meisten vom
gemeinsamen Binnenmarkt profitiert.

Um den Druck auf die nationalen Haushalte zu verringern, will die
EU-Kommission die vorgeschlagene Budgeterhöhung auch über neue
Einnahmequellen finanzieren: Sogenannte neue Eigenmittel sollen
jährlich 58,5 Milliarden Euro einbringen.

Was sind die Reaktionen auf die Vorschläge? 

Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) bezeichnete den Vorschlag, die
Budgets für Agrarpolitik und Kohäsion zusammenzulegen, in einer
Mitteilung als «gefährliche Zäsur». Er kündigte an, sich in Brü
ssel
dafür einsetzen zu wollen, dass die GAP ein eigenständiger
Politikbereich bleibt. 

Der Deutsche Bauernverband reagierte auf die Vorschläge aus der
EU-Kommission ebenfalls mit scharfer Kritik: «Das ist ein Angriff auf
die Landwirtschaft und die ländlichen Räume, der letztlich den
europäischen Gedanken konterkariert», sagte Bauernpräsident Joachim
Rukwied laut Mitteilung. Es brauche mehr statt weniger Geld für die
Landwirtinnen und Landwirte, um den Herausforderungen der Zeit
gerecht zu werden.