Airlines wollen Platz für Handgepäck nicht verschenken Von Christian Ebner, dpa
10.08.2025 05:00
In modernen Flugzeugkabinen gibt es eine Menge Platz für Handgepäck.
Doch die Airlines finden viele Gründe, warum sie die Gepäckfächer
nicht pauschal freigeben wollen.
Frankfurt/Main (dpa) - Der ewige Streit ums Handgepäck im Flugzeug
ist vor Gerichten gelandet. Gemeinsam mit europäischen Partnern
streitet der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) dafür,
dass Flugpassagiere kostenfrei mehr Handgepäck in die Kabine
mitbringen dürfen als bislang. Doch die meisten Airlines und ihre
Verbände mauern. Sie wollen den durchaus vorhandenen Platz in
Gepäckfächern lieber für zusätzliche Einnahmen nutzen.
Im Kern geht es um die Frage, wie groß «angemessenes Handgepäck» se
in
darf, denn die einschlägigen EU-Vorschriften bleiben in diesem Punkt
unbestimmt. Die Antworten fallen je nach Perspektive unterschiedlich
aus. Europas größter Billigflieger Ryanair lässt beispielsweise nur
eine kleine Tasche zu, Außenmaße höchstens 40x30x20 Zentimeter. Alles
Weitere kostet. Besonders teuer wird es für Kunden, wenn sie dies
erst am Gate bemerken. Die vzbv-Vorständin Ramona Pop spricht daher
von «Kostenfallen».
Typische Koffer schon lange im Handel
Die Verbraucherschützer wollen Airlines zwingen, zusätzlich einen
Kabinenkoffer mit dem vom Airline-Weltverband IATA empfohlenen
Außenmaß von 115 Zentimetern (bspw. 55x40x20) zu akzeptieren.
Typische Rollkoffer in dieser Größe werden schon seit Jahren als
Kabinengepäck verkauft, kosten aber auf den meisten Direktflügen
teils deftige Aufpreise. Zwischen 6 und 75 Euro pro Kabinenkoffer hat
der europäische Verbraucherverband BEUC festgestellt.
Bei Lufthansa wie auch bei anderen Netzairlines sind Tasche und
kleiner Koffer im Ticketpreis inbegriffen, weil man für die vielen
Umsteiger keinen Unterschied machen will zur Langstrecke. Auch Condor
hat auf neuen City-Flügen immer einen Trolley und eine kleine Tasche
inbegriffen. Geht es hingegen zu touristischen Zielen oder auf die
Langstrecke, gibt es auch hier im günstigsten Tarif nur die kleine
Tasche.
Direktflieger abgemahnt
Der vzbv hat die Direktflieger Norwegian Air, Ryanair, Transavia,
Volotea, Easyjet, Wizz und Vueling wegen ihrer Handgepäckpolitik
abgemahnt. Zusätzlich wurden Klagen gegen Easyjet, Wizz und Vueling
vor deutschen Gerichten eingereicht. In Brüssel tobt zudem zwischen
Parlament und Mitgliedstaaten ein Streit um die künftigen
Fluggastrechte.
Branchenverbände wie der A4E auf europäischer Ebene lehnen
zusätzliche Regeln ab. Ihr zentrales Argument: Die Billigtarife mit
einem Mini-Gepäckstück werden millionenfach von Konsumenten gebucht.
Vor wenigen Wochen haben die A4E-Mitglieder erklärt, dass sie nach
der Sommersaison ein einheitliches Mindestmaß von 40x30x15 Zentimeter
umsetzen. Großzügigere Regelungen aus der Vergangenheit sollen nach
Ermessen der Airlines wirksam bleiben.
Auch der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL)
verteidigt das Baukastenprinzip, nach dem jeder Passagier für
zusätzliches Gepäck selbst zahlen muss. Wäre dies nicht der Fall,
müssten die Kosten auf alle umgelegt werden, sagt eine Sprecherin.
Stauraum ist vorhanden
Platz in den sogenannten Bins (Behälter) über den Sitzreihen wäre
durchaus vorhanden. Flugzeugbauer Boeing nennt für die
Ryanair-Standard-Maschine 737 Max 8 mit 197 Sitzen eine Kapazität von
174 Gepäckstücken. Konkurrent Airbus hat noch größere Gepäckfäc
her im
Angebot, kann diese auch nachträglich einbauen und wirbt mit der
Aussage «Es gibt genug Platz für alle».
Doch diesen Platz müssen die Airlines nicht unbedingt gratis an die
Passagiere verteilen: Bis zu 500.000 Dollar zusätzliche Einnahmen pro
Flugzeug stellt Airbus beim Einbau größerer Fächer in Aussicht. Die
genaue Konfiguration der Kabine wie auch die Preise für
Zusatzleistungen sind allerdings allein Sache der
Fluggesellschaften.
Viel Gepäck verzögert Abfertigung
Die vom vzbv beklagte Easyjet will sich offiziell nicht zum laufenden
Verfahren äußern, weist aber intern auf operative Vorteile hin, wenn
weniger Handgepäck in die Kabine mitgebracht wird. Seit der Änderung
der Handgepäckregeln verlaufe das Boarding effizienter, und die
Pünktlichkeit sei gestiegen. Die Maschine ist schneller startklar,
wenn mehr Platz vorhanden ist.
Denn das machen viele Passagiere gleich nach dem Einsteigen falsch:
Die kleinen Gepäckstücke gehören eigentlich unter den Vordersitz und
nicht in die großen Fächer über den Sitzen. Im Winter landen dort
auch dicke Jacken, Schirme oder Mäntel, und der begehrte Raum wird
noch knapper.
Die BEUC-Forderung nach zwei kostenfreien Gepäckstücken würde daher
auch nach Auffassung des BDL Risiken für den Betrieb bedeuten. Wenn
letztendlich in der Kabine nicht ausreichend Platz ist, müssten beim
Boarding die letzten Gäste doch ihr Gepäck abgeben - Diskussionen und
mögliche Verspätungen inbegriffen. Nach Einschätzung von Airbus läs
st
sich der Prozess vor dem Start mit den größeren Ablagen regelmäßig
um
sechs Minuten verkürzen.