EU-Sondertreffen zu Ukraine - Debatte um Gebietsabtretungen

11.08.2025 04:00

US-Präsident Trump will mit Kremlchef Putin über ein Ende des Kriegs
in der Ukraine verhandeln. Die EU-Außenminister wollen vorher nächste
Schritte planen. Kiew warnt vor neuen Nebelkerzen Moskaus.

Brüssel/Kiew (dpa) - Vor dem Treffen von US-Präsident Donald Trump
und Kremlchef Wladimir Putin zum Krieg in der Ukraine rückt die
Debatte um mögliche Gebietsabtretungen des von Russland angegriffenen
Landes in den Mittelpunkt. Nato-Generalsekretär Mark Rutte machte
deutlich, dass sich Gespräche über die von Russland kontrollierten
Gebiete bei künftigen Verhandlungen kaum vermeiden ließen. Der
ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, mahnte, den
Fokus dabei nicht nur auf territoriale Fragen zu richten, sondern auf
die Menschen. Unterdessen wollen die EU-Außenminister bei einer
Videokonferenz ihre nächsten Schritte besprechen. 

«Europas Kerninteressen stehen auf dem Spiel», teilte die
EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas vor der Sondersitzung am heutigen
Montag mit. Sie betonte, dass jede Vereinbarung zwischen den USA und
Russland die Ukraine und die EU einschließen müsse, «denn es geht um

die Sicherheit der Ukraine und ganz Europas». Russlands Aggression
dürfe nicht belohnt werden - die vorübergehend russisch besetzten
Gebiete gehörten zur Ukraine.

Rutte: Nach Waffenruhe wird es um territoriale Fragen gehen

Nato-Generalsekretär Rutte betonte zwar, die Ukraine sei ein
souveräner Staat, der seine geopolitische Zukunft selbst bestimme.
Dem US-Sender ABC sagte er aber auch: «Wir müssen im Moment zur
Kenntnis nehmen, dass Russland einen Teil des ukrainischen
Territoriums kontrolliert.» Nach einer Waffenruhe werde sich die
Frage stellen, wie es in territorialen Fragen und mit Blick auf
mögliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine weitergehe. 

Trump und Putin treffen sich Freitag - ohne Selenskyj?

Am Freitag wollen Trump und Putin im US-Bundesstaat Alaska über eine
mögliche Friedenslösung in dem seit rund dreieinhalb Jahren dauernden
russischen Angriffskrieg verhandeln. Trump stellt das Treffen in
Alaska als Versuch dar, einem Ende der Kämpfe näherzukommen. Er
sprach in diesem Kontext von einem möglichen Gebietstausch zwischen
der Ukraine und Russland.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nicht eingeladen.
Dieser lehnt einen Verzicht auf die Gebiete kategorisch ab - und
könnte darüber auch nicht allein entscheiden. Eine Abtretung würde
eine Verfassungsänderung erfordern und wohl schwere innenpolitische
Verwerfungen auslösen.

Der US-Nato-Botschafter schließt allerdings eine Einladung an
Selenskyj zu dem Treffen nicht aus. «Ich halte es durchaus für
möglich», sagte Matthew Whitaker dem Sender CNN. Die Entscheidung
werde von US-Präsident Trump getroffen. «Wenn er der Meinung ist,
dass dies der beste Zeitpunkt ist, um Selenskyj einzuladen, dann wird
er das tun», erklärte Whitaker. Bislang sei dazu noch keine
endgültige Entscheidung gefallen, und es bleibe noch Zeit.

Mit Blick auf einen von Trump ins Spiel gebrachten «Gebietstausch»
zwischen Russland und der Ukraine sagte Whitaker, es gehe darum, eine
Einigung zu finden. Unterhändler berieten aktuell darüber, welche
Gebiete betroffen sein könnten.

Selenskyj: Werden unsere Unabhängigkeit verteidigen

Selenskyj unterstrich in seiner abendlichen Videoansprache indirekt,
dass er einen Deal zum Gebietstausch nicht akzeptieren werde. «Wir
werden unser Land und unsere Unabhängigkeit auf jeden Fall
verteidigen», betonte er. Und alles, was die Ukraine betreffe, müsse
unter Beteiligung der Ukraine entschieden werden. 

In dem Treffen am Freitag sieht der ukrainische Präsident einen neuen
Täuschungsversuch Moskaus. «Wir verstehen die Absicht der Russen,
Amerika zu täuschen - das werden wir nicht zulassen», sagte
Selenskyj. Er schätze die Entschlossenheit Trumps, den Krieg zu
beenden. Dennoch sei der einzige Grund für das fortgesetzte Töten in
der Ukraine der Wunsch Putins, Krieg zu führen «und alle zu
manipulieren, mit denen er in Kontakt kommt». 

Botschafter Makeiev: Geht hier um Menschen

Angesprochen auf die Debatte, ob die Ukraine für einen
Friedensschluss Teile ihres Staatsgebiets aufgeben sollte, sagte der
ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, im
ZDF-«heute journal»: «Wir müssen verstehen, es geht nicht um Gebiet
e,
es geht auch um Menschen.» Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer
lebten heute unter russischer Besatzung. Da seien Hunderttausende
Kinder, die zu russischen umerzogen würden. Auch welche
Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten passierten,
«können wir uns kaum vorstellen, weil wir kaum Zugänge haben».
Deswegen könnten es sich die Ukraine und Europa nicht leisten, dies
Putin zu überlassen. 

Viele der kriegsmüden Menschen in der Ukraine hätten auch Verwandte
in den besetzten Gebieten. Auch deswegen sei es nicht so einfach,
Gebiete abzutreten, sagte Makeiev.

Vance: USA werden Ukraine-Krieg nicht mehr finanzieren

US-Vizepräsident JD Vance bekräftigte unterdessen, dass sich die
Vereinigten Staaten finanziell aus der Unterstützung der Ukraine
zurückziehen wollen. Trump und er seien der Auffassung, «dass die USA
mit der Finanzierung des Ukraine-Kriegsgeschäfts durch sind», sagte
Vance dem Sender Fox News in einem Interview, das schon vor ein paar
Tagen aufgezeichnet wurde. 

Man wolle eine friedliche Lösung finden und das Töten beenden. Die
Amerikaner seien es leid, weiter ihre Steuergelder für diesen
konkreten Konflikt auszugeben, so Vance. Das Interview wurde bereits
vor der offiziellen Bekanntgabe des Treffens von Trump mit dem
russischen Präsidenten Putin aufgezeichnet, aber erst am Sonntag
vollständig ausgestrahlt.

Viele Verletzte bei russischem Luftschlag - Tote in Russland

Bei einem russischen Luftangriff mit Flugzeugbomben auf die
südukrainische Großstadt Saporischschja wurden unterdessen mindestens
20 Menschen verletzt. Wie Militärverwalter Iwan Fedorow auf Facebook
mitteilte, traf eine der Gleitbomben einen Busbahnhof im Zentrum. 

Russland meldete am späten Abend unter anderem zwei Tote bei einem
ukrainischen Drohnenangriff in Tula. Unter Berufung auf den
Gouverneur der Region berichtete die Nachrichtenagentur Tass von
einem Luftangriff auf ein ziviles Unternehmen in der
zentralrussischen Stadt - es habe dabei zudem drei Verletzte
gegeben. 

Tass meldete am Abend unter Berufung auf Behördenangaben den Abschuss
Dutzender Drohnen in unterschiedlichen Regionen. Die Ukraine nutzt
die Drohnenattacken in ihrem Abwehrkampf gegen den seit fast
dreieinhalb Jahren andauernden russischen Angriffskrieg, um Ziele im
Hinterland des Gegners zu treffen und den militärischen Nachschub zu
stören. Die Schäden und Opfer infolge dieser Angriffe stehen in
keinem Verhältnis zu den vielen Toten und Verletzten sowie schweren
Zerstörungen durch die russischen Attacken.