EZB lässt Leitzinsen unverändert - Sorgen wegen US-Zöllen Von Alexander Sturm, dpa

24.07.2025 15:43

Die Inflation im Euroraum ist eingedämmt, doch der Zollstreit mit den
USA belastet die Wirtschaft - denn mit Donald Trump lässt sich nur
schwer kalkulieren. Die EZB geht nun auf Nummer sicher.

Frankfurt/Main (dpa) - Zollstreit mit den USA und eine gesunkene
Inflation: Erstmals seit einem Jahr lässt die Europäische Zentralbank
(EZB) die Leitzinsen im Euroraum unverändert. Der für Banken und
Sparer wichtige Einlagenzins bleibt bei 2,0 Prozent, wie die EZB in
Frankfurt mitteilte. 

Die Notenbank erklärte, das Umfeld sei «nach wie vor außergewöhnlic
h
unsicher, vor allem aufgrund von Handelskonflikten». Die EZB befinde
sich in einer guten Position, um abzuwarten, sagte Präsidentin
Christine Lagarde. Zuvor hatte die EZB die Leitzinsen siebenmal in
Folge gesenkt. Der Einlagenzins für Gelder, die Banken kurzfristig
bei der EZB parken, wurde seit Juni 2024 halbiert.

Inflationswelle gebrochen

Fachleute hatten mit der Zinspause der EZB gerechnet, denn der
Zollstreit mit den USA sorgt für Ungewissheit und die Inflationsrate
im Euroraum ist deutlich zurückgegangen. Im Juni lag die Teuerung
laut Statistikamt Eurostat bei 2,0 Prozent und damit genau im
mittelfristigen Ziel der EZB. Damit ist die Inflationswelle nach
Ausbruch des Ukraine-Kriegs gebrochen - wenngleich Verbraucher das
höhere Preisniveau im Alltag spüren.

«Das Festhalten am aktuellen Zinsniveau sendet ein wichtiges Signal
für Stabilität und Flexibilität in einem nach wie vor fragilen
Umfeld», sagte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverban
ds
der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Niedrigere Leitzinsen stützen die Konjunktur, da Kredite für
Unternehmen und Verbraucher damit tendenziell günstiger werden.
Sparer sind dagegen im Nachteil: Bekommen Banken weniger Zinsen für
bei der EZB geparkte Gelder, senken sie meist die Tages- und
Festgeldzinsen für ihre Kundschaft.

Dem Vergleichsportal Verivox zufolge brachten Tagesgelder zuletzt im
Schnitt nur noch 1,17 Prozent Zinsen und Festgelder mit zwei Jahren
Laufzeit 1,94 Prozent. Immerhin: Bei zehnjährigen Festgeldern seien
die Zinsen wieder leicht gestiegen. Denn Banken stellten sich auf ein
nahendes Ende der Zinssenkungsphase bei der EZB ein.

Unsicherheit über US-Zölle

Grund für die Zurückhaltung der EZB ist auch der Zollstreit zwischen
der EU und den USA unter Präsident Donald Trump. Die Folgen der teils
verhängten und teils angedrohten hohen Zölle für Konjunktur und
Inflation lassen sich nur schwer abschätzen. Der Inflationsausblick
sei ungewisser als sonst, sagte EZB-Präsidentin Lagarde. Auf den
künftigen Zinskurs legte sie sich wie üblich nicht fest.

Zwar hält sich die Wirtschaft im Euroraum robuster als angenommen,
wie die EZB betont. Doch spurlos geht der Handelskonflikt nicht an
Unternehmen und Verbrauchern vorbei. Dem Ifo-Institut zufolge haben
viele Firmen Investitionspläne in Deutschland aus Unsicherheit
aufgeschoben. In der Eurozone erwartet die EZB dieses Jahr ohnehin
nur ein Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent.

«EZB wartet auf den finalen Showdown»

Zugleich fürchten Ökonomen eine steigende Inflation, sollte die EU
ihre vorbereiteten milliardenschweren Gegenzölle verhängen. Trump
hatte Brüssel mit einem Zoll auf EU-Importe von 30 Prozent ab 1.
August gedroht, bis zur Frist bleiben nur noch wenige Tage für
Verhandlungen. 

Mit dem Abwarten gewinnt die EZB Zeit bis zu ihrem nächsten
Zinsentscheid im September, dann könnten die Zinsen weiter sinken.
«Die EZB wartet auf den finalen Showdown in den Zollverhandlungen
zwischen den USA und der EU», sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt bei
der Bank ING.

Gerade deutsche Notenbanker wie EZB-Direktorin Isabel Schnabel und
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatten zuletzt für einen
vorsichtigen Kurs plädiert. Andere Notenbanker, etwa aus Frankreich,
äußerten die Sorge, dass die Inflation unter das EZB-Ziel fallen
könnte - auch weil der starke Euro Importe nach Europa tendenziell
verbilligt und so den Preisdruck dämpft.

Sorge vor zu niedriger Inflation

Die Inflation im Euroraum dürfte nach jüngster EZB-Prognose dieses
Jahr bei 2,0 Prozent liegen. 2026 könnte die Teuerung mit 1,6 Prozent
das Ziel der Notenbank sogar deutlich unterschreiten.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer warnt vor weiteren
Zinsschritten. Der Einlagensatz sei mit zwei Prozent bereits niedrig.
«Von nun an sollte die EZB sehr zurückhaltend sein, ihre Zinsen
weiter zu senken.»

Hauptziel der EZB sind stabile Preise. Je höher die Inflation, umso
geringer die Kaufkraft der Menschen, weil sie sich dann für einen
Euro weniger leisten können. Aber auch dauerhaft sinkende Preise
wollen Zentralbanken vermeiden: Dann könnten Firmen und Verbraucher
Investitionen in der Hoffnung auf noch niedrigere Preise aufschieben
- das würde die Konjunktur bremsen.