Kiew warnt vor neuer russischer Großoffensive
30.08.2025 06:39
Moskau zeigt sich zufrieden mit dem Tempo seiner Eroberungen in der
Ukraine. Kiew befürchtet eine neue Großoffensive im Donbass. In der
Nacht greift Russland wieder mit Drohnen und Raketen an.
Kiew (dpa) - Nach Angaben aus Kiew plant Russland eine weitere große
Offensive im ostukrainischen Industriegebiet Donbass. Der Vorstoß
könne im Raum um die Stadt Pokrowsk erfolgen, warnte der ukrainische
Präsident Wolodymyr Selenskyj laut der Nachrichtenagentur Interfax
Ukraine bei einem Gespräch mit Medienvertretern. «Die Konzentration
(an Truppen) dort liegt bei bis zu 100.000, das ist das, was wir
heute Morgen haben», sagte er. Die russischen Truppen bereiteten den
Vorstoß vor. Aber die Ukraine sei darauf vorbereitet und die Lage
unter Kontrolle, sagte Selenskyj.
Erneut Kampfdrohnen und Raketen gegen ukrainische Städte
Das russische Militär griff unterdessen in der Nacht eine Reihe von
ukrainischen Städten mit Kampfdrohnen und Marschflugkörpern an. Vor
allem Saporischschja und Dnipro hatten die Angreifer diesmal im
Visier. Die beiden Städte wurden nach Medienberichten von schweren
Explosionen erschüttert. Auch aus Kiew und anderen Städten wurden
Angriffe mit Kamikaze-Drohnen gemeldet, die mit Sprengladungen
versehen ins Ziel gesteuert werden.
In Saporischschja wurde laut Militärverwalter Iwan Fedorow mindestens
ein Mensch getötet, außerdem gebe es mindestens 22 Verletzte. Einige
Wohngebäude seien nach Treffern in Brand geraten. Aus den anderen
angegriffenen Städten lagen zunächst keine Informationen über
mögliche Opfer oder Schäden vor.
Russen wollen Pokrowsk einnehmen
Im Fokus steht auch Pokrowsk - eine Bergarbeiterstadt im Süden der
Region Donezk, die vor dem Krieg rund 60.000 Einwohnern hatte. Nach
monatelanger Belagerung und ständigem Beschuss leben mittlerweile nur
noch wenige Menschen dort. Allerdings ist es den russischen Truppen
bislang nicht gelungen, den strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt
einzunehmen.
Eine Krise in diesem Frontabschnitt zu Monatsbeginn hat die Ukraine
inzwischen überwunden. Ein kilometerlanger Durchbruch der Russen
wurde gestoppt. Mit Gegenangriffen ist es den Verteidigern gelungen,
Teile der russischen Truppen zu isolieren.
Region Donezk für Putin wichtig
Die Region Donezk hat für die russische Kriegsführung Priorität. Bei
den jüngsten Gesprächen zwischen Kremlchef Wladimir Putin und
US-Präsident Donald Trump soll der Russe von Kiew die Aufgabe der
Region als Bedingung für ein Einfrieren des Frontverlaufs an anderer
Stelle gefordert haben.
Offiziell belegt ist die Forderung nicht, allerdings hatte Russland
den Krieg vor inzwischen dreieinhalb Jahren mit der Prämisse
begonnen, die damals nur zu einem kleinen Teil von prorussischen
Separatisten gehaltenen Regionen gänzlich von der Ukraine
abzuspalten. Erst später erweiterte der Kreml seine Gebietsansprüche
auch auf die im Süden der Ukraine gelegenen Regionen Cherson und
Saporischschja.
Russen verweisen auf große Geländegewinne
Zuletzt konnten russische Truppen vor allem im Süden der Region
Donezk Boden gutmachen. Inzwischen sind sie teilweise sogar in die
benachbarte Region Dnipropetrowsk vorgestoßen. Nach Darstellung des
russischen Verteidigungsministers Andrej Beloussow läuft Moskaus
Eroberungskrieg erfolgreich und hat zuletzt deutlich an Fahrt
gewonnen. «Wenn wir zu Jahresbeginn jeden Monat 300 bis 400
Quadratkilometer befreit haben, so sind es jetzt 600 bis 700», sagte
Beloussow bei einer Sitzung des Ministeriums. Zum Vergleich: Die
Stadt Hamburg hat eine Fläche von 755 Quadratkilometern.
Zufrieden zeigte sich Beloussow auch mit den russischen Luftangriffen
auf die Ukraine. In diesem Jahr seien bereits 35 solcher massiven
Luftschläge gegen 146 strategisch wichtige Objekte des Gegners
erfolgt. Dadurch sei die militärische Infrastruktur der Ukraine stark
geschwächt worden, sagte er. Erst am Vortag hatte Russland unter
anderem die Hauptstadt Kiew massiv beschossen - und dabei nach
jüngsten ukrainischen Angaben mindestens 25 Zivilisten getötet.
Beloussow zufolge belaufen sich die Verluste des ukrainischen
Militärs in diesem Jahr auf 340.000 Soldaten. Die Zahlen des
Ministers lassen sich nicht unabhängig überprüfen - und Angaben zu
eigenen Verlusten machte er nicht. In der Vergangenheit haben beide
Kriegsparteien zumeist gegnerische Verluste übertrieben und die
eigenen unter den Tisch gekehrt oder zumindest kleingeredet.
Verhandlungen stocken
Die russische Invasion läuft seit dreieinhalb Jahren. Inzwischen
kontrolliert Moskau einschließlich der bereits 2014 annektierten
Halbinsel Krim etwa ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets. Zwar
wurden im Mai erstmals seit drei Jahren wieder direkte Verhandlungen
zwischen den Kriegsparteien aufgenommen. Bislang gibt es aber keinen
Durchbruch.
Kiew wirft Moskau vor, die Verhandlungen zu verschleppen, um eine
militärische Entscheidung zu erzwingen. Selbst bei dem von Beloussow
genannten Tempo der Eroberungen würde es aber noch rund 60 Jahre
dauern, ehe das russische Militär den Nachbarstaat ganz eingenommen
hätte.
USA verkaufen Patriot-Luftabwehr an Dänemark
Die USA sind zur Lieferung mehrerer Patriot-Flugabwehrsysteme und
anderer Waffen an den Nato-Partner Dänemark bereit, der die Ukraine
im Abwehrkampf unterstützen will. Das Außenministerium in Washington
genehmigte den milliardenschweren Deal, der neben sechs
Abschussrampen auch Radar- und Leitsysteme sowie entsprechende
Raketen umfasst.
Dänemark und andere Nato-Mitglieder wollen die Ukraine im Krieg gegen
den Angreifer Russland mit hochmodernen Waffensystemen unterstützen.
Da Deutschlands nördlicher Nachbar selbst keine Patriot-Systeme
besitzt, muss Dänemark die Waffen in den USA kaufen.
Kiew hat seine westlichen Verbündeten in den vergangenen Monaten
wiederholt um Patriot-Flugabwehrsysteme gebeten, um ukrainische
Städte besser vor russischen Luftangriffen schützen zu können. Da die
USA selbst kein Geld für neue Waffenlieferungen an die Ukraine
ausgeben wollen, kaufen jetzt die Nato-Partner amerikanische Waffen
und reichen sie an die Ukrainer weiter.
Das wird am Samstag wichtig
Die Außenminister der EU-Staaten wollen an diesem Samstag (8.00 Uhr)
bei einem Treffen in Kopenhagen über den weiteren Umgang mit dem
Krieg in der Ukraine beraten. Dabei steht dabei die Frage im Raum,
mit welchen zusätzlichen Sanktionen der Druck auf Moskau verstärkt
werden könnte.