Deutschland bei Asylanträgen nicht mehr auf Platz eins
08.09.2025 10:51
Seit 2012 lag die Bundesrepublik innerhalb der EU jedes Jahr vorn.
Jetzt stehen Frankreich und Spanien an der Spitze. Nach dem
Machtwechsel in Syrien gehen die Zahlen insgesamt deutlich zurück.
Valletta (dpa) - Deutschland liegt zum ersten Mal seit mehr als einem
Jahrzehnt in Europa nicht mehr an der Spitze der Länder mit den
meisten neuen Asylanträgen. Im ersten Halbjahr gingen nach Angaben
der EU-Asylagentur bei den deutschen Behörden 70.000 Anträge von
Neuankömmlingen ein. Damit liegt die Bundesrepublik innerhalb der EU
auf Platz drei hinter Frankreich (78.000) und Spanien (77.000).
Der Rückgang wird von der Agentur insbesondere darauf zurückgeführt,
dass nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad im Dezember nicht
mehr so viele Menschen aus Syrien flüchten. Die Zahl der neuen
Asylbewerber innerhalb der Europäischen Union sowie den
Nicht-Mitgliedsländern Norwegen und Schweiz ging auch insgesamt
zurück. Die EU-Asylagentur EUAA hat ihren Sitz auf Malta.
Minus 43 Prozent in Deutschland
Von Januar bis Ende Juni wurden in der Staatengruppe aus 29 Ländern
(EU+) insgesamt 399.000 neue Anträge registriert. Im Vergleich zum
ersten Halbjahr 2024 bedeutet dies ein Minus von 114.000
beziehungsweise 23 Prozent. Auf Platz vier hinter Frankreich, Spanien
und Deutschland ist nun Italien (64.000 neue Anträge). Seit 2012 lag
die Bundesrepublik in dieser Statistik durchgängig an der Spitze.
Mit Ausnahme von Frankreich gingen die Zahlen in allen großen
Zielländern zurück: am deutlichsten in Deutschland (minus 43
Prozent), aber auch in Italien (minus 25 Prozent) und Spanien (minus
13 Prozent). Von den Asylbewerbern aus Venezuela stellten fast alle
ihren Antrag in Spanien, wo die gleiche Sprache gesprochen wird.
Großbritannien ist nach seinem Austritt aus der EU in dieser
Statistik nicht mehr dabei.
Meiste Neuankömmlinge aus Venezuela
Der Sturz des syrischen Machthabers al-Assad im vergangenen Dezember
wirkte sich auch auf die Gesamtzahl aus. Erstmals seit einem
Jahrzehnt kamen die meisten neuen Asylbewerber (25.000) nicht mehr
aus Syrien, sondern jetzt aus Venezuela (49.000) in Südamerika. Aus
Afghanistan beantragten 42.000 Menschen neu Asyl.
Der Umgang mit Migranten gehört seit Jahrzehnten zu den großen
Streitthemen der europäischen Politik. Die EU arbeitet inzwischen mit
nordafrikanischen Staaten zusammen, um Migranten von der Flucht nach
Europa abzuhalten. Bei Versuchen, mit oft kaum seetüchtigen Booten
das Mittelmeer zu überqueren, kommt es immer wieder zu tödlichen
Katastrophen.
EU-Kommissar Magnus Brunner bezeichnete den Rückgang in Brüssel als
«Ergebnis einer konsequenteren Politik». Durch effizientere Verfahren
könnten Anträge mit geringen Chancen jetzt schneller geprüft werden.
Jetzt müsse die Zusammenarbeit mit sogenannten Drittstaaten
verbessert werden, «damit Rückführungen tatsächlich funktionieren u
nd
unsere Asylsysteme entlastet werden».
Nur jeder vierte Antrag wird anerkannt
Die sogenannte Anerkennungsquote ging nach Angaben der Agentur auf
den niedrigsten je gemessenen Stand zurück: Nur jeder vierte
Erstantrag (25 Prozent) wurde bewilligt. Gleichwohl gibt es einen
riesigen Berg an Anträgen, der noch abgearbeitet werden muss: Ende
Juni war über mehr als 900.000 Anträge in erster Instanz bisher nicht
entschieden. Weil Widerspruch möglich ist, stehen insgesamt etwa 1,3
Millionen Entscheidungen aus.