Schärfere EU-Regeln: Thüringer Kläranlagen vor teurem Umbau

31.08.2025 06:00

Wer zahlt für die neuen EU-Vorgaben? Betreiber rechnen mit steigenden
Gebühren, doch auch Pharmafirmen sollen laut Richtlinie einen
Großteil der Kosten tragen - dagegen wird geklagt.

Brüssel/Sonneberg/Erfurt (dpa/th) - Schärfere EU-Grenzwerte machen
für Betreiber von Kläranlagen in Thüringen Investitionen von rund 200

Millionen Euro nötig. Bis 2045 müssten die Betreiber in die
verbesserte Reinigung von Abwasser investieren, sagte Bernd Hubner,
Thüringer Landesvorsitzender der Vereinigung für Wasserwirtschaft,
Abwasser und Abfall, der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Grund
sind die verschärften Grenzwerte für sogenannte Mikroverunreinigungen
- insbesondere Medikamentenrückstände und Kosmetika - in der zu
Beginn des Jahres in Kraft getretenen EU-Kommunalabwasserrichtlinie. 

Diese sieht vor, dass Kläranlagen in einer «Ausbaugröße größer

150.000 Einwohnerwerte» binnen der nächsten zwanzig Jahre
schrittweise mit einer sogenannten vierten Reinigungsstufe
ausgestattet werden. Außerdem nötig werde der Ausbau nach Hubners
Einschätzung bei rund 30 weiteren kleineren Thüringer Kläranlagen,
die in sensible Gewässer - etwa Trinkwassereinzugsgebiete oder
Badegewässer - einleiten. Mit der zusätzlichen Reinigungsstufe sollen
in einem aufwendigen Verfahren im Abwasser verbliebene Spurenstoffe -
etwa von Insulinpräparaten und anderen Medikamenten - aus dem
Abwasser entfernt werden. Mit den bisherigen Methoden ist das nicht
möglich. 

Experte erwartet, dass Gebühren steigen müssen

Keiner der Aufgabenträger verfüge über die nötigen Mittel für sol
che
Investitionen, sagte Hubner, der zugleich Werkleiter der Wasserwerke
Sonneberg ist. «Der Eigenmittelbedarf muss über Kredite finanziert
und mittels Gebühren und Entgelte über die Abschreibungsdauer
refinanziert werden. Das erfolgt dann über eine Erhöhung der Gebühren

und Entgelte.» Hinzu komme weiterer Investitionsbedarf, da die neue
EU-Richtlinie auch fordert, 70 Prozent der nötigen Energie für
größere Kläranlagen mit Erneuerbaren abzudecken. 

Wie viel der Kosten tatsächlich die Anlagenbetreiber und
Gebührenzahler aufbringen müssen, ist noch strittig. Denn die
EU-Richtlinie sieht auch vor, dass 80 Prozent der Kosten für
Errichtung und Betrieb der neuen Reinigungsanlagen von den
Pharmaunternehmen getragen werden sollen. Dagegen klagen die
Unternehmen aktuell vor dem Europäischen Gerichtshof. 

Bayer-Konzern: Medikamentenbelastung durch Produktion gering

In Thüringen produziert der Pharmakonzern Bayer an seinem Standort in
Weimar nach eigenen Angaben mit 570 Mitarbeitern «hormonhaltige,
feste Arzneiformen». Nur ein geringer Teil der Mikroverunreinigungen
entstamme allerdings der Produktion von Arzneimitteln, erklärt das
Unternehmen auf dpa-Anfrage. «Medikamentenrückstände gelangen
hauptsächlich über die Toilette ins Abwasser», so eine Sprecherin.
Das geschehe durch Ausscheidungen aber auch durch unsachgemäße
Entsorgung. 

In Weimar werde das Abwasser des Bayer-Standortes im Werk
vorbehandelt und anschließend in die städtische Kläranlage
eingeleitet. Das sei behördlich genehmigt. Zudem würden regelmäßi
g
Abwasserproben genommen und durch ein externes, unabhängiges und
zugelassenes Messlabor überprüft.