Einigung in Brüssel: EU verhängt neue Russland-Sanktionen Von Ansgar Haase, dpa

18.07.2025 10:53

Die EU hat genug von der Hinhaltetaktik von Kremlchef Putin. Um
Friedensbemühungen für die Ukraine voranzubringen, werden neue
Sanktionen verhängt. Dabei geht es auch um die Nord-Stream-Pipelines.

Brüssel (dpa) - Die EU verhängt wegen des anhaltenden russischen
Angriffskrieges gegen die Ukraine neue Sanktionen. Nach wochenlanger
Blockade durch die Slowakei konnte das mittlerweile 18. Paket mit
Strafmaßnahmen in Brüssel endgültig beschlossen werden.

Nach Angaben der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas ist es eines der
bislang stärksten. Erneut werden auch chinesische Unternehmen ins
Visier genommen, die Russlands Angriffskrieg unterstützen.

Konkret sollen die neuen Sanktionen insbesondere die russischen
Einkünfte aus dem Export von Öl in Drittstaaten weiter reduzieren und
den russischen Finanzsektor treffen. Zudem haben sie zum Ziel, eine
denkbare Wiederinbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 1 und eine
Nutzung der Pipeline Nord Stream 2 auszuschließen.

Drei der insgesamt vier Röhren von Russland nach Deutschland wurden
zwar bei einem Anschlag im September 2022 zerstört. Im Fall einer
Reparatur könnten die durch die Ostsee verlaufenden Pipelines
Russland aber Milliardengewinne durch den Verkauf von Gas
ermöglichen.

Veto der Slowakei verzögerte Sanktionspaket

Die Einigung auf das Sanktionspaket hatte eigentlich bereits direkt
nach dem Juni-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs erfolgen
sollen. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico verhinderte
dies allerdings mit einer Vetodrohung.

Ermöglicht wurde die Einigung nun durch Zugeständnisse. So bekam die
Slowakei zugesichert, dass sie keine schwerwiegenden wirtschaftlichen
und finanziellen Konsequenzen fürchten muss, wenn nach dem neuen
Sanktionspaket auch noch ein Plan für einen kompletten Importstopp
von russischem Gas umgesetzt wird. Diesen Plan kann Fico nicht
blockieren, weil er im Gegensatz zu dem Sanktionspaket auch per
Mehrheitsentscheidung gegen den Willen der Slowakei entschieden
werden kann.

Ölpreisdeckel wird dynamisch angepasst

Zudem hatten zuletzt auch noch Malta, Griechenland und Zypern
Bedenken gegen Maßnahmen, die die russischen Einkünfte aus dem Export
von Rohöl in Drittstaaten reduzieren sollen. Die Länder befürchteten

ungerecht große Nachteile für heimische Schifffahrtsunternehmen, wenn
der sogenannte Ölpreisdeckel zu stark gesenkt wird. Als Kompromiss
wurde nun vereinbart, die Preisobergrenze regelmäßig anzupassen, so
dass sie langfristig nicht mehr als 15 Prozent unter dem
durchschnittlichen Marktpreis liegt. In einem ersten Schritt soll sie
von derzeit 60 auf 47,60 US-Dollar pro Barrel (159-Liter-Fass)
reduziert werden.

Ursprünglich war geplant gewesen, den Preisdeckel für russisches Öl
dauerhaft auf 45 US-Dollar pro Barrel abzusenken. Er gilt für den
Verkauf von russischem Öl in Drittstaaten wie Indien, China oder die
Türkei und wurde 2022 gemeinsam mit den USA und Japan, Kanada und
Großbritannien eingeführt.

Um ihn durchzusetzen, werden Unternehmen Sanktionen angedroht, die am
Transport von russischem Öl zu einem Preis oberhalb des Preisdeckels
beteiligt sind. Diese Regelung zielt auf Reedereien ab, aber auch auf
Unternehmen, die Versicherungen, technische Hilfe sowie
Finanzierungs- und Vermittlungsdienste anbieten.

Lange Liste neuer Sanktionen

Neben den oben genannten Maßnahmen wurde nach Angaben von Diplomaten
zudem Folgendes vereinbart:

* Einführung eines Importverbots für raffinierte Produkte aus
russischem Rohöl. Das sind etwa Kraftstoffe für Autos und Flugzeuge
sowie Heizöl. Damit soll eine Gesetzeslücke geschlossen werden, die
Russland bislang indirekte Exporte über Drittländer ermöglichte.
* Einführung eines Verbots von Finanztransaktionen mit Unternehmen
aus Drittländern, die Öl-bezogene Sanktionen umgehen.
* Listung von mehr als 100 Schiffen, die Teil der sogenannten
russischen Schattenflotte zur Umgehung von Energiesanktionen sind.
Sie dürfen künftig nicht mehr in Häfen von EU-Staaten einlaufen und
dürfen auch nicht mehr von europäischen Unternehmen versichert,
finanziert oder ausgerüstet werden. Insgesamt sind damit künftig rund
450 Schiffe betroffen.
* Listung von zusätzlichen 22 Banken, die vom
Finanzkommunikationssystem Swift abgekoppelt werden; dazu Ausweitung
der Strafmaßnahme auf ein vollständiges Verbot von Transaktionen.
* Sanktionierung von mehreren chinesischen Unternehmen, die
Russlands Angriffskrieg direkt oder indirekt unterstützen, sowie der
größten Rosneft-Raffinerie in Indien.
* Einführung von weiteren Ausfuhrbeschränkungen; betroffen sind
etwa Werkzeugmaschinen, die im militärisch-industriellen System
verwendet werden können.
* Ausweitung der Liste mit sanktionierten Einzelpersonen,
Unternehmen und Organisationen um mehr als 50 Einträge. Sie umfasst
damit künftig mehr als 2.500 Einträge.

China kritisierte die Maßnahmen gegen heimische Unternehmen scharf
und drohte Vergeltung an. Europa solle damit aufhören, die Interessen
chinesischer Firmen ohne Faktengrundlage zu beeinträchtigen, sagte
Außenamtssprecher Lin Jian in Peking. China werde nötige Maßnahmen
ergreifen, um die Rechte heimischer Firmen zu schützen. In Bezug auf
die Ukraine habe sich die Volksrepublik für Friedensverhandlungen
eingesetzt und den Konfliktparteien nie tödliche Waffen geliefert.

Wie hart treffen die Sanktionen Russland?

Die Wirksamkeit der Russland-Sanktionen bleibt umstritten. Kritiker
bezweifeln, dass sie einen großen Einfluss auf die Politik von
Russlands Präsident Wladimir Putin haben. Befürworter hingegen
verweisen darauf, dass die Strafmaßnahmen die russische Wirtschaft
hart träfen und der Staat erhebliche Einnahmeausfälle zu verkraften
habe. Demnach hätte Russland den Ukraine-Krieg ohne die Sanktionen
möglicherweise schon lange mit einem Sieg beendet.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte Putin, dass die
EU den Druck so lange erhöhen werde, bis er den Krieg beende. Man
ziele auf das Herz von Russlands Kriegsmaschinerie, sagte sie.