EU warnt China vor verschärftem Handelskonflikt Von Johannes Neudecker, Jörn Petring und Ansgar Haase, dpa
24.07.2025 17:14
Beim EU-China-Gipfel in Peking zeigt sich erneut: Das Verhältnis ist
angespannt. Brüssel beklagt massive Handelsungleichgewichte. Immerhin
gibt es beim Klimaschutz einen Lichtblick.
Peking (dpa) - Der EU-China-Gipfel hat die Spannungen zwischen
Brüssel und Peking offengelegt. Trotz Gesprächsbereitschaft blieben
Fortschritte beim zentralen Streitpunkt Handel aus.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach im Anschluss von
einem Scheideweg. «Damit der Handel weiterhin für beide Seiten
vorteilhaft bleibt, muss er ausgewogener werden», sagte sie auf einer
Pressekonferenz mit EU-Ratspräsident António Costa.
China und die EU, die mittlerweile seit 50 Jahren diplomatische
Beziehungen haben, sind füreinander die zweitwichtigsten
Handelspartner. Das immense Defizit von mehr als 300 Milliarden Euro
im vergangenen Jahr schmerzt Brüssel jedoch. Denn China exportiert
sehr viel nach Europa, importiert jedoch nur wenig von dort. EU-Zölle
auf chinesische Elektroautos und Chinas Aufschläge auf Weinbrand aus
Europa belasten das Verhältnis zusätzlich.
China sieht keine Interessenkonflikte
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sagte, dass beide Seiten
unter der unruhigen internationalen Lage mit Weitsicht agieren und
richtige strategische Entscheidungen treffen müssten. Es gebe «keinen
grundsätzlichen Interessenkonflikt oder geopolitische Widersprüche
zwischen China und Europa». Beide Seiten sollten offen bleiben und
mit ihren Differenzen richtig umgehen.
Der Ton aus Brüssel dagegen rauer: Neben unfairen Subventionen
kritisiert die EU unter anderem wachsende Überkapazitäten und
Marktzugangsprobleme für europäische Unternehmen. Die
Handelsbeziehungen seien «hochgradig unausgewogen», hieß es in der
Pressemitteilung zum Gipfeltreffen.
Die EU sei bereit, einen konstruktiven Dialog zur Lösung der
derzeitigen Konflikte zu führen, teilte der Staatenverbund mit.
Solange dies nicht der Fall sei, werde die EU aber Maßnahmen
ergreifen, um ihre berechtigten Interessen zu schützen. Von der Leyen
fügte hinzu, es gingen derzeit beeindruckende 14,5 Prozent der
gesamten chinesischen Exporte in die Europäische Union, während
andersherum nur 8 Prozent der EU-Exporte nach China gingen.
Mit Blick auf die aggressive Zollpolitik von US-Präsident Donald
Trump rief die Deutsche zur Kooperation auf. Als zwei der größten
Volkswirtschaften der Welt trügen die Europäische Union und China
eine gemeinsame Verantwortung, das globale Handelssystem
aufrechtzuerhalten und zu reformieren, sagte sie.
Ukraine-Krieg: Peking soll Einfluss nutzen
Schon im Vorfeld war klar, dass die Ukraine in Peking ein wichtiges
Thema sein wird: Chinas Rolle im russischen Angriffskrieg gegen die
Ukraine beschäftigt die EU schon länger. Costa forderte in Peking,
dass China seinen Einfluss auf Russland nutze, um dem Krieg ein Ende
zu machen. «Wie China weiter mit Putins Krieg interagiert, wird ein
entscheidender Faktor für unsere weiteren Beziehungen sein», sagte
von der Leyen.
Nach außen gibt sich die Volksrepublik in dem Konflikt neutral und
betont, sich für Friedensverhandlungen und eine politische Lösung
einzusetzen. Kurz vor dem Gipfel bestrafte Brüssel auch chinesische
Firmen im 18. Sanktionspaket gegen Russland. Peking steht fest an
Moskaus Seite. Nach Angaben von EU-Beamten liefern die Chinesen etwa
80 Prozent jener Güter, die Russland zivil oder militärisch nutzen
kann.
Bei seinem Besuch in Brüssel Ende Juni sorgte Chinas Außenminister
Wang Yi für Aufregung: Im Gespräch mit der EU-Außenbeauftragten Kaja
Kallas erklärte er laut Medienberichten, Peking wolle nicht, dass
Russland den Krieg verliere, denn sonst könnten die USA ihren Fokus
vollends auf China richten.
Fortschritt bei Seltenen Erden?
China soll nach dem Willen der EU bei der Lieferung von kritischen
Rohstoffen verlässlicher werden. Anfang April löste China mit
Exportkontrollen auf sieben seltene Erden und daraus gefertigte
Magnete Besorgnis in der Welt aus. Peking spielte im damals heiß
gelaufenen Zoll-Poker mit den USA eine starke Karte. In vielen
deutschen Industriebetrieben ging die Furcht vor Produktionsstopps
um, da die Metalle für Elektromotoren und Sensoren unabdingbar sind.
China ist zudem mit Abstand Weltmarktführer für diese Rohstoffe.
Deutschen und europäischen Unternehmen fehlt seit den
Exportkontrollen Planungssicherheit. Chinas Handelsministerium
genehmigt zwar Ausfuhr-Anträge, doch diese sind kompliziert und
langwierig. In Peking kündigte von der Leyen nun einen neuen
Vermittlungsweg an: «Wir haben uns - und das ist neu - darauf
geeinigt, einen verbesserten Export-Liefermechanismus zu haben»,
sagte sie ohne genauere Details zu nennen. Probleme um Engpässe
sollen ihr zufolge so schneller und transparenter geprüft und gelöst
werden.
China betont zwar, dass sich die Maßnahmen nicht gegen Europa
richten, doch die Brüssel sieht hinter der Taktik das Ziel ein
«Quasi-Monopol» als Verhandlungsmasse und Waffe zu nutzen, um
Konkurrenten in Schlüsselindustrien zu schwächen, wie von der Leyen
beim G7-Gipfel Mitte Juni in Kanada gesagt hatte.
Mit einer Stimme beim Klimawandel
Für China könnte es die gute Nachricht des Gipfels sein: Nach langem
Verhandeln unterschrieben beide Seiten eine gemeinsame
Klimaschutz-Erklärung. Beide Seiten bekannten sich, mehr für das
Klima zu tun, und zum Pariser Klimaabkommen sowie zur
UN-Klimarahmenkonvention. Sie riefen dazu auf, deren Ziele und
Prinzipien «umfassend, redlich und wirksam» umzusetzen. Es handele
sich um die «Grundpfeiler der internationalen Klimazusammenarbeit».
Auch sagten Peking und Brüssel zu, noch vor der UN-Klimakonferenz
COP30 im brasilianischen Belém neue nationale Klimaziele (NDCs) für
das Jahr 2035 vorzulegen. Die COP30 findet im November statt. Ein
Besuch von EU-Gesandten in Peking in der vergangenen Woche hatte die
Hoffnung auf eine gemeinsame Erklärung noch getrübt sowie Berichte,
wonach Brüssel mehr Zugeständnisse von Peking verlangt hatte.
China verursacht weltweit am meisten Kohlenstoffdioxid, baut aber
auch am meisten erneuerbare Energie aus. Anders als bei den
Streitthemen Handel, der internationalen Sicherheitslage oder
Menschenrechten sieht die EU im Bereich Umwelt und Klima noch Raum
für Kooperation mit der Volksrepublik.