Botschaft an Trump: EU startet Abstimmung über Mercosur-Deal Von Ansgar Haase, dpa

03.09.2025 14:14

Die EU und südamerikanische Staaten wollen eine der größten
Freihandelszonen der Welt bilden und so auch eine Botschaft an
Washington setzen. Wirtschaftsvertreter sprechen von einer «letzten
Chance».

Brüssel (dpa) - In der EU beginnt das finale Abstimmungsverfahren
über die geplante riesige Freihandelszone mit dem südamerikanischen
Staatenbündnis Mercosur. Die EU-Kommission leitete die Vertragstexte
für die Vereinbarungen mit den Ländern Brasilien, Argentinien,
Uruguay und Paraguay jetzt an die Regierungen der EU-Staaten und das
Europäische Parlament weiter. Die Brüsseler Behörde hofft, dass diese

spätestens bis Jahresende zustimmen und damit den endgültigen
Abschluss des Abkommens ermöglichen.

Die neue Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnern wäre
nach Angaben der EU-Kommission die weltweit größte dieser Art und
soll auch ein Zeichen gegen die protektionistische Zollpolitik von
US-Präsident Donald Trump setzen. Geplant ist, Zölle und
Handelsbarrieren zwischen der EU und den Mercosur-Staaten
weitestgehend abzubauen.

Die EU-Kommission schätzt, dass das Abkommen die jährlichen
EU-Exporte nach Südamerika um bis zu 39 Prozent (49 Milliarden Euro)
steigern kann - und damit mehr als 440.000 Arbeitsplätze in ganz
Europa unterstützt. Besonders große Chancen werden für die
Autoindustrie, den Maschinenbau und die Pharmabranche gesehen. Auf
Autoimporte in die Mercosur-Länder wird beispielsweise derzeit ein
Zoll in Höhe von 35 Prozent fällig.

Kein Vetorecht bei Zollregeln 

Das Abkommen wurde so angelegt, dass der Handelsteil mit den neuen
Zollregelungen per Mehrheitsentscheidung beschlossen und auch nicht
von nationalen Parlamenten verhindert werden kann. So will die
Kommission verhindern, dass die geplante Freihandelszone am
Widerstand einzelner Mitgliedstaaten scheitert. Ein Vetorecht hätten
einzelne Mitgliedstaaten dann nur noch bei den geplanten
Vereinbarungen zum politischen Dialog und zur Kooperation. Das
gleiche Vorgehen ist auch für eine vorgesehene Ergänzung des bereits
bestehenden Handelsabkommens mit Mexiko geplant. Für sie wurde nun
ebenfalls das Abstimmungsverfahren gestartet. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von wichtigen
Meilensteinen für die wirtschaftliche Zukunft der EU. «Wir
diversifizieren unseren Handel weiter, fördern neue Partnerschaften
und schaffen neue Geschäftsmöglichkeiten», sagte sie. EU-Unternehmen

und der europäische Agrar- und Lebensmittelsektor würden unmittelbar
von niedrigeren Zöllen und geringeren Kosten profitieren, was zu
Wirtschaftswachstum und Beschäftigung beitrage. Die
EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas betonte, dass das Abkommen auch ein
Schlüssel für mehr globalen Einfluss Europas sei.

Die EU-Kommission hatte die Verhandlungen über das Mercosur-Abkommen
im vergangenen Dezember trotz anhaltender Kritik aus Ländern wie
Frankreich abgeschlossen. Zuletzt brachte der Zollstreit der EU mit
den USA noch einmal neue Dynamik in den Prozess. Viele Länder wollen
jetzt zeigen, dass die Zeiten des fairen Handels nicht vorbei sind -
zu ihnen gehört insbesondere auch Deutschland.

Sorge vor Preiskampf in der Landwirtschaft

Kritiker der Pläne befürchten allerdings, dass europäische Landwirte

in einen gnadenlosen Preiskampf gezwungen werden könnten und die
Regenwaldzerstörung in Südamerika befeuert wird. Die EU-Kommission
und die Bundesregierung sehen das als Panikmache. So betont die
Brüsseler Behörde etwa, dass wegen Mengenbegrenzungen nur ein Teil
der Agrareinfuhren aus den Mercosur-Staaten von dem Abkommen
profitieren wird. Bei Rindfleisch liege das Limit beispielsweise bei
1,5 Prozent der EU-Produktion, bei Geflügel bei 1,3 Prozent.

Zudem schlägt die EU-Kommission den Mitgliedstaaten den Aufbau eines
Sicherheitsnetzes gegen unerwartete Marktstörungen vor. Es soll unter
anderem aus einem 6,3 Milliarden Euro schweren Topf für
Krisenmaßnahmen bestehen.

Vertreter der deutschen Wirtschaft appellierten an die politischen
Entscheidungsträger, das Abkommen nun schnell abzuschließen. «Dies
ist Europas historische und zugleich letzte Chance, im
südamerikanischen Markt als gleichberechtigter Partner aufzutreten»,
kommentierte etwa der Präsident des Bundesverbandes Großhandel,
Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura. Wer jetzt noch
zögere, opfere Arbeitsplätze und Wohlstand in Europa zugunsten
politischer Partikularinteressen.