Der «größte Deal»: Das bedeutet die Einigung im Zollstreit Von Ansgar Haase, Franziska Spieker und Jan Mies, dpa
27.07.2025 20:58
Die Gefahr eines Handelskriegs zwischen den USA und der EU ist
vorerst abgewendet. Nach langen Verhandlungen veröffentlichen beide
Seite eine Erklärung zum Zollstreit. Gibt es einen Sieger?
Turnberry (dpa) - Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula
von der Leyen saßen einträchtig nebeneinander, als sie das Ende des
monatelangen Zollstreits verkündeten. «Es ist ein riesiger Deal mit
vielen Ländern», sagte Trump im großen Saal seines schottischen
Golfresorts. «Ich glaube, das ist der größte Deal, der jemals gemacht
wurde.» Die Mitarbeiter beider Seiten applaudierten.
Das bedeutet die Einigung, die Europa und die USA laut Trump «näher
zusammenbringen» wird:
Worauf haben sich die EU und die USA geeinigt?
Die zum 1. August angedrohten Zölle in Höhe von 30 Prozent auf die
Einfuhr europäischer Produkte sind abgewendet. Stattdessen soll es
einen Basiszollsatz in Höhe von 15 Prozent auf die meisten Produkte
geben. Das gilt laut von der Leyen auch für die Autos, Halbleiter und
Pharmaprodukte. Die Einigung schaffe einen Rahmen für die zukünftige
Senkung der Zölle auf weitere Produkte.
Gab es weitere Zugeständnisse von EU-Seite?
Die EU sichert nach Angaben von Trump zu, Energie im Wert von
750 Milliarden US-Dollar zu kaufen und zusätzlich 600
Milliarden US-Dollar in die USA zu investieren. Auch mehr
Rüstungsgeschäfte soll es geben. Laut von der Leyen soll es
beidseitige Nullzölle für eine Reihe strategischer Produkte geben,
darunter unter anderem Flugzeuge und Flugzeugteile, bestimmte
Chemikalien sowie bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse.
Warum hat die EU den Deal akzeptiert?
Wäre es zu keiner Einigung gekommen, hätten weitere US-Zölle gedroht.
Die EU wollte eine Eskalation verhindern, da dies den Handel und
Arbeitsplätze bedroht hätte. Hinzu kam die Sorge, Trump könne im Fall
eines verschärften Konflikts neue Drohkulissen aufbauen,
beispielsweise indem er erneut die militärische Beistandspflicht
innerhalb der Nato infrage stellt oder die Unterstützung für die
Ukraine zurückfährt - beides sind äußerst sensible Themen angesicht
s
der Bedrohungen durch Russland.
Wenn die Europäer im Bereich der Verteidigung nicht so abhängig von
den USA wären, hätten sie den Deal vielleicht nicht akzeptiert.
Wirtschaftlich ist die EU nämlich mit etwa 450 Millionen Bürgerinnen
und Bürgern in 27 Ländern eine echte Marktmacht, die den Vereinigten
Staaten in einem Handelskonflikt schwer zusetzen könnte.
Welche Zölle hatte Trump bereits verhängt?
Neben einem Basiszollsatz in Höhe von zehn Prozent hatte die
US-Regierung unter Trump unter anderem auf den Import von Autos und
Autoteilen Extrazölle in Höhe von 25 Prozent eingeführt, sodass der
Zollsatz zuletzt vor dem Deal bei 27,5 Prozent lag. Die jetzt
gültigen 15 Prozent seien das Beste, das zu erreichen gewesen sei,
sagte von der Leyen. Bei Stahl- und Aluminiumprodukten bleibt der
Zollsatz laut Trump bei 50 Prozent. Nach Angaben aus EU-Kreisen
sollen aber bestimmte Mengen ausgenommen werden, wie es bereits vor
Trumps Amtsantritt der Fall gewesen war.
Was gewinnt Trump?
Dass Trump den Basiszollsatz in Höhe von 15 Prozent aufrechterhalten
kann, dürfte Zusatzeinnahmen in Milliardenhöhe in die US-Staatskasse
spülen. Nach EU-Angaben lag der durchschnittliche US-Zollsatz auf
Importe aus der EU in der Praxis vor dem Amtsantritt Trumps bei
lediglich etwa 1 Prozent und damit ebenso niedrig wie der Zollsatz
der EU auf US-Importe - zumindest dann, wenn man nur den
tatsächlichen Warenhandel zwischen der EU und den USA zugrunde legt.
Im Jahr 2023 erhoben die USA demnach Zölle in Höhe von rund
sieben Milliarden Euro auf EU-Exporte, und die EU erhob Zölle in Hö
he
von rund drei Milliarden Euro auf US-Exporte.
Wie steht Deutschland zu dem Deal?
Deutschland drängte frühzeitig auf eine Einigung. Bundeskanzler
Friedrich Merz (CDU) sagte zuletzt: «Hier geht es nicht um ein fein
ziseliertes, in allen Details ausverhandeltes, umfassendes
Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Hier geht es
jetzt um die schnelle Beilegung eines Zollstreits.» Er verwies unter
anderem auf die hohen Zölle, die Trump schon für den Import von Autos
und Autoteilen in die USA eingeführt hatte.
Was bedeutet die Einigung für die deutsche Wirtschaft und
Verbraucher?
Das wird sich vermutlich erst in den nächsten Monaten genau zeigen.
Gut ist, dass sich die Ungewissheit ein Stück weit reduziert.
Schlecht ist, dass ein Teil der US-Zölle aufrechterhalten bleibt.
Zölle machen Produkte in der Regel teurer und bremsen damit den
Handel. Denkbar ist deswegen weiterhin, dass deutsche Unternehmen
Geschäft in den USA verlieren und Arbeitsplätze abbauen müssen.
Wie hätte die EU im Falle einer Eskalation reagiert?
Die EU-Kommission hatte mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht. Dazu
zählten Zölle auf US-Produkte wie Flugzeuge, Motorräder, Rindfleisch,
Whiskey und Zitrusfrüchte. Zudem wurden Exportbeschränkungen für
bestimmte Güter wie Stahlschrott oder chemische Erzeugnisse sowie
eine Umsatzabgabe für US-Tech-Konzerne in Erwägung gezogen.
Wie rechtfertigte Trump seinen Zollkurs?
Trump argumentierte mit einem angeblichen Handelsungleichgewicht
zwischen den USA und der EU. Zudem wollte er mit seinem Kurs unter
dem Motto «America First» industrielle Produktion zurück in die USA
holen. Die zusätzlichen Zolleinnahmen sollten außerdem helfen, seine
umfangreichen Steuersenkungen gegenzufinanzieren.
Wie beurteilt die EU Trumps Zölle?
Die Europäische Kommission hält die neuen US-Zölle grundlegend für
ungerechtfertigt. Ihrer Ansicht nach verstoßen sie auch klar und
eklatant gegen grundlegende Regeln der Welthandelsorganisation (WTO).
Ist der Deal dauerhaft oder nur eine Übergangslösung?
Unmittelbar vor dem Spitzengespräch hatte Trump gesagt, mit einem
Deal würde der Zollstreit beendet werden. Er gehe davon aus, dass es
in einem solchen Fall mindestens einige Jahre dauern würde, bevor
wieder Gespräche darüber nötig seien.
Um was für ein Handelsvolumen geht es?
Nach Angaben der EU haben die Europäische Union und die Vereinigten
Staaten die umfassendsten bilateralen Handels- und
Investitionsbeziehungen der Welt und die am engsten miteinander
verzahnten Volkswirtschaften. Zusammen machen sie demnach fast
30 Prozent des weltweiten Handels mit Waren und Dienstleistungen und
43 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aus. Im Jahr 2024 belief
sich der transatlantische Handel mit Waren und Dienstleistungen nach
EU-Zahlen auf mehr als 1,68 Billionen Euro. Die EU und die USA waren
jeweils füreinander der wichtigste Warenhandelspartner.
Haben die USA wirklich ein deutliches Handelsdefizit?
Im Warenhandel mit den USA verbuchte die EU 2024 nach jüngsten Zahlen
des Statistikamts Eurostat einen deutlichen Überschuss in Höhe von
rund 198 Milliarden Euro. So wurden im Jahr 2024 Waren im Wert von
etwa 533 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten ausgeführt und
nur Waren im Wert von rund 335 Milliarden Euro aus den USA
importiert.
Im Dienstleistungsbereich hat die EU hingegen ein Handelsdefizit mit
den Vereinigten Staaten, sodass die EU nach eigenen Angaben 2024 im
Handel mit Waren und Dienstleistungen lediglich einen
Handelsüberschuss von 50 Milliarden Euro hatte. «Dies entsprach
weniger als 3 Prozent des gesamten Handels zwischen der EU und den
USA», wird in Brüssel argumentiert.