Debatte über Sicherheitsgarantien nach Ukraine-Gipfel
19.08.2025 17:11
Der Ukraine-Gipfel in Washington schlägt weiter Wellen. Vor allem ein
Thema steht dabei im Mittelpunkt.
Washington/Berlin (dpa) - Nach dem Ukraine-Gipfel in Washington wird
in Deutschland und der EU verstärkt über Sicherheitsgarantien für das
von Russland angegriffene Land nach einem Friedensschluss diskutiert.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte vor einem vorschnellen
Friedensvertrag ohne Absicherung. «Dieser Frieden darf nicht
überstürzt werden und muss durch solide Garantien abgesichert sein,
sonst stehen wir wieder am Anfang», sagte Macron dem Sender TF1/LCI.
Über die Ergebnisse des Gipfels im Weißen Haus vom Montag berieten am
Tag danach zunächst die in der sogenannten Koalition der Willigen
zusammengeschlossenen Unterstützer der Ukraine und später die
EU-Staaten. Beide Runden tagten in Videoschalten.
US-Präsident Donald Trump strebt ein Zweiertreffen des ukrainischen
Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Kremlchef Wladimir Putin an.
Danach solle es ein Dreiertreffen geben, an dem auch er teilnehmen
werde, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. Zuvor hatte
Trump am Montag Selenskyj und mehrere europäische Staats- und
Regierungschefs sowie die Spitzen der Nato und der EU-Kommission im
Weißen Haus empfangen. Zwischenzeitlich waren die Beratungen
unterbrochen worden, weil Trump mit Putin telefonierte.
Laut Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist das
Selenskyj-Putin-Treffen innerhalb der nächsten zwei Wochen geplant.
Verhaltene Reaktion aus Moskau
Die öffentliche Reaktion aus Russland war zunächst verhalten. Moskau
sei prinzipiell für jedes Gesprächsformat offen, sagte Außenminister
Sergej Lawrow im Staatsfernsehen. «Aber alle Kontakte unter
Beteiligung der Staatschefs müssen äußerst sorgfältig vorbereitet
werden», fügte er hinzu. Schon zuvor hatte Russland mit diesem
Argument Forderungen Selenskyjs nach einem schnellen Treffen mit
Putin zurückgewiesen. Nach Ansicht Moskaus müssen zuerst Delegationen
auf unterer Ebene eine Vereinbarung aushandeln.
Ausgestaltung von Sicherheitsgarantien ist offene Frage
Trump erklärte sich zwar dazu bereit, dass die USA
Sicherheitsgarantien mittragen werden, Details ließ er nach dem
Treffen in Washington zunächst aber offen. Er versicherte mit Blick
auf die Ukrainer nur: «Wir werden ihnen sehr guten Schutz geben, sehr
gute Sicherheit.»
In einem Gespräch mit dem US-Sender Fox News am Dienstag wurde Trump
etwas konkreter. Er ging davon aus, dass Deutschland, Frankreich und
Großbritannien dazu bereit seien, zur Absicherung eines möglichen
Friedens Soldaten in die Ukraine zu schicken. «Wenn es um die
Sicherheit geht, sind sie bereit, Bodentruppen zu entsenden», sagte
er. Die Vereinigten Staaten seien unterdessen bereit, die Verbündeten
- etwa aus der Luft - zu unterstützen.
Selenskyj bezeichnete Sicherheitsgarantien für sein Land - also
Maßnahmen zum Schutz vor neuen Angriffen - als vorrangig für einen
Frieden mit Russland. «Es ist sehr wichtig, dass die Vereinigten
Staaten ein starkes Signal geben und bereit sind für diese
Sicherheitsgarantien.» Zudem hänge die Sicherheit der Ukraine auch
von den europäischen Verbündeten ab.
Macron sagte, die erste Sicherheitsgarantie sei ein starkes
ukrainisches Militär. Die zweite Garantie bestehe aus
Rückversicherungstruppen und der Ansage, «dass die Briten, Franzosen,
Deutschen, Türken und andere bereit sind, Operationen durchzuführen,
nicht an der Front, nicht provokativ, sondern zur Beruhigung in der
Luft, auf See und an Land, um ein strategisches Signal zu setzen und
zu sagen: Ein dauerhafter Frieden in der Ukraine ist auch unser
Anliegen».
Auf die Frage, ob diese Rückversicherungstruppen im Falle eines
russischen Angriffs gezwungen wären, zu kämpfen, sagte Macron dem
Sender: «Das ist das Ziel dieser Sicherheitsgarantien.» Wenn Russland
nach einem Friedensabkommen an die Grenzen Europas zurückkehre und
provoziere, dann gäbe es in diesem Moment eine Reaktion.
Russland lehnt eine Stationierung von Truppen aus Nato-Staaten in der
Ukraine bislang kategorisch ab.
«Wachsende Dynamik» bei Garantien - Abstimmung mit USA
EU-Ratspräsident António Costa sprach nach den Beratungen der
EU-Länder von einer «wachsenden Dynamik hinsichtlich der
Bereitstellung von Sicherheitsgarantien für die Ukraine». Jetzt sei
es an der Zeit, «unsere praktische Arbeit zu beschleunigen, um eine
Garantie ähnlich dem Artikel 5 der Nato unter fortgesetztem
Engagement der Vereinigten Staaten zu schaffen», sagte Costa bei
einer Pressekonferenz. Es sei die Sicherheit der Ukraine und Europas,
die auf dem Spiel stehe.
Nach Angaben des britischen Premierministers Starmer wollen sich
Vertreter der sogenannten Koalition der Willigen nun mit ihren
US-Partnern treffen, um Sicherheitsgarantien für Kiew zu
konkretisieren. Es werde dabei auch darum gehen, die Vorbereitungen
für den Einsatz von Friedenstruppen im Falle einer Waffenruhe
voranzubringen, erklärte er nach der Videoschalte von rund 30 Staats-
und Regierungschefs. Costa erklärte, diese Gespräche sollten in den
kommenden Tagen, voraussichtlich noch in dieser Woche, stattfinden.
Pistorius: Arbeiten an Sicherheitsgarantien
Verteidigungsminister Boris Pistorius zufolge werde mit Hochdruck an
den Sicherheitsgarantien gearbeitet. «Wie ein deutscher Beitrag zu
den Sicherheitsgarantien aussehen wird, steht derzeit noch nicht fest
und wird politisch und militärisch festzulegen sein», sagte der
SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur, nachdem Obleute des
Bundestages am Dienstag über den Sachstand unterrichtet wurden.
«Wir berücksichtigen dabei erstens den Verlauf der Verhandlungen,
zweitens einen möglichen Beitrag der USA und drittens die
Abstimmungen mit unseren engsten Partern», sagte Pistorius weiter.
«Natürlich ist dabei auch zu prüfen, welche Bereitschaft Russland
zeigt, zu einer Friedenslösung zu kommen.»
Debatte über deutsche Beteiligung
Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte im Deutschlandfunk während
seiner Japan-Reise, letztlich müssten Sicherheitsgarantien einfach
bedeuten, dass man nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten an
der Seite der Ukraine stehe. Über eine Beteiligung der Bundeswehr an
einer möglichen Friedenstruppe müsse auch mit der Opposition
gesprochen werden. Entscheiden werde der Bundestag.
«Sicherheitsgarantie heißt, dass man Beistand leistet in dem Fall,
dass Russland sich an eine Friedensvereinbarung mit der Ukraine nicht
hält. Und damit muss man ja rechnen, nachdem Russland ohne jede Not
und ohne jede Motivation die Ukraine angegriffen hat», sagte
Wadephul.
Die FDP-Europaabgeordnete Strack-Zimmermann verlangte von Europa ein
geschlossenes Auftreten und die Bereitschaft, Verantwortung zu
übernehmen. «Deutschland muss hier eine Führungsrolle übernehmen.
Dazu gehören militärische Unterstützung, wirtschaftliche
Unterstützung und eben klare Sicherheitsgarantien», sagte sie den
Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Merz: Hohe deutsche Verantwortung bei Sicherheitsgarantien
Merz hatte in Washington gesagt, die Frage, wer sich in welchem
Umfang an Sicherheitsgarantien beteilige, müsse man zwischen den
europäischen Partnern und der US-Regierung besprechen. «Völlig klar
ist, dass sich ganz Europa daran beteiligen sollte.» Deutschland habe
«eine hohe Verantwortung», dies zu tun. Auf die Frage, ob sich auch
die Bundeswehr daran beteiligen könnte, antwortete Merz, es sei zu
früh, darauf eine endgültige Antwort zu geben.
Beistandsklausel wie im Nato-Vertrag im Gespräch
Nato-Generalsekretär Mark Rutte betonte im US-Sender Fox News nach
dem Treffen in Washington, es gehe auch nicht um eine
Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, sondern «was wir hier diskutieren,
sind Sicherheitsgarantien für die Ukraine gemäß Artikel 5».
Artikel 5 des Nato-Vertrags regelt, dass die Bündnispartner im Fall
eines Angriffs auf die Unterstützung der Alliierten zählen können und
eine Attacke auf ein Mitglied als Angriff auf alle gewertet wird.
Schon vor dem Gipfel war ein Nato-ähnliches Schutzversprechen der USA
und europäischer Staaten an die Ukraine im Gespräch gewesen - was
letztendlich ein militärisches Eingreifen im Fall eines Angriffs
bedeuten würde.
Uneinigkeit über Notwendigkeit einer Waffenruhe
Bei dem Treffen im Weißen Haus wurde die Frage einer sofortigen
Waffenruhe als Voraussetzung für Friedensverhandlungen
unterschiedlich bewertet. Auch Trump hatte dies ursprünglich
verlangt. Nach seinem Treffen mit Putin am vergangenen Freitag im
US-Bundesstaat Alaska gab er diese Position jedoch auf. Nicht so
Kanzler Merz: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nächste
Treffen ohne eine Feuerpause stattfindet», sagte er im Weißen Haus.
Selenskyj verzichtete dagegen auf die Forderung nach einer Waffenruhe
vor einem Treffen mit Putin «Ich finde, dass wir uns ohne
irgendwelche Vorbedingungen treffen und darüber nachdenken müssen,
wie dieser Weg zur Beendigung des Krieges weitergehen könnte», sagte
er.
Trump sagte bei seinem Treffen mit Selenskyj, er möge zwar das
Konzept einer Feuerpause, weil damit das Töten von Menschen sofort
aufhören würde. «Aber wir können an einem Deal arbeiten, wo wir auf
ein Friedensabkommen abzielen.»