Streit um Klimatopf: Geld für Zertifikate statt Klimaschutz?
28.08.2025 10:39
Der Klimafonds soll eigentlich Investitionen in eine klimaneutrale
Zukunft finanzieren. Doch das Finanzministerium plant, daraus
Zertifikatskäufe zu bezahlen. Experten warnen vor einem Teufelskreis.
Berlin (dpa) - Die Klimawissenschaftlerin Brigitte Knopf hat
eindringlich vor einer Zweckentfremdung des Klima- und
Transformationsfonds (KTF) durch die Bundesregierung gewarnt. Die im
Haushaltsentwurf für 2026 vorgesehene Idee des Finanzministeriums,
Emissionszertifikate für mögliche verpasste Klimaziele mit Geld aus
dem KTF zu bezahlen, «konterkariert völlig den Klimaschutz», so die
Direktorin des Thinktanks Zukunft Klimasozial und stellvertretende
Vorsitzende des von der Bundesregierung eingerichteten Expertenrats
für Klimafragen.
«Deutschland wird seine Klimaziele verfehlen», sagte Knopf der
Deutschen Presse-Agentur. «Und statt mehr in Klimaschutz zu
investieren, soll dann Geld, was eigentlich für Investitionen in den
Klimaschutz hierzulande gedacht war, für den Kauf von Zertifikaten in
anderen Ländern benutzt werden. Das ist ein absurder Teufelskreis.»
KTF soll Investitionen und Entlastungen finanzieren
Der KTF ist ein staatlicher Sondertopf, der Investitionen in
Klimaschutz finanzieren soll, etwa beim Ausbau erneuerbarer Energien
oder beim klimaneutralen Umbau der Industrie. Zudem werden daraus
auch Entlastungen für Haushalte und Unternehmen bezahlt, etwa wegen
gestiegener Energiekosten.
Nach den Vorgaben der EU müssen die Mitgliedstaaten ihre jährlichen
Emissionsziele in Sektoren wie Verkehr, Gebäude oder Landwirtschaft
einhalten. Werden die Ziele verfehlt, müssen sie im Rahmen der
Europäischen Lastenteilungsverordnung (ESR) sogenannte
Emissionszertifikate von anderen EU-Staaten zukaufen, die ihre
Vorgaben übererfüllt haben.
Deutschland müsste bei Zielverfehlung rund 22 Milliarden zahlen
Für Deutschland zeichnet sich dabei eine erhebliche Lücke ab. Der
Expertenrat für Klimafragen geht davon aus, dass Deutschland bis 2030
insgesamt rund 224 Millionen Tonnen CO2 zu viel ausstoßen wird, um
die Ziele zu erreichen. Für jede zu viel ausgestoßene Tonne CO2
müsste Deutschland Zertifikate kaufen.
Bei einem realistischen Preis von 100 Euro pro Tonne CO2 müsste
Deutschland bis 2030 ungefähr 22 Milliarden Euro zahlen, sagt Knopf.
«Das wären im Schnitt für die Jahre 2026 bis 2030 etwas mehr als vier
Milliarden Euro pro Jahr.» Also fast die Hälfte jener zehn Milliarden
Euro, die der KTF jedes Jahr aus dem Sondervermögen erhalte.
Bis jetzt noch kein Geld für Zertifikate vorgesehen
Das Bundesfinanzministerium teilte mit, der Haushaltsposten «Ankauf
von Emissionszuweisungen nach der EU-Klimaschutzverordnung» sei aus
dem Kernhaushalt in den KTF überführt worden, «damit der KTF zugleich
einen Beitrag zur Aufstellung des Kernhaushaltes leistet».
Da Deutschland in den vergangenen Jahren unterhalb der zulässigen
CO2-Mengen gelegen habe, seien aktuell noch keine Mittel für den Kauf
von Zertifikaten vorgesehen, sagte ein Sprecher. Sofern in Zukunft
der Kauf von Zertifikaten erforderlich sein sollte, «werde über die
Finanzierung im Rahmen der jährlichen Haushaltsaufstellung zu
entscheiden sein».
Kritik aus den eigenen Reihen
Auch die Grünen kritisierten die Pläne des Finanzministeriums.
«Strafzahlungen für das Verfehlen von Klimazielen aus einem
Klimaschutztopf zu entrichten, ist eine weitere Pointe schwarz-roter
Anti-Klimaschutzpolitik», sagte Julia Verlinden, stellvertretende
Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion.
«Statt sich mehr anzustrengen, die Ziele zu erreichen, verringern sie
faktisch die Mittel für Klimaschutzprojekte, die uns auf Dauer
unabhängig machen würden von fossilen Kosten.» Verlinden forderte, es
sollten die Ministerien die Zahlungen leisten, die dafür
verantwortlich seien, «also Verkehrs-, Bau- und
Wirtschaftsministerium».
Zuvor hatte bereits der stellvertretende Vorsitzende der
Unionsfraktion, Andreas Jung, im «Spiegel» gesagt, es dürfe nicht der
Klima- und Transformationsfonds angezapft werden, sollte Deutschland
seine Klimaziele verfehlen. «Es müsste dann wegen der Zielverfehlung
mehr für Klima und Transformation gemacht werden, nicht weniger. Eher
müsste dann also Geld rein statt raus.»