EZB hält Zinsen stabil - Sorgen um Frankreichs Schulden Von Jörn Bender und Alexander Sturm, dpa

11.09.2025 15:47

Die EZB hält in unsicheren Zeiten am Leitzins von 2,0 Prozent fest.
Was das für Kredite, Sparzinsen und den Alltag der Verbraucher
bedeutet - und warum Frankreich plötzlich große Sorgen macht.

Frankfurt/Main (dpa) - In politisch unsicheren Zeiten lässt die
Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen im Euroraum unverändert.
Der für Banken und Sparer wichtige Einlagenzins bleibt bei 2,0
Prozent.

Schon im Juli hatte die EZB die Leitzinsen nicht angetastet - nicht
zuletzt wegen des «außergewöhnlich unsicheren Umfelds» im Zollstrei
t
mit den USA, wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde damals betonte.
Nun hat Europa es mit einer Regierungskrise in Frankreich zu tun. 

Nach der Sitzung des EZB-Rates in Frankfurt ging Lagarde nicht näher
auf die Lage in Frankreich ein, wo erst am Montag die Regierung im
Streit über Sparmaßnahmen zerbrochen war. Die Französin äußerte
lediglich allgemein die Hoffnung, dass politische Entscheidungsträger
alles tun werden, um «Unsicherheit so weit wie möglich reduzieren».

Bangen wegen Schuldenkrise in Frankreich

Die Sorge ist groß, dass Frankreichs Verschuldung außer Kontrolle
geraten könnte. An den Finanzmärkten wird bereits spekuliert, ob die
EZB die zweitgrößte Euro-Volkswirtschaft mit Staatsanleihenkäufen
stützen würde. 

Für Frankreich werden neue Schulden immer teurer: Die
Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen sind deutlich
gestiegen, die Rendite zehnjähriger Anleihen liegt über der von
Wertpapieren aus Griechenland. 

Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Deutschlands Nachbarland mit
114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach
Griechenland und Italien. Frankreichs Haushaltsdefizit lag zuletzt
mit 5,8 Prozent weit über dem europäischen Grenzwert von 3,0 Prozent
der Wirtschaftsleistung.

Stützt die EZB Frankreich mit Anleihekäufen? 

Die EZB stellte klar, dass sie über Instrumente wie TPI
(«Transmission Protection Instrument») verfüge, «um
ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken». Im
Rahmen dieses Programms könnte die EZB unbegrenzt Anleihen einzelner
Eurostaaten kaufen. Gedacht ist das Instrument für den Fall, dass die
Zinsen für Wertpapiere eines Eurostaates durch Finanzspekulation
unverhältnismäßig stark hochschnellen.

Wenn eine Notenbank in großem Stil Staatsanleihen kauft, muss der
betroffene Staat nicht so hohe Zinsen für Wertpapiere bieten und
kommt günstiger an frisches Geld. Schon in der Euro-Schuldenkrise ab
2010 und ab 2015 im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche
steckte die EZB Milliarden in Anleihenkäufe. Kritiker halten dies für
Staatsfinanzierung mit der Notenpresse.

EZB in Lauerstellung

Im weiterhin unsicheren Umfeld wartet die Notenbank nach einer Serie
von Zinssenkungen lieber ab. Zuvor hatte die EZB die Leitzinsen
achtmal binnen eines Jahres herabgesetzt. Noch im Frühjahr 2024 lag
der Einlagenzins, den Banken erhalten, wenn sie Geld bei der EZB
parken, bei 4,0 Prozent.

Viele Ökonomen erwarten, dass die EZB die Zinsen in diesem Jahr nicht
mehr antasten wird. Denn die ausufernde Inflation ist unter
Kontrolle: Im August lag die Teuerungsrate im Euroraum mit 2,1
Prozent im Zielbereich der EZB. Einen solchen Wert nur knapp über
ihrem Preisstabilitätsziel von 2,0 Prozent erwartet die Notenbank
auch für das Gesamtjahr 2025. Noch im Oktober 2022 hatte die Teuerung
im Zuge des Ukraine-Krieges auf mehr als zehn Prozent angezogen.

Wirtschaft trotzt Trumps Zöllen

Zudem erweist sich die Wirtschaft im Euroraum trotz höherer US-Zölle
als robust. Für das laufende Jahr erwartet die EZB inzwischen 1,2
Prozent Wachstum. Immer mehr Volkswirte sind überzeugt, dass die
Serie von Zinssenkungen beendet ist. «Damit die EZB die Zinsen
nochmal senkt, müsste schon ein Konjunktureinbruch oder ein
gravierendes Ereignis her», meint Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich
Kater. 

Zwar bleibt US-Präsident Donald Trump unberechenbar, doch das
Szenario einer Eskalation im Zollstreit und einem Schock für die
Wirtschaft blieb aus. Seit der Einigung zwischen der EU und den USA
habe die Unsicherheit im Handel «deutlich abgenommen», sagte Lagarde.

Niedrigere Zinsen stützen die Wirtschaft, da Kredite für Unternehmen
und Verbraucher damit tendenziell günstiger werden. Sparer sind
dagegen im Nachteil: Bekommen Banken weniger Zinsen für bei der EZB
geparkte Gelder, senken sie meist die Tages- und Festgeldzinsen für
ihre Kundenschaft.

Etwas höhere Zinsen für Sparer

Doch das Vergleichsportal Verivox sieht eine Trendwende: Erstmals
seit Februar 2024 seien die Durchschnittszinsen bundesweit
verfügbarer Tagesgeldangebote gestiegen auf zuletzt 1,28 Prozent.
Auch beim Festgeld kletterten die Zinsen über alle Laufzeiten wieder.

Michael Heise, Chefökonom beim Vermögensverwalter HQ Trust, sieht
gute Nachrichten für Sparer: «Die Einlagenzinsen der Banken dürften
in diesem Jahr kaum noch weiter sinken, sondern stabil bleiben.»