Seenotretter erstatten nach Schüssen im Mittelmeer Anzeige
05.09.2025 15:34
Warnschüsse oder ein gezielter Angriff? Nach mutmaßlichen Schüssen
auf ihr Rettungsschiff erstattet SOS Méditerranée Anzeige in Italien.
Die NGO fordert auch von der EU Rechenschaft.
Tripolis/Marseille/Brüssel (dpa) - Nach den mutmaßlichen Schüssen auf
ein Schiff der europäischen Hilfsorganisation SOS Méditerranée hat
die NGO in Italien Strafanzeige erstattet - und weitere rechtliche
Schritte angekündigt. «Wir werden auf allen Ebenen Rechenschaft
einfordern», sagte eine Sprecherin der Organisation bei einer
digitalen Pressekonferenz. Dabei gehe es nicht nur um die Schützen,
sondern auch um die europäischen Staaten und ihre Institutionen. Die
EU trage wegen ihrer Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache
eine Mitverantwortung, fügte sie hinzu.
Das Rettungsschiff «Ocean Viking» soll nach Angaben von SOS
Méditerranée in internationalen Gewässern von der libyschen
Küstenwache beschossen worden sein. Der Angriff habe am
Sonntagnachmittag rund 40 Seemeilen nördlich der libyschen Küste
stattgefunden und etwa 20 Minuten gedauert, teilten die Seenotretter
mit. Das Rettungsschiff war demnach gerade auf der Suche nach einem
in Not geratenen Boot gewesen. An Bord befanden sich den Angaben
zufolge bereits 87 Gerettete. Verletzt wurde niemand.
NGO: Beschuss trotz geändertem Kurs und abgebrochener Suche
Die Küstenwache habe sie aufgefordert, nach Norden abzudrehen, sagte
die Sprecherin von SOS Méditerranée. Trotz der abgebrochenen Suche
und der gewünschten Kursänderung habe die Küstenwache dann das Feuer
eröffnet, sagte die Sprecherin.
Die NGO präsentierte auf der Pressekonferenz erneut ein Video, das
auch den Funkverkehr zwischen Libyens Küstenwache und der Crew des
Schiffs dokumentieren soll. In den Aufnahmen sind Schüsse und der
Funkspruch «Mayday, Mayday, Mayday» zu hören. Auf Bildern sind
Einschusslöcher zu sehen - über 100 habe man am Schiff entdeckt,
sagte die Sprecherin.
Ein Sprecher der libyschen Küstenwache hatte den Vorfall mit der
«Ocean Viking» bestätigt, sprach aber lediglich von Warnschüssen in
die Luft. Die italienische Staatsanwaltschaft hatte zuvor bereits
Ermittlungen wegen des Vorfalls ankündigt.
EU-Kommission wartet Untersuchung libyscher Behörden ab
Ein Sprecher der EU-Kommission teilte auf Anfrage mit, dass Vertreter
der EU die libyschen Behörden aufgefordert hätten, ihren nationalen
und internationalen Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen.
Die libyschen Behörden untersuchten den Vorfall. «Wir warten auf die
Ergebnisse dieser Untersuchungen, um eine weitere Bewertung vornehmen
zu können», hieß es in der Stellungnahme.