Israels Finanzminister droht mit Annexion von Westjordanland
14.08.2025 21:47
Mehrere wichtige Staaten wollen im September bei der
UN-Vollversammlung die Anerkennung eines palästinensischen Staates
verkünden. Ein israelischer Minister droht nun mit einer drastischen
Reaktion.
Tel Aviv (dpa) - Der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich hat
mit der Annexion des Westjordanlands gedroht, sollte im kommenden
Monat ein palästinensischer Staat anerkannt werden. Gleichzeitig
kündigte er den Bau von rund 3.400 weiteren Wohneinheiten für
israelische Siedler in einem Gebiet im besetzten Westjordanland an,
das als besonders sensibel im Konflikt mit den Palästinensern gilt.
Die Pläne stießen international auf Kritik - auch von der EU.
«Ihr habt keine Chance, es wird keinen palästinensischen Staat
geben», sagte Smotrich während einer Pressekonferenz, gerichtet an
mehrere Länder, die im September bei der Generalversammlung der
Vereinten Nationen die Anerkennung verkünden wollen. «Ihr werdet
nicht von Übersee aus entscheiden, wie die Zukunft des jüdischen
Volkes aussieht.»
Smotrich sagte in der Nähe der Siedlung Maale Adumim: «Wenn ihr im
September einen palästinensischen Staat anerkennt, wird unsere
Antwort sein, volle israelische Souveränität in allen Gebieten von
Judäa und Samaria (hebräische Bezeichnung für das Westjordanland)
geltend zu machen.»
Israel lehnt Anerkennung als «Belohnung für die Hamas» ab
Mehrere Staaten, darunter Frankreich, Kanada und Australien, wollen
im kommenden Monat einen palästinensischen Staat anerkennen. Fast 150
der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben dies bereits
getan. Ziel ist es, eine Zweistaatenlösung voranzutreiben. Damit ist
gemeint, dass Israel und ein unabhängiger Palästinenserstaat
friedlich Seite an Seite existieren.
Israel lehnt die Anerkennung dagegen als «Belohnung für die Hamas»
nach dem Massaker im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 ab.
Ghazi Hamad, hochrangiges Hamas-Mitglied, hatte die erwartete
Anerkennung im vergangenen Monat in einem TV-Interview als «Früchte
des 7. Oktober» gelobt.
Umstrittene Siedlungsbaupläne in sensiblem Gebiet
Smotrich verkündete außerdem Pläne zum Bau von rund 3.400
Wohneinheiten im Gebiet E1 zwischen Ost-Jerusalem und der Siedlung
Maale Adumim. Dieser Schritt «begräbt endgültig die Idee eines
palästinensischen Staates», sagte Smotrich vor Ort.
Das Gebiet gilt als einer der sensibelsten Punkte im Konflikt
zwischen Israel und den Palästinensern. Seine strategische Lage
zwischen Ost-Jerusalem und der Siedlung Maale Adumim bedeutet, dass
eine Bebauung hier das Westjordanland faktisch in einen nördlichen
und einen südlichen Teil unterteilen würde. Damit würde ein
zusammenhängendes Territorium für einen künftigen palästinensischen
Staat erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Genau
deshalb stoßen Baupläne in diesem Bereich international auf besonders
starke Kritik. Unter internationalem Druck hatte Israel die Baupläne
für E1 in der Vergangenheit immer wieder verschoben.
Israel hatte 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem
erobert, wo heute mehr als 700.000 Siedler inmitten von rund drei
Millionen Palästinensern leben. Nach internationalem Recht sind die
Siedlungen dort illegal. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete
für einen eigenen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Die
israelische Regierung lehnt die Zweistaatenlösung jedoch mit der
Begründung ab, diese gefährde Israels Existenz.
Siedlungsausbaupläne stoßen auf scharfe Kritik
Die Friedensorganisation Peace Now teilte mit, eine endgültige
Billigung der umstrittenen Baupläne sei am kommenden Mittwoch
geplant. «Der E1-Plan ist tödlich für die Zukunft Israels und für
jede Chance auf eine friedliche Zweistaatenlösung», hieß es in der
Mitteilung. «Wir stehen am Rand eines Abgrunds, und die Regierung
treibt uns mit voller Geschwindigkeit voran.» Annexionsschritte
würden Israel weiter von einer friedlichen Lösung entfernen und
«viele weitere Jahre des Blutvergießens garantieren», warnte die
Organisation.
Die EU forderte Israel angesichts der von Smotrich angekündigten
Baupläne auf, von der Entscheidung Abstand zu nehmen und den
Siedlungsbau im Westjordanland allgemein einzustellen. Solche
einseitigen Entscheidungen «verschärfen die ohnehin schon angespannte
Lage vor Ort und untergraben weiter jede Möglichkeit für Frieden»,
sagte die Außenbeauftragte Kaja Kallas laut einer Mitteilung. Sie
verstoßen zudem gegen das internationale Recht.
Auch aus arabischen Ländern kam scharfe Kritik. Der Golfstaat Katar
kritisierte, Israel Besatzungspolitik würde einzig auf die erzwungene
Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung abzielen. Jordanien und
Ägypten warnten, Israels Siedlungspolitik verhindere Frieden und
Stabilität in der Region.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte
Annexionspläne im Westjordanland im Jahr 2020 im Gegenzug für eine
Annäherung mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgesetzt.