Deutschland wirbt für restriktivere Visavergabe an Russen Von Ansgar Haase, dpa

12.09.2025 15:45

Dass reiche Russen trotz des Ukraine-Krieges Luxusurlaube oder
Shopping-Touren in EU-Staaten machen können, ist vielen Menschen ein
Dorn im Auge. Könnte sich an der aktuellen Lage bald etwas ändern?

Brüssel (dpa) - Die Bundesregierung wirbt im Zuge der laufenden
EU-Planungen für ein neues Paket mit Russland-Sanktionen auch für
eine restriktivere Vergabe von Einreiseerlaubnissen in den
Schengenraum. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird in
einem Positionspapier die vollständige Umsetzung von 2022
veröffentlichten Leitlinien der EU-Kommission gefordert. Mit diesen
sollte die Vergabe von Visa an russische Staatsbürger für
touristische Reisen oder Shoppingtouren in EU-Staaten eigentlich
schon längst stark eingeschränkt werden.

Jüngste Zahlen zeigen, dass dies offensichtlich nicht passiert. So
wurden nach EU-Daten im vergangenen Jahr durch Konsulate in Russland
rund 542.000 Visa für Kurzzeitaufenthalte in EU-Ländern oder in
anderen Schengenstaaten wie der Schweiz erteilt. Das waren zwar
deutlich weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019, aber rund ein Fünftel
mehr als noch 2023.

Die Entwicklung sorgt vor allem in östlichen EU-Staaten für Frust.
Dort wird seit langem kritisiert, dass es nicht sein könne, dass
reiche, von der Regierung unter Kremlchef Wladimir Putin
profitierende Russen an Mittelmeerstränden von EU-Staaten in der
Sonne liegen, während in der Ukraine zahllose Menschen durch den
russischen Angriffskrieg sterben.

Südliche EU-Staaten in der Kritik

Der Blick richtet sich dabei insbesondere auf südliche EU-Staaten, in
denen Russen besonders gerne Urlaub machen. Die italienischen
Konsulate in Russland vergaben 2024 beispielsweise mehr als 152.000
Schengen-Visa, was einem Plus von etwa 12 Prozent gegenüber 2023
entspricht. Französische Konsularbeamte stellten in Russland zuletzt
rund 124.000 Visa aus, spanische etwa 111.000 und griechische knapp
60.000.

Zum Vergleich: Die deutschen Konsulate in Russland bewilligten 2024
lediglich rund 17.000 Anträge auf Schengen-Visa für Kurzaufenthalte.
Dies waren rund 2.000 weniger als noch im Vorjahr und viel weniger
als im Vor-Corona-Jahr 2019, als es noch fast 326.000 waren.

In den genannten EU-Zahlen sind zwar Langzeitvisa und in Drittstaaten
vergebene Visa an russische Staatsbürger nicht enthalten. Nach
Angaben von Diplomaten sind sie allerdings gute Vergleichsdaten. Die
Gesamtzahl der 2024 von Deutschland an russische Staatsbürger
vergebenen Schengen-Visa wurde zuletzt mit rund 27.300 angegeben.
Hinzu kamen noch etwa 11.300 nationale Visa für Langzeitaufenthalte,
die etwa für Studien- oder Arbeitsaufenthalte notwendig sind.

«Sehr strikter Ansatz» wird bereits seit 2022 gefordert

Begründen lässt sich eine restriktivere Visavergabe vor allem mit dem
Ziel, die touristische Einreise von Russen zu unterbinden, die sich
für die Interessen der russischen Regierung einsetzen oder sogar
Kriegspropaganda verbreiten. Formal könnte sie über eine Neuregelung
oder eine konsequentere Anwendung der bestehenden Leitlinien der
EU-Kommission aus dem Jahr 2022 zustande kommen. 

In ihnen heißt es etwa, «in Bezug auf russische Staatsangehörige, die

als Touristen reisen, ist ein sehr strikter Ansatz gerechtfertigt, da
es bei touristischen Reisen im Vergleich zu anderen Reisezwecken
(Geschäftsreise, Familienbesuch oder Arzttermin) schwieriger ist, die
Begründung der Reise zu beurteilen».

Die Bundesregierung wollte sich zu dem EU-internen Positionspapier
zunächst nicht äußern. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, Deutschl
and
habe die Kriterien für die Visavergabe an russische Staatsangehörige
bereits zu Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine
verschärft. Dies gelte sowohl für nationale Visa als auch im Einklang
mit den EU-Leitlinien für Schengen-Visa. Bei letzteren habe die
2024er-Zahl um mehr als 90 Prozent unter der des Jahres 2019 gelegen.

Andere EU-Staaten gehen allerdings bereits deutlich weiter. So haben
etwa Polen sowie die baltischen Staaten Lettland, Estland und Litauen
die Vergabe von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen an Russen
weitgehend ausgesetzt.

Behörde von Ursula von der Leyen hat Vorschlagsrecht

Einen konkreten Vorschlag für das weitere Vorgehen bei der
Visavergabe durch EU-Staaten könnte die Europäische Kommission
vorlegen. Sie arbeitet derzeit schon in enger Koordination mit den
EU-Mitgliedstaaten an einem Plan für ein neues Paket mit
EU-Russland-Sanktionen. Deutschland und Frankreich setzen sich in
Brüssel unter anderem dafür ein, mit ihm auch den russischen
Energieriesen Lukoil und Serviceunternehmen aus der Ölbranche mit
Strafmaßnahmen zu belegen.

Zudem sollen nach dem Willen von Berlin und Paris finanzielle und
logistische Schlupflöcher geschlossen werden, über die Russland
bereits bestehende Sanktionen umgeht. Demnach könnten weitere
russische Banken, ausländische Finanzinstitute mit Verbindungen zu
dem von der russischen Zentralbank entwickelten Transaktionssystem
SPFS sowie Kryptowährungsdienstleister in Zentralasien auf
Sanktionslisten landen.