Deutschland bremst bei EU-Israel-Sanktionen Von Ansgar Haase, dpa

30.07.2025 13:01

Die EU-Staaten haben wegen der katastrophalen Lage im Gazastreifen
einen Vorschlag für Strafmaßnahmen gegen Israel auf dem Tisch liegen.
Reagiert Israel nun mit Zugeständnissen?

Brüssel (dpa) - Deutschland und mehrere andere EU-Staaten blockieren
einen Vorschlag zur sofortigen Sanktionierung Israels wegen der
katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen. Bei Beratungen im
Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten konnte deswegen
das Entscheidungsverfahren nicht eingeleitet werden, wie die Deutsche
Presse-Agentur von Diplomaten in Brüssel erfuhr.

Konkret hatte die EU-Kommission am Montagabend empfohlen, die
Teilnahme Israels am Forschungsförderungsprogramm Horizon Europe
unverzüglich teilweise auszusetzen. Damit soll der Druck auf das Land
erhöht werden, eine bessere humanitäre Versorgung der notleidenden
Menschen im abgeriegelten Gazastreifen zu ermöglichen, wo Israel die
islamistische Hamas bekämpft. Israelischen Unternehmen könnten durch
die Strafmaßnahme den Zugang zu Zuschüssen in Millionenhöhe
verlieren.

EU ist gespalten

Bei der Sitzung in Brüssel gehörte Deutschland laut Diplomaten zu den
Ländern, die eine weitere Analyse des Vorschlags für nötig halten und

die Entwicklungen im Gazastreifen in den kommenden Tagen abwarten
wollen. Seit dem Wochenende lässt Israel wieder Hilfstransporte in
größerem Umfang in das Küstengebiet einfahren, zuletzt fuhren nach
Angaben der Militärbehörde Cogat am Mittwoch rund 220 Lkw über den
Grenzübergang. Einige Delegationen äußerten sich den Angaben zufolge

auch kritisch, da sie befürchten, dass Sanktionen gegen Israel den
notwendigen Dialog mit den israelischen Behörden erschweren könnten.

Für die Umsetzung des Sanktionsvorschlags müssen nach Angaben der
EU-Kommission 15 der 27 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens
65 Prozent der Bevölkerung der teilnehmenden Mitgliedstaaten
repräsentieren.

Lässt Israel EU-Beobachter zu?

Als entscheidende Länder gelten im Fall der Israel-Sanktionen
Deutschland und Italien. Alle anderen großen EU-Staaten und viele
kleinere hatten sich zuletzt aufgeschlossen gegenüber Strafmaßnahmen
gezeigt. Von Diplomaten hieß es nach der Sitzung, viele Delegationen
hätten ihre Unterstützung für den Sanktionsvorstoß zum Ausdruck
gebracht, um den Druck auf die israelischen Behörden zu erhöhen.

Israelische Medien berichteten unterdessen, dass die israelische
Regierung zur Abwehr der Sanktionsinitiative Zugeständnisse machen
könnte. Demnach wird in Erwägung gezogen, Experten der EU eine
Beobachtung der Lage vor Ort zu ermöglichen. In Brüssel war zuletzt
auch kritisiert worden, dass israelische Zusagen für mehr Hilfe für
die Zivilbevölkerung im Gazastreifen bislang nur unzureichend
umgesetzt worden seien. Bei ihnen geht es nach EU-Darstellung unter
anderem darum, dass pro Tag mindestens 160 Lastwagen mit Hilfsgütern
in den Küstenstreifen gelassen werden sollen.

Konkrete Gespräche darüber könnte es auch mit dem deutschen
Außenminister Johann Wadephul (CDU) geben. Er will an diesem
Donnerstag zu einer Reise in die Region aufbrechen und noch einmal
versuchen, Israel diplomatisch zu einem Umdenken zu bewegen.

EU-Kommission: Israel verstößt gegen Menschenrechte

Der Sanktionierungsvorschlag der EU-Kommission sieht im Detail vor,
die Beteiligung von israelischen Einrichtungen an Tätigkeiten
auszusetzen, die über den Europäischen Innovationsrat (EIC)
finanziert werden. Getroffen würden demnach zum Beispiel Start-ups
und kleine Unternehmen, die im Bereich Cybersicherheit, Drohnen und
künstliche Intelligenz arbeiten. Die Teilnahme israelischer
Universitäten und Forscher an Kooperationsprojekten und
Forschungsaktivitäten im Rahmen von Horizon bleibe von der
vorgeschlagenen Maßnahme unberührt, hieß es.

Zur Begründung heißt es in dem Entwurf für den Rechtstext, Israel
verstoße mit seinem Vorgehen im Gazastreifen und der daraus
resultierenden humanitären Katastrophe gegen die Menschenrechte und
das humanitäre Völkerrecht. Damit werde ein wesentliches Prinzip der
Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel im Rahmen des geltenden
Assoziierungsabkommens verletzt. Ausdrücklich erwähnt werden auch
Tausende zivile Todesopfer und eine rasant steigende Zahl von Fällen
extremer Unterernährung, insbesondere bei Kindern. Israel verteidigt
sein Vorgehen hingegen als notwendige Reaktion auf den Terror der
islamistischen Hamas, die weiter Dutzende Geiseln im Gazastreifen
festhält.

Droht auch juristischer Streit?

Zum weiteren Vorgehen hieß es nach den Beratungen von Diplomaten, die
zuständige Arbeitsgruppe des Rates der Mitgliedstaaten solle sich nun
um die Klärung technischer Fragen zum Sanktionsvorschlag kümmern. Der
Ausschuss der ständigen Vertreter werde dann bei Fortschritten wieder
zusammenkommen.

Möglich ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch,
dass juristische Streitigkeiten das Verfahren verzögern. Denn einige
Mitgliedstaaten bezweifeln, ob der Sanktionsvorschlag wie von der
EU-Kommission angegeben per Mehrheitsbeschluss angenommen werden
kann.