Minister drängen auf Abschiebungen und härtere Asylpolitik Von Fatima Abbas, Marco Hadem und Leonie Asendorpf, dpa

18.07.2025 17:37

Vom höchsten Berg Deutschlands sendet Innenminister Dobrindt ein
klares Signal: Mit ihm werde es kein Zaudern in der Migrationspolitik
geben. Fünf europäische Partner stehen dabei an seiner Seite.

Grainau/Berlin (dpa) - Deutschland sitze bei der Migration nicht mehr
im «Bremserhäuschen», sondern in der Lokomotive, macht Alexander
Dobrindt (CSU) gleich zu Beginn seines Statements deutlich. Der
Bundesinnenminister hatte fünf seiner europäischen Amtskollegen
gleich auf den höchsten Berg Deutschlands eingeladen, um über
drängende Fragen der Migrationspolitik zu beraten. Ergebnis ist eine
gemeinsame Erklärung, in der Deutschland, Österreich, Dänemark,
Polen, Tschechien und Frankreich auf konsequente Abschiebungen und
weitere Verschärfungen in der Migrationspolitik drängen.

Dobrindt lobte die Erklärung als «Signal der Einigkeit, Sichtbarkeit
und des gemeinsamen Engagements». Auch EU-Innenkommissar Magnus
Brunner nahm an den Gesprächen teil. Das Wichtigste im Überblick.

Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan ermöglichen

«Wirksame Rückführungen sind eine unerlässliche Voraussetzung für
das
Vertrauen in eine ausgewogene europäische Migrationspolitik», heißt
es in der gemeinsamen Erklärung. Dazu gehörten auch Abschiebungen
nach Syrien und Afghanistan. Diese müssten «möglich sein», halten d
ie
Minister fest. Bislang ist die Ausreise von abgelehnten Asylbewerbern
in diese beiden Länder mit hohen Hürden verbunden.

Erst am Morgen war aus Leipzig ein Abschiebeflug mit 81 afghanischen
Straftätern in die afghanische Hauptstadt Kabul gestartet. Die Männer
seien «schwere und schwerste Straftäter», sagte Dobrindt im
ARD-«Morgenmagazin». Für solche Abschiebungen gebe es «ein ganz
berechtigtes Interesse der Bürgerinnen und Bürger.»

Es war die erste Abschiebung dieser Art seit Antritt der
schwarz-roten Koalition unter Kanzler Friedrich Merz (CDU). Wegen der
in Afghanistan herrschenden Taliban und ihres brutalen Regimes üben
Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl immer wieder scharfe Kritik an
Abschiebungen nach Afghanistan.

Die Bundesregierung hat keine offiziellen Beziehungen zu den Taliban.
Der aktuelle Abschiebeflug war durch die Vermittlung von Katar
zustande gekommen. Dobrindt betonte, dass Deutschland in Zukunft in
die Lage kommen müsse, Abschiebungen auch ohne «strategische Partner»

wie Katar vorzunehmen. «Es gibt kein Recht für schwere Straftäter, in

unserem Land zu bleiben», bekräftigte er.

Rückführung in Staaten außerhalb der EU

Die Innenminister sind sich einig: Sogenannte Drittstaaten, also
Nicht-EU-Länder, sollen besser dabei helfen, Ausreisepflichtige
aufzunehmen. So sollen abgelehnte Asylbewerber künftig in sichere
Zentren außerhalb der EU gebracht werden können.

An diesen sogenannten «Return Hubs» oder Rückführungszentren wird a
uf
EU-Ebene bereits gearbeitet. Sie sind Teil des Kommissionsvorschlags
zur Reform der EU-Rückführungsrichtlinie. Dabei handelt es sich um
Einrichtungen, in denen nationale Behörden gemeinsam mit EU-Agenturen
wie Frontex Rückführungen koordinieren und vorbereiten sollen.

Die Innenminister setzen sich in diesem Zusammenhang auch für ein
stärkeres Mandat der Grenzschutzagentur Frontex ein: «Frontex sollte
in Zukunft auch das Mandat dafür bekommen, Rückführungen aus
Drittländern wie den westlichen Balkanstaaten durchzuführen», heißt

es.

«Um die illegalen Migrationsströme zu verringern», müsse es generel
l
eine konstruktive Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern
geben, betonen die Minister. Die auf EU-Ebene beschlossene Reform des
europäischen Asylsystems (GEAS) solle schnell und konsequent
umgesetzt werden. Dafür müsse die EU ausreichend finanzielle Mittel
zur Verfügung stellen, heißt es.

Kampf gegen Schmuggler und Schleuser

Eine weitere gemeinsame Forderung ist ein konsequentes Vorgehen gegen
Schmuggler und Schleuser. In diesem Zusammenhang fordern die
Innenminister die EU-Kommission auf, sich aktiver für den Abschluss
internationaler Vereinbarungen zum Austausch personenbezogener Daten
zwischen Europol und relevanten Drittstaaten wie etwa der Türkei
einzusetzen. Die Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten
sollten aus Sicht der Innenminister enger mit diesen Ländern
zusammenarbeiten. Auch müssten illegale Bargeldflüsse stärker
verfolgt werden, fordern die Minister.

EU-Kommissar Brunner betonte, dass Europa selbst entscheiden müsse,
wer den Kontinent betrete, und nicht die Schlepper und Schleuser.
«Wir müssen den Menschen das Gefühl zurückgeben, dass wir Kontrolle

über das haben, was in Europa passiert», erklärte er. Das sei
wichtig, damit Populisten nicht noch mehr Aufwind bekämen. Mit der
EU-Asylreform würden Asylverfahren schneller.

«Es ist wirklich inakzeptabel, dass nur einer von Vieren, die sich
illegal in Europa aufhalten, dann auch tatsächlich rückgeführt
werden.» Das solle mit der Reform der Rückführungsverordnung besser
werden.

Auch die geladenen Innenminister betonten die Notwendigkeit einer
restriktiven Asyl- und Migrationspolitik. Dobrindts französischer
Amtskollege Bruno Retailleau erklärte, das Vorgehen gegen irreguläre
Migration sei wichtig für die Demokratie, die Bevölkerungen
verlangten dies.

Polen betont Wunsch nach Europa ohne Grenzkontrollen

Polens Innenminister Tomasz Siemoniak sagte, Migranten würden als
Waffe benutzt. Belarus und Russland wollten Einfluss nehmen, damit
Migranten kämen, sagte er laut Verdolmetschung. Es brauche deshalb
stärkere Grenzkontrollen. Zugleich äußerte er den Wunsch, zum
eigentlich grenzkontrollfreien Reisen im Schengen-Raum, dem die
meisten EU-Länder angehören, zurückzukommen.

Damit spielte Siemoniak auch auf die verschärften Grenzkontrollen von
deutscher Seite an, die Innenminister Dobrindt kurz nach Amtsantritt
angeordnet hatte. Dass er von diesem Kurs wieder Abstand nimmt, ist
nicht absehbar. Ganz im Gegenteil. Dobrindt betonte: «Das ist der
Politikwechsel in Deutschland. Das ist der Politikwechsel, den eine
neue Bundesregierung auch angekündigt hat.»