Von der Leyens Pläne: «Europa muss kämpfen» von den Brüsseler dpa-Korrespondentinnen und -Korrespondenten
10.09.2025 13:24
Von Israel bis Social Media: EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen
hat für ihre Rede zur Lage der EU einige Ankündigungen mitgebracht.
Sie will für Europa kämpfen - und für sich?
Straßburg (dpa) - Handelsdeal mit den USA, Umgang mit Israel,
ächzende Wirtschaft: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
hat zuletzt stark unter Druck gestanden. Im Juli musste sie sich
sogar einem Misstrauensvotum stellen. In ihrer ersten Rede zur Lage
der EU in ihrer zweiten Amtszeit im Europaparlament in Straßburg
kündigt sie nun zahlreiche neue Initiativen an und sagt: «Europa muss
kämpfen». Ein Überblick:
Kein Geld mehr von EU-Kommission an Israel
Wegen Israels Vorgehen im Gazastreifen setzt die EU-Kommission ihre
Unterstützung für das Land aus. Man werde alle entsprechenden
Zahlungen stoppen, kündigt die Kommissionspräsidentin an. Es solle
allerdings keine Auswirkungen für die Arbeit mit der israelischen
Zivilgesellschaft oder der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geben.
Weiterhin will die Brüsseler Behörde den Mitgliedsländern Sanktionen
gegen extremistische Minister und gegen gewalttätige Siedler
vorschlagen und empfehlen, in einem Partnerschaftsabkommen enthaltene
Handelsvereinbarungen auszusetzen.
Drohnen-Allianz mit Ukraine
Für eine Allianz mit der Ukraine zur Produktion von Drohnen plant die
EU sechs Milliarden Euro bereitzustellen, so die deutsche
Politikerin. Das Geld solle aus einem Darlehen kommen, das über
Zinserträge aus der Verwahrung von eingefrorenen russischen Vermögen
zurückgezahlt wird.
Plan für kleine und bezahlbare Autos
Die europäische Autoindustrie steht unter Druck. Gemeinsam mit der
Wirtschaft will von der Leyen daher eine Initiative für kleine,
bezahlbare Autos ins Leben rufen. «Millionen Menschen in Europa
wollen bezahlbare europäische Autos kaufen», sagt sie. Daher sollte
auch in kleine, günstige Fahrzeuge investiert werden, sowohl für den
europäischen Markt als auch für die weltweite Nachfrage. Bislang
bieten vor allem Firmen aus China deutlich günstigere E-Autos an und
machen europäischen Konzernen damit Konkurrenz.
Altersgrenze in sozialen Medien
Die CDU-Politikerin plädiert für eine Altersgrenze in den sozialen
Medien. Bis Ende des Jahres werde sie eine Expertengruppe damit
beauftragen, über das beste Vorgehen für Europa zu beraten, sagt von
der Leyen. Eltern sorgten sich um ihre Kinder, etwa wegen der
Algorithmen, die die Schwächen von Minderjährigen ausnutzten, um sie
süchtig zu machen.
Energieinfrastruktur verbessern
Weiterhin kündigt die Kommissionspräsidentin ein Paket an, mit dem
Europas Netzinfrastruktur verbessert und Genehmigungsverfahren
beschleunigt werden sollen. Mit einer neuen Initiative für
Energieautobahnen sollen darüber hinaus Engpässe in der
Energieinfrastruktur «vom Öresund bis zur Straße von Sizilien»
beseitigt werden.
Von der Leyen verteidigt Trump-Abkommen
Im Sommer hatten sich von der Leyen und US-Präsident Trump auf ein
Handelsabkommen geeinigt. Kritiker werfen ihr vor, Trump zu
weitreichende Zugeständnisse gemacht zu haben. Von der Leyen sagt
nun, sie verstehe die ersten Reaktionen, betont aber auch: «Wir haben
das Bestmögliche für Europa herausgeholt.» Ein Handelskrieg hätte
weitaus schlimmere Konsequenzen gehabt.
Reaktionen der Parlamentarier
Während der Rede erntet von der Leyen viel Applaus - Buhrufe sind vor
allem von rechts zu hören. Weitgehende Unterstützung bekommt von der
Leyen nur aus ihrer eigenen Parteienfamilie. EVP-Chef Manfred Weber
etwa lobt die Arbeit der Kommission. Es seien viele gute Projekte auf
den Weg gebracht worden. Zwar sei nicht alles perfekt, aber: «Es ist
viel passiert.»
Er kündigt zudem Unterstützung für den Handelsdeal mit den USA an,
nutzt seine Redezeit aber auch für Angriffe gegen die
sozialdemokratische Fraktion S&D. Deren Fraktionsvorsitzende Iratxe
García bezeichnet Weber daraufhin als Problem für die
Zusammenarbeit.
Eigentlich kooperieren die beiden größten Fraktionen im
Europaparlament. Sie hatten gemeinsam mit anderen proeuropäischen
Gruppen eine Mehrheit für von der Leyens zweite Amtszeit auf die
Beine gestellt.
Liberale und Grüne appellieren, dass von der Leyen ihren Worten nun
auch Taten folgen lassen müsse. Vehemente Kritik an der Politik der
Kommissionspräsidentin kam aus den rechten Fraktionen PfE und ESN.
Der Co-Vorsitzende der Linken-Fraktion, Martin Schirdewan, forderte
von der Leyens Rücktritt.