EU-Deal mit Trump enttäuscht Autoindustrie Von Ansgar Haase, dpa

28.07.2025 16:38

Der Zollkonflikt zwischen den USA und der EU drohte zuletzt in einem
echten Handelskrieg zu enden. Nun gibt es einen Deal. Nicht jedem ist
allerdings zum Feiern zumute.

Brüssel (dpa) - Die Liste der Kröten, die die Europäische Union für

einen Zolldeal mit US-Präsident Donald Trump schlucken musste, war
bereits am Sonntag lang. Nach Abreise von EU-Kommissionspräsidentin
Ursula von der Leyen aus Trumps Golfresort im schottischen Turnberry
ist sie noch einmal länger geworden. Schlechte Nachrichten gibt es
vor allem für die deutsche Autoindustrie. Fragen und Antworten zum
Thema im Überblick:

Was ist passiert?

Eine ranghohe EU-Beamtin teilte am Montag in Brüssel mit, dass der
Deal mit Trump auch eine Abmachung für den zollfreien Import von
US-Autos nach Europa umfasst. Bislang erhebt die EU auf Autoimporte
aus den USA einen Zoll in Höhe von zehn Prozent. Für die europäische

Autoindustrie bedeutet die Zusage der EU, dass sie künftig mit
stärkerer Konkurrenz von US-Herstellern wie Tesla rechnen muss -
zumindest dann, wenn sie in den USA gebaut wurde.

Um was für Zahlen geht es?

Nach Angaben der Vereinigung der europäischen Automobilhersteller
(Acea) wurden im vergangenen Jahr knapp 165.000 in den USA
hergestellte neue Autos in die EU exportiert. Diese hatten einen Wert
von 7,7 Milliarden Euro. Von den Exporten waren rund 18.800 E-Autos
im Wert von 1,4 Milliarden Euro. Laut des Verbands der
Automobilindustrie (VDA) entfällt etwa zwei Drittel des Pkw-Exports
aus den USA in die EU auf deutsche Hersteller.

Gibt es weitere schlechte Nachrichten für die europäischen Autobauer?

Ja. Bereits am Sonntag war angekündigt worden, dass der neue
US-Basiszollsatz für Importe aus der EU in die Vereinigten Staaten
bei 15 Prozent liegen wird. Er ist damit zwar deutlich niedriger als
die 27,5 Prozent, die Trump in den vergangenen Monaten erheben ließ.
Aber dennoch viel, viel höher als die 2,5 Prozent, die davor auf
Autoimporte aus der EU erhoben wurden.

Um was für Dimensionen es geht, machen Acea-Zahlen deutlich. Demnach
wurden im vergangenen Jahr 749.170 in der EU hergestellte Neuwagen in
die USA exportiert. Diese Exporte hatten einen Gesamtwert von
38,5 Milliarden Euro. E-Autos waren davon knapp 111.600 Fahrzeuge,
die einen Wert von 5,9 Milliarden Euro hatten.

Wird Deutschland als Auto-Export-Land Nummer 1 in der EU besonders
stark leiden?

Vermutlich schon. Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe
(ZDK) warnte, der künftig geltende US-Zollsatz von 15 Prozent auf
Fahrzeuge und Fahrzeugteile aus der EU werden den Export belasten und
damit auch negative Folgen für Verbraucherinnen und Verbraucher
haben. Dies seien beispielsweise steigende Preise, eine
eingeschränkte Modellvielfalt und höhere Servicekosten. Der VDA
bezifferte die jährlichen Kosten für die Unternehmen der deutschen
Automobilindustrie auf eine Milliardensumme.

Ist der Verlust von Arbeitsplätzen zu befürchten?

Nach Einschätzung des deutschen Branchen-Experten Ferdinand
Dudenhöffer ist das ein reales Risiko. «Sollten keine Verrechnungen
stattfinden, gehen wir von einem mittelfristigen Arbeitsplatz-Export
der Autoindustrie von bis zu 10 Prozent aus Deutschland in die USA
aus», schrieb der Direktor des Center Automotive Research in Bochum.
In Zahlen seien dies bis zu 70.000 Jobs und das treffe Autobauer und
Zulieferer.

Was ist mit Verrechnungen gemeint?

Laut Dudenhöffer war bis zuletzt noch unklar, ob es Zoll-Rabatte
gibt, wenn deutsche Autobauer in ihren US-Werken hergestellte
Fahrzeuge nach Europa exportieren. So könnten die USA zum Beispiel
zollfreie Exporte aus Deutschland im Wert von 100 Millionen in die
USA zulassen, wenn für 100 Millionen Euro US-Produktion nach Europa
exportiert wird.

Warum hat die EU den Deal akzeptiert?

Wäre es zu keiner Einigung gekommen, hätten ab dem 1. August US-Zölle

in Höhe von 30 Prozent gedroht. Die EU wollte eine Eskalation
verhindern, da diese den Handel und Arbeitsplätze kurzfristig noch
mehr bedroht hätte. Hinzu kam die Sorge, Trump könne im Fall eines
verschärften Konflikts neue Drohkulissen aufbauen - beispielsweise
indem er erneut die militärische Beistandspflicht innerhalb der Nato
infrage stellt oder die Unterstützung für die Ukraine zurückfährt -

beides sind äußerst sensible Themen angesichts der Bedrohungen durch
Russland.

Wenn die Europäer im Bereich der Verteidigung nicht so abhängig von
den USA wären, hätten sie den Deal vielleicht nicht akzeptiert.
Wirtschaftlich ist die EU nämlich mit etwa 450 Millionen Bürgerinnen
und Bürgern in 27 Ländern eine echte Marktmacht, die den Vereinigten
Staaten in einem Handelskonflikt schwer zusetzen könnte.

Wie erklärt die EU den Deal?

Von der Leyen sagte nach dem Treffen mit Trump: «Das heutige Abkommen
schafft Sicherheit in unsicheren Zeiten.» Europäische Unternehmen
bräuchten in diesen so turbulenten Zeiten Vorhersehbarkeit, um planen
und investieren zu können. Hinter vorgehaltener Hand wird zudem auch
in der EU-Kommission eingeräumt, dass der Vorwurf von
Ungleichgewichten in den Handelsbeziehungen zwischen der EU und den
USA nicht ganz von der Hand zu weisen war.

So verbuchte die EU im Warenhandel mit den USA 2024 nach jüngsten
Zahlen des Statistikamts Eurostat einen deutlichen Überschuss in Höhe
von rund 198 Milliarden Euro. Im Dienstleistungsbereich sah es zwar
für die USA besser aus - am Ende blieb für die EU aber noch immer ein
Handelsüberschuss von 50 Milliarden Euro.

Gab es neben den Zoll-Zugeständnissen weitere Geschenke für Trump?

Die EU sichert Trump zu, bis zum Ende von dessen Amtszeit US-Energie
im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen. Nach Angaben von
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sollen Flüssigerdgas
(LNG), Öl und Kernbrennstoffe aus den Vereinigten Staaten die Lücken
füllen, die nach dem geplanten vollständigen Verzicht auf russisches
Gas und Öl entstehen werden. Zusätzlich verspricht die EU Trump, in
den kommenden Jahren weitere 600 Milliarden US-Dollar in den USA zu
investieren. Trump feierte nach der Einigung und sagte: «Ich glaube,
das ist der größte Deal, der jemals gemacht wurde.»

Wie kann die EU Trump den Kauf von Energie zusagen?

EU-Handelskommissar Maros Sefcovic machte am Montag deutlich, dass
die Zusage vor allem vor dem Hintergrund der Pläne für einen
kompletten Verzicht auf russisches Gas und Öl gemacht wurden. Es sei
damit sehr klar, dass Europa eine solide, konsolidierte und
verlässliche Energieversorgung benötigen werde, erklärte er. Um
Unternehmen beim Erwerb von Flüssigerdgas (LNG), Öl und
Kernbrennstoffe aus den Vereinigten Staaten zu unterstützen, könnte
eine Einkaufsplattform geschaffen werden.

Wird Trump die Käufe einklagen können?

Nein. Seine Zollpolitik hat sich allerdings als effektives
Druckmittel erwiesen. So muss die EU fürchten, dass Trump wieder
höhere Zölle einführt, wenn sich die EU nicht an die Zusagen hält.


 

 

Wie kam es zu dem Deal?

Vorausgegangen waren in den vergangenen Monaten zähe Verhandlungen
und immer neue Drohungen und Eskalationen durch Donald Trump. Zuletzt
lud der US-Präsident von der Leyen und ihren Handelskommissar
Sefcovic dann ein, am Wochenende in sein Luxus-Golfhotel in Turnberry
in Schottland zu kommen. Bei einem rund einstündigen Treffen wurde
der Deal dann fix gemacht. Trump argumentierte in den Verhandlungen
vor allem mit dem Handelsungleichgewicht zwischen den USA und der EU.
Zudem will er mit seinem Kurs unter dem Motto «America First»
industrielle Produktion zurück in die USA holen. Die zusätzlichen
Zolleinnahmen sollen außerdem helfen, seine umfangreichen
Steuersenkungen gegenzufinanzieren.

Ist der Handelskonflikt nun vollständig beigelegt?

Das bleibt abzuwarten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
räumte nach Bekanntgabe des Deals ein, dass noch nicht alle Details
abschließend geklärt sind. Offen ist unter anderem, wie es mit den
US-Stahl- und Aluminiumzöllen weitergeht, die Trump in den
vergangenen Monaten auf 50 Prozent erhöht hatte. Die EU hofft, dass
bestimmte Mengen davon ausgenommen werden, konkrete Daten wurden
allerdings bislang nicht genannt. Unklar war bis zuletzt auch, wie es
mit möglichen US-Zöllen für Arzneimitteln weitergeht und in welchem
Umfang es zur geplanten Anpassung von Standards für Autos und andere
Industriegüter kommt.