Warum ein Pilotenstreik bei Lufthansa unvermeidbar scheint Von Christian Ebner, dpa

12.09.2025 15:20

Vor der nächsten Reisewelle im Herbst spitzt sich der Tarifkonflikt
bei Lufthansa zu. Die Gewerkschaft der Piloten und der Arbeitgeber
stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Frankfurt/Main (dpa) - Wenn jetzt die Urabstimmung unter den Piloten
der Lufthansa und der Lufthansa Cargo beginnt, scheint ein Streik
kaum noch vermeidbar zu sein. Auch wenn der exakte Zeitplan nicht
feststeht: Möglicherweise schon zum Auftakt der hessischen
Herbstferien am 3. Oktober müssen sich Passagiere auf Ausfälle und
Verspätungen einrichten, wenn sie mit der Kernmarke Lufthansa fliegen
wollen. 

Erneut haben sich die mächtige Spartengewerkschaft Vereinigung
Cockpit (VC) und das Management um Personalvorstand Michael Niggemann
so ineinander verkeilt, dass eine schnelle Verhandlungslösung kaum
möglich erscheint. 

Um was dreht sich der Konflikt?

Bereits im Mai hat die Tarifkommission der VC das Unternehmen zu
Verhandlungen über die betriebliche Altersversorgung aufgefordert.
Diese ist in einem gekündigten Tarifvertrag geregelt und sieht für
die rund 4.800 Piloten eine Betriebsrente und in einem zweiten
Vertrag eine Übergangsversorgung vor, wenn sie schon vor Erreichen
des Rentenalters den aktiven Flugdienst quittieren. Nach Vorgaben der
europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA dürfen Verkehrspiloten bis
65 fliegen. Bei Lufthansa dürfen sie frühestens mit 55 Jahren in den
Vorruhestand gehen.

Was fordert die Gewerkschaft?

Im Prinzip verlangt die Gewerkschaft deutlich höhere Beiträge des
Arbeitgebers zu den Betriebsrenten. Noch bis 2017 hatte der Konzern
die absolute Höhe der Rentenzahlungen garantiert, um dann nach einem
Arbeitskampf mit 14 Streikwellen im Einvernehmen mit der VC das
System umzustellen. Seitdem ist für die Piloten nur noch die Höhe des
Arbeitgeberbeitrags in die Fonds garantiert. Das Risiko geringer
Zinsen und damit deutlich kleinerer Renten tragen seitdem die
Beschäftigten.

Die damaligen Rendite-Erwartungen seien mit «ein bis zwei Prozent»
deutlich unterschritten worden, sagt Tarifkommissionssprecher Arne
Karstens. Man wolle zwar bei einem kapitalbasierten Modell bleiben,
doch die Beiträge des Konzerns müssten auf neuen
Berechnungsgrundlagen deutlich steigen. Im Fachportal «aero.de»
rechnet er einen Beispielfall vor. «Bei einem Grundgehalt von 10.000
Euro und 3.000 Euro Zulagen zahlt der Arbeitgeber aktuell rund 820
Euro.» Dieser Beitrag würde mit den VC-Forderungen um rund 1.800
Euro im Monat steigen. 

Was hat die Lufthansa angeboten?

Das Unternehmen äußert sich offiziell nicht zu den laufenden
Verhandlungen. Nach Darstellung der VC hat der Arbeitgeber in bislang
sieben Verhandlungsrunden substanzielle Erhöhungen der Rentenbeiträge
verweigert und dies mit der schlechten wirtschaftlichen Lage bei der
Lufthansa-Kerngesellschaft begründet. Diese hat im vergangenen Jahr
Verlust eingeflogen und durchläuft ein umfangreiches
Sanierungsprogramm. Der Gesamtkonzern ist hingegen profitabel. 

Wie schnell könnte der Streik kommen?

Die Urabstimmung läuft bis zum 30. September, wie die VC nun
mitteilte. Ob die Gewerkschaft nach Auszählung gleich einen exakten
Streik-Termin nennen wird, ist offen. Denkbar ist ein Arbeitskampf
zum Auftakt der Herbstferien in Hessen, Sachsen und Thüringen, die
schon mit dem Einheits-Feiertag am 3. Oktober beginnen.

Die VC verlangt von ihren Mitgliedern einen starken Rückhalt für den
Arbeitskampf. Bei der Urabstimmung müssen 70 Prozent aller
betroffenen Mitglieder zustimmen. Wer nicht an der Abstimmung
teilnimmt, wird als Nein-Stimme gewertet. Zuletzt streikten die
Piloten bei der Kerngesellschaft im Jahr 2022 einen Tag lang. 

Warum stehen sich beide Seiten so unversöhnlich gegenüber?

Die VC achtet peinlich darauf, sich öffentlich nur zu ihren
Forderungen in dem offenen Tarifvertrag zu äußern. Doch im
Hintergrund schwelt seit Jahren ein Großkonflikt, der sich auch
hinter verschlossenen Türen nicht lösen ließ. 

Der Konzernvorstand um den Vorsitzenden Carsten Spohr hat die neuen
Flugbetriebe City Airlines und Discover mit dem erklärten Ziel
gegründet, dort zu kostengünstigeren Tarifbedingungen zu fliegen, als
sie bei der Lufthansa-Kernmarke, der Cargo sowie der Regionaltochter
Lufthansa Cityline gelten. Wachstum könne nur dort stattfinden, wo
Geld verdient wird, hat Spohr mehrfach klargestellt. 

Beim Ferienflieger Discover wurden bereits Tarifverträge mit der
konkurrierenden Gewerkschaft Verdi geschlossen, während die
Spartengewerkschaften VC für die Piloten und Ufo für das
Kabinenpersonal außen vor blieben. Das dürfte sich bei der City
Airlines wiederholen. Die beiden Alt-Gewerkschaften wollen schon aus
Eigeninteresse verhindern, dass immer mehr Flugzeuge und damit
Arbeitsplätze zu den jüngeren und kostengünstigeren Betrieben
verlagert werden.