«Ungeheure Belastung» - Zolldeal stößt auf Kritik
28.07.2025 15:16
15 Prozent Zölle, so lautet der Deal im Handelsstreit zwischen den
USA und der EU. Ökonomen und Industrieverbände sind skeptisch.
Besonders für die deutsche Autoindustrie steht viel auf dem Spiel.
Turnberry/Berlin (dpa) - Der Zolldeal zwischen den USA und der
Europäischen Union hat in Deutschland und Europa teils scharfe Kritik
ausgelöst. Das Abkommen sieht einen Zollsatz in Höhe von 15 Prozent
für die meisten EU-Importe in die USA vor. Viele sehen darin einen
unausgewogenen Kompromiss. Deutliche Worte kommen aus der
französischen Regierung und Teilen der deutschen Industrie. Die
Bundesregierung verteidigt hingegen die Einigung und hofft auf
Nachverhandlungen zu Stahl- und Aluminiumzöllen.
«Wirtschaftsweise» warnt vor enormer Belastung
Aus Sicht der «Wirtschaftsweisen» Ulrike Malmendier sind Zölle von
15 Prozent eine «ungeheure Belastung für die Wirtschaft, nicht nur
hier, sondern auch in den USA». Im Gegensatz zu einem Zollsatz von
rund einem Prozent in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten «ist das
schon ein Drama», sagte Malmendier im ARD-«Morgenmagazin».
Was das für die Gesamtwirtschaft bedeute, sei schwer abzuschätzen.
Viele Länder hätten wegen der Zölle einen schlechteren Zugang zum
US-Markt und müssten ihre Güter anderswo anbieten, etwa in der EU.
Das könnte sich hierzulande sogar positiv auf die Inflation
auswirken.
Was der Deal vorsieht
US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von
der Leyen hatten sich auf einen Basiszollsatz in Höhe von 15 Prozent
auf die meisten EU-Importe in die USA geeinigt. Das gilt laut von der
Leyen auch für die Autos, Halbleiter und Pharmaprodukte. Die Einigung
schaffe zudem einen Rahmen für die zukünftige Senkung der Zölle auf
weitere Produkte.
Autos aus den USA hingegen sollen einer EU-Beamtin zufolge künftig
zollfrei in die EU importiert werden können. Bislang gilt ein
Zollsatz in Höhe von zehn Prozent. «Wir sind bereit, auf null zu
gehen», sagte die Beamtin. Voraussetzung sei aber, dass die USA sich
an ihren Teil der Vereinbarung halten und die aktuell fälligen Zölle
auf Autoimporte aus der EU von 27,5 auf 15 Prozent senken. Vor dem
Amtsantritt von Trump hatte der Zollsatz noch bei 2,5 Prozent
gelegen.
Industrie zurückhaltend - Experte warnt vor Jobabbau
Der Bundesverband der Deutschen Industrie äußerte sich verhalten.
«Das Übereinkommen ist ein unzureichender Kompromiss und sendet ein
fatales Signal an die eng verflochtene Wirtschaft auf beiden Seiten
des Atlantiks», teilte der Verband mit. Die EU nehme schmerzhafte
Zölle in Kauf.
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau sieht im Zollsatz von
15 Prozent für Maschinenimporte in die USA eine bedauerliche
Entwicklung, die insbesondere amerikanische Hersteller belasten
werde. Praktisch jeder amerikanische Fertigungssektor sei auf
europäische Maschinenimporte angewiesen, sagte Verbandspräsident
Bertram Kawlath. «Und dies wird auch so bleiben, selbst wenn
Maschinenbaufirmen aus Europa weiterhin in den USA investieren.»
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer betonte, das Handelsabkommen sei
für die deutsche Autoindustrie zwar gut, aber weniger gut für die
Arbeitsplätze. «Die Beschäftigten in der Auto- und Zulieferindustrie
sind die Verlierer», sagte Dudenhöffer. Mittelfristig könnten sich
zehn Prozent der Arbeitsplätze in der Autoindustrie von Deutschland
in die USA verlagern. Für Hersteller wie BMW und Mercedes mit
Produktionen in den USA bedeute der Deal hingegen, dass Autos
weiterhin ohne Zusatzkosten nach Europa exportiert werden könnten.
Bundesregierung verteidigt Zolldeal
Die Bundesregierung hofft nach dem Zoll-Kompromiss auf weitere
Entlastungen. Die Einfuhr von Stahl und Aluminium aus der EU in die
USA etwa sei nach wie vor mit Zöllen in Höhe von 50 Prozent belegt,
sagte der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille. «Dass
weitere Erleichterungen wünschenswert gewesen wären, ist ja keine
Frage. Aber das eine ist wünschenswert und das andere ist machbar.
Und Politik bewegt sich im Bereich des Machbaren», sagte Hille.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte die Einigung begrüßt, mit
der es gelungen sei, «einen Handelskonflikt abzuwenden». «In den nun
anstehenden Verhandlungen über die Details der Einigung hat die
Europäische Kommission meine volle Unterstützung», sagte Merz.
Merz fügte hinzu, Europa habe seine Kerninteressen wahren können,
auch wenn er sich durchaus weitere Erleichterungen im
transatlantischen Handel gewünscht hätte. «Von stabilen und planbaren
Handelsbeziehungen mit Marktzugang für beide Seiten profitieren alle
- diesseits wie jenseits des Atlantiks, Unternehmen wie Verbraucher.»
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) bezeichnete den
Zolldeal als Herausforderung. «Das Abkommen ist sicherlich mit 15
Prozent im Basiszoll eins, was uns herausfordern wird, aber der gute
Teil daran: Es gibt Sicherheit», sagte Reiche. «Es ist richtig und
wichtig, dass einige Sektoren herausgenommen sind. Für die anderen
wird es Anpassungsbedarf bedeuten.»
Opposition sieht EU als Verlierer
Aus der Opposition kommt Kritik. Grünen-Fraktionschefin Katharina
Dröge sieht in dem Kompromiss ein fatales Signal. «Es ist ein
Problem, dass die EU bereit war, einen Deal zu akzeptieren, der so
einseitig und zu Lasten der EU ausgestaltet ist», sagte sie. «Damit
wird keine Stabilität für die internationale Handelspolitik erreicht.
Im Gegenteil.»
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel kritisierte, die EU habe
sich brutal über den Tisch ziehen lassen. Die vereinbarten Zollsätze
seien keine Einigung, sondern ein Schlag ins Gesicht der europäischen
Konsumenten und Produzenten, schrieb Weidel auf X.
Frankreichs Premier spricht von traurigem Tag
Deutliche Kritik kam auch aus Frankreich. Premierminister François
Bayrou kommentierte die Einigung als einen traurigen Tag, an dem sich
ein Bündnis freier Völker, das sich zusammengeschlossen habe, um
seine Werte und Interessen zu verteidigen, zur Unterwerfung
entschlossen habe. Staatschef Emmanuel Macron äußerte sich zu dem
Zolldeal zunächst nicht öffentlich.
Deal mit China steht noch aus
Trump, der in Schottland mit dem britischen Premierminister Keir
Starmer über das Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien
sprechen wollte, hatte die Einigung als «riesigen Deal mit vielen
Ländern» bezeichnet. Der US-Präsident will mit den Zolleinnahmen auch
sein teures Wahlversprechen großer Steuersenkungen zumindest
teilweise gegenfinanzieren.
Im Zollkonflikt zwischen den USA und China gehen die Gespräche
weiter. US-Finanzminister Scott Bessent und hochrangige chinesische
Vertreter wollten sich hierzu in Stockholm treffen. Dabei soll unter
anderem über eine Verlängerung der bis 12. August geltenden
Zoll-Pause verhandelt werden.