Gutachten: Modernisierungsgesetz verstößt gegen EU-Recht Von Marco Hadem, dpa
10.08.2025 04:01
CSU und Freie Wähler haben trotz lauter Kritik per Gesetz den Bau von
Skigebieten, Liften und Schneekanonen in den Alpen erleichtert. Ein
neues Gutachten eröffnet nun die nächste Runde im Dauerstreit.
München/Leipzig (dpa/lby) - Teile des seit Anfang August in Bayern
geltenden dritten Modernisierungsgesetzes verstoßen laut einem
aktuellen Gutachten «mit hoher Wahrscheinlichkeit» gegen EU-Recht.
Die Begrenzungen der
Pflicht für Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) durch das Gesetz in
Bayern verstoße «zumindest teilweise gegen die EU-rechtlichen
Vorgaben der UVP-Richtlinie», heißt es in dem zehnseitigen Gutachten
von Staatsrechtler Kurt Faßbender von der Universität Leipzig,
welches der Deutschen Presse-Agentur in München vorliegt.
Kritik an Vorgaben für Skipisten, Seilbahnen und Schneekanonen
Konkret bezweifelt das Gutachten, das der SPD-Landtagsabgeordnete
Florian von Brunn in Auftrag gegeben hat, die durch das Gesetz
gelockerten Vorgaben für besagte Umweltverträglichkeitsprüfungen bei
Schneekanonen, Skipisten und Seilbahnen in den Alpen. Bei allen drei
Sachverhalten sei, anders als im Gesetzgebungsverfahren behauptet,
«tatsächlich mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt und auch auf
das Klima zu rechnen», heißt es im Gutachten. Dabei sei es nicht
relevant, wie groß ein Skigebiet sei, wo der Kunstschnee zum Einsatz
komme oder wie lang eine Seilbahn sei.
Verstößt das Gesetz auch gegen die Alpenkonvention?
Und noch eine Frage wirft das Gutachten auf: Möglicherweise verstößt
die Begrenzungen der UVP-Pflicht auch gegen die von Deutschland
unterzeichnete Alpenkonvention. Es sei «fraglich», ob deren Vorgaben
«durchgehend eingehalten werden».
Das am 23. Juli von CSU und Freien Wählern im Landtag verabschiedete
Gesetz sieht unter anderem eine deutliche Anhebung der Schwellenwerte
für die UVP-Pflicht vor. So wird diese bei Beschneiungsanlagen erst
ab einer Fläche von mehr als 20 Hektar (zuvor 15 Hektar) und in
Schutzgebieten ab 10 Hektar (zuvor 7,5 Hektar) vorgeschrieben. Bei
Skipisten wurde die Grenze von 10 auf 20 Hektar und in Schutzgebieten
von 5 auf 10 Hektar erhöht.
Für Seilbahnen und Skilifte müssen erst eine bestimmte
Beförderungskapazität und eine bestimmte Luftlinienlänge zwischen
Tal- und Bergstation erreicht werden, um eine UVP-Pflicht auszulösen.
Bisher genügte eine Bedingung. Zudem ist die Luftlinienlänge pauschal
auf 3.000 Meter verlängert worden (zuvor 1.000 Meter für
Schlepplifte, 2.500 Meter für übrige Seilbahnen).
Gesetzgebungsverfahren war bereits sehr kontrovers
Im Gesetzgebungsverfahren hatten bereits SPD und Grüne massive Kritik
an den Plänen der Staatsregierung geäußert. Zudem hatte sich das
Bündnis «Rettet die Berge» gebildet, dem neben Politikern auch
Umweltschützer und Verbände wie der Deutsche Alpenverein angehören.
Die Staatsregierung hatte ihrerseits die Änderungen mit einem Abbau
von Bürokratie begründet, nach ihrer Darstellung gibt es keine
Abstriche beim Schutz der Alpen.
Von Brunn: Beleg für verantwortungsloses Handeln der Regierung
«Das Gutachten ist für mich ein weiterer klarer Beleg, dass die
Söder-Regierung europäisches Umweltrecht und den Alpenschutz massiv
verletzt. Dieser Freifahrtschein für den ungezügelten Ausbau von
Skigebieten ist angesichts des Klimawandels besonders
verantwortungslos», sagte von Brunn. Das sei weder Bürokratieabbau
noch Wirtschaftsförderung - «hier werden nur Lobbywünsche zum Schaden
der sensiblen Alpen-Natur erfüllt».
Brief mit Hilferuf an Bundesumweltminister Carsten Schneider
Welche Folgen sich aus dem Gutachten ergeben, bleibt abzuwarten. «Ich
habe mich deswegen auch an Bundesumweltminister Carsten Schneider
(SPD) gewendet und um Hilfe gegen das europarechtswidrige Handeln von
Markus Söder gebeten», betonte von Brunn.
Gutachten empfiehlt Beschwerde in Brüssel oder Klagen
Das Gutachten zeigt aber auch noch andere Optionen auf: «Zum einen
hat jede und jeder die Möglichkeit, die EU-Kommission im Wege einer
Beschwerde
auf den in Rede stehenden Verstoß gegen die UVP-Richtlinie aufmerksam
zu machen.» Die EU-Kommission könne dann ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten. Auch der
Klageweg vor einem Verwaltungsgericht sei denkbar. In der Folge
könnte dann der Europäische Gerichtshof «einen etwaigen Verstoß geg
en
die UVP-Richtlinie verbindlich feststellen».