Die Rebellion der Hotels gegen Booking.com Von Sabina Crisan und Kilian Genius, dpa

04.08.2025 16:50

Hotels durften ihre Zimmer lange nicht günstiger anbieten als auf
Booking.com. Jetzt fordern Tausende Betriebe Schadenersatz - für zwei
Jahrzehnte eingeschränkten Preiswettbewerb.

Rom/Berlin/Brüssel (dpa) - Mehr als 10.000 Hotels fordern
Schadenersatz von Booking.com. Die Betriebe werfen dem weltgrößten
Hotelbuchungsportal vor, sie über Jahre daran gehindert zu haben,
günstigere Direktpreise anzubieten. Die Initiative wird von der
europäischen Hotelallianz Hotrec und über 30 nationalen Verbänden
unterstützt - darunter der Hotelverband Deutschland (IHA).

Koordiniert wird sie von der Stiftung Hotel Claims Alliance, wie
Hotrec und der IHA mitteilten. Die Organisatoren sprechen von einer
der größten juristischen Auseinandersetzungen der Branche.

Was Hotels vorwerfen

Im Zentrum stehen sogenannte Bestpreisklauseln. Diese verpflichteten
Hotels lange Zeit, ihre Zimmer nicht günstiger als auf Booking.com
anzubieten - auch nicht auf der eigenen Website. Aus Sicht der
Hotelverbände haben solche Klauseln die Preishoheit der Betriebe
beschnitten, den Wettbewerb eingeschränkt und Direktbuchungen
verdrängt. «Jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam aufzutreten und
Wiedergutmachung zu fordern», sagte der Generaldirektor des
italienischen Verbands Federalberghi, Alessandro Nucara.

Booking.com hingegen widerspricht - inhaltlich wie formal. Zum einen
bestreitet das Unternehmen, bislang eine offizielle Klage erhalten zu
haben. «Es handelt sich um eine Ankündigung von Hotrec, nicht um eine
eingereichte Sammelklage», teilte das Unternehmen auf Anfrage mit.
Zum anderen weist Booking.com zentrale rechtliche Argumente der
Hotelverbände zurück - insbesondere die Auslegung eines EuGH-Urteils
vom September 2024.

Die Schadenersatzforderungen der Sammelklage beziehen sich laut
Hotrec auf den Zeitraum von 2004 bis 2024. Die Teilnahme sei für
Hotels kostenfrei und risikolos. «Die Sammelklage erfährt einen
überwältigenden Zuspruch», sagte IHA-Hauptgeschäftsführer Markus

Luthe. Wegen der großen Resonanz sei die Anmeldefrist bis zum 29.
August verlängert worden.

Was der EuGH entschied

Die Hotelverbände stützen ihre Forderungen auf ein Urteil des
Europäischen Gerichtshofs vom September 2024. Darin stellte der EuGH
klar, dass Preisbindungsklauseln grundsätzlich gegen das
EU-Wettbewerbsrecht verstoßen können, abschließend klären muss den

Fall aber ein Amsterdamer Gericht. Eine generelle Zulässigkeit
solcher Klauseln lehnten die Richter am EuGH ab - und stärkten damit
vielen Hotels den Rücken.

Booking.com teilt weiter mit, die Plattform sei für Hotels ein
freiwilliger Vertriebskanal. «Jeder unserer Unterkunftspartner kann
seine Vertriebs- und Preisstrategie frei gestalten und seine Zimmer
überall anbieten, wo er möchte.» Man unterstütze Hotels mit
Marketing, Technologie und globaler Sichtbarkeit, darin liege der
Mehrwert.

Deutschland ging voran

Die Debatte um Bestpreisklauseln ist nicht neu. In Deutschland
untersagte das Bundeskartellamt bereits 2013 dem Anbieter HRS die
Praxis. 2015 folgten Verfahren gegen Booking.com und Expedia. Und
2021 entschied auch der Bundesgerichtshof, dass Bestpreisklauseln von
Booking.com nicht mit dem Kartellrecht vereinbar seien.

Eine Anekdote veranschaulicht, wie die Diskussion damals ins Rollen
kam: Als Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt in einem Hotel am
Chiemsee eine zusätzliche Nacht buchen wollte, verlangte die
Rezeption mehr Geld als für die Onlinebuchung. Begründung: Der
günstigste Preis darf laut Vertrag nur über das Portal angeboten
werden. Wieder zurück in Bonn nahm sich die Behörde die Klauseln vor
- mit weitreichenden Folgen.

Seitdem gilt in Deutschland ein anderes Wettbewerbsumfeld.
«Wettbewerb auf dem Markt der Ferienunterkünfte ist für Reisende gut,

weil er die Vielfalt des Deutschlandtourismus abbildet und im
Ergebnis zu günstigeren Preisen führt», sagte Norbert Kunz,
Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands (DTV). Plattformen
brächten für Anbieter und Gäste viele Vorteile: «Wichtig ist, dass

der Wettbewerb funktioniert und die Regeln für alle gelten.»

Marktmacht bleibt ein Streitpunkt

Ein weiterer Kritikpunkt der Hotellerie ist die Marktmacht großer
Plattformen. Laut einer Studie von Hotrec und der Fachhochschule
Westschweiz Wallis wurden 2023 europaweit 29,1 Prozent aller
Übernachtungen über Online-Buchungsportale (OTAs) abgewickelt.
Innerhalb dieses Segments hält die Booking Holdings laut Studie einen
Marktanteil von 71 Prozent - in Deutschland 72,3 Prozent. Booking.com
verweist dagegen darauf, dass Direktbuchungen mit 50,9 Prozent
weiterhin den größten Anteil am Gesamtmarkt ausmachen.