Deutschland will EU-Israel-Sanktionen nicht zustimmen Von Ansgar Haase, dpa

30.08.2025 11:46

Die EU-Staaten haben wegen der katastrophalen Lage in Gaza einen
Vorschlag für Strafmaßnahmen gegen Israel auf dem Tisch. Deutschland
macht nun seine Ablehnung deutlich. Partner sind frustriert.

Kopenhagen (dpa) - Deutschland wird geplanten EU-Sanktionen gegen
Israel vorerst nicht zustimmen. Die von der EU-Kommission
vorgeschlagene Einstellung von Zusammenarbeit im Rahmen des
Forschungsförderungsprogramms Horizon Europe sei eine Maßnahme, die
vermutlich keinen Einfluss auf die politische Willensbildung und auf
das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen hätte, erklärte
Außenminister Johann Wadephul bei einem EU-Treffen in der dänischen
Hauptstadt Kopenhagen. Deswegen sei man von diesen Vorschlägen nicht
so sehr überzeugt.

Wadephul verwies darauf, dass Deutschland stattdessen
Waffenlieferungen an Israel einschränke. «Ich glaube, das ist eine
sehr gezielte Maßnahme, die sehr wichtig ist und die sehr notwendig
ist», sagte der CDU-Politiker. Sie treffe nämlich das militärische
Engagement. Die Wissenschaftskooperation sei dagegen sinnvoll.

Vertreter anderer EU-Staaten äußerten allerdings deutliches
Unverständnis über die Ablehnung des Kommissionsvorschlages. Der
spanische Außenminister José Manuel Albares sagte in Kopenhagen, die
EU könne ihre Beziehungen zu Israel nur auf der Grundlage der
Menschenrechte gestalten. Wenn es wie von der EU-Kommission
festgestellt, massive Verletzungen gebe, müsse man handeln. In Gaza
seien Tausende Palästinenser durch eine von Israel verursachte
Hungersnot dem Tod ausgesetzt sind. «Wir sprechen von Kindern, von
Babys. Das ist inakzeptabel», sagte er. 

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas warnte zudem vor den Folgen eines
Scheiterns des «ziemlich milden» Kommissionsvorschlages. «Wenn wir
gespalten sind, haben wir keine einheitliche Stimme, und wenn wir
keine einheitliche Stimme haben, dann haben wir zu diesem Thema auch
keine Stimme auf der globalen Bühne. Das ist definitiv sehr
problematisch», sagte sie.

EU-Kommission sieht eklatantes Fehlverhalten Israels

Die EU-Kommission hatte Ende Juli vorgeschlagen, die Beteiligung
Israels am Forschungsförderungsprogramm Horizon Europe unverzüglich
teilweise auszusetzen. Damit soll der Druck auf das Land erhöht
werden, eine bessere humanitäre Versorgung der notleidenden Menschen
im abgeriegelten Gazastreifen zu ermöglichen, wo Israel die
islamistische Hamas bekämpft. Israelischen Unternehmen könnten durch
die Strafmaßnahme den Zugang zu Zuschüssen in Millionenhöhe
verlieren.

Im Detail sieht der Sanktionsvorschlag vor, israelischen
Einrichtungen vorerst nicht mehr an bestimmten Projekten teilnehmen
zu lassen, die über den Europäischen Innovationsrat (EIC) finanziert
werden. Getroffen würden demnach zum Beispiel Start-ups und kleine
Unternehmen, die im Bereich Cybersicherheit, Drohnen und künstliche
Intelligenz arbeiten. Die Teilnahme israelischer Universitäten und
Forscher an Kooperationsprojekten und Forschungsaktivitäten im Rahmen
von Horizon bleibe von der vorgeschlagenen Maßnahme unberührt, hieß
es.

Zur Begründung heißt es in dem Entwurf für den Rechtstext, Israel
verstoße mit seinem Vorgehen im Gazastreifen und der daraus
resultierenden humanitären Katastrophe gegen die Menschenrechte und
das humanitäre Völkerrecht. Damit werde ein wesentliches Prinzip der
Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel im Rahmen des geltenden
Assoziierungsabkommens verletzt. Ausdrücklich erwähnt werden auch
Tausende zivile Todesopfer und eine rasant steigende Zahl von Fällen
extremer Unterernährung, insbesondere bei Kindern. Israel verteidigt
sein Vorgehen hingegen als notwendige Reaktion. Israel verlangt eine
Freilassung aller Geiseln. Ein weiteres Ziel ist, die
Terrororganisation Hamas zu entmachten und zu entwaffnen. 

Spielt die innenpolitische Debatte eine Rolle?

Ob der Sanktionsvorschlag der EU-Kommission umgesetzt werden kann,
hängt davon ab, ob er im Rat der Mitgliedstaaten die Unterstützung
einer sogenannten qualifizierten Mehrheit bekommt. Konkret müssten
dafür 15 der 27 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens
65 Prozent der Bevölkerung der teilnehmenden Mitgliedstaaten
repräsentieren. Zuletzt fehlte lediglich noch die Unterstützung von
Deutschland oder Italien. Alle anderen großen EU-Staaten und viele
kleinere sind für die Strafmaßnahme.

In der EU-Kommission wurde zuletzt vermutet, dass auch die intensive
innenpolitische Diskussion in Deutschland Auswirkungen auf die
Positionierung der Bundesregierung zu dem Sanktionsvorschlag haben
könnte. So war Bundeskanzler Friedrich Merz zuletzt sogar aus den
eigenen Reihen scharf kritisiert worden, nachdem er angekündigt
hatte, Deutschland werde keine Rüstungsgüter mehr exportieren, die im
Gazastreifen eingesetzt werden könnten. So sprach der
CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter von einem «schweren
politischen und strategischen Fehler Deutschlands».