Wer darf über das neue EU-Klimaziel entscheiden? Von Katharina Redanz und Martina Herzog, dpa

12.09.2025 05:00

Die EU ringt um ein neues Klimaziel für 2040. Wird es ehrgeizig? Das
hängt entscheidend auch an der Bundesregierung. Wie die sich
positioniert, ist aber noch unklar.

Brüssel/Berlin (dpa) - In der schwarz-roten Koalition bahnt sich
neuer Streit an - wegen eines wichtigen EU-Klimagesetzes.
Umweltminister Carsten Schneider (SPD) will sich so schnell wie
möglich auf ein verbindliches europäisches Klimaziel für 2040
verständigen - am liebsten beim Treffen mit seinen europäischen
Amtskollegen am Donnerstag. Doch seine Koalitionspartner von der
CDU/CSU scheinen es weniger eilig zu haben. In Brüssel und Berlin
wird heftig verhandelt. Und dabei geht es um weit mehr als nur den
Zeitplan.

Worum geht es genau?

Bislang gibt es EU-Klimaschutzziele für 2030 und 2050. Laut
EU-Klimagesetz muss auch ein Ziel für 2040 festgelegt werden. Die
Kommission hatte Anfang Juli den Vorschlag vorgelegt, die Emissionen
klimaschädlicher Treibhausgase bis 2040 um 90 Prozent zu senken, im
Vergleich zu 1990. Dabei geht es vor allem um den Ausstoß von
Kohlendioxid, das beim Verbrennen von Kohle, Öl und Gas entsteht. Das
Europaparlament und die EU-Staaten müssen sich jeweils zu dem
Vorschlag positionieren und am Ende einigen. In mehreren Staaten regt
sich jedoch Widerstand. 

Worüber ist sich die schwarz-rote Koalition uneinig?

Nicht in der Sache, wie alle eifrig betonen. «Die Bundesregierung
steht zu den Klimazielen, und zwar sowohl zu denen, die wir uns
national gesetzt haben, als auch zu denen, die wir europäisch
verabredet haben, wie auch zu denen, die wir international in einer
ganzen Reihe von Abkommen vereinbart haben», erklärte Kanzler
Friedrich Merz (CDU) am Mittwoch. 

Allerdings betonen Unionspolitiker, Deutschland müsse sich mit
Frankreich einig werden, das Vorbehalte hat gegen den 2040-Vorschlag.
Und hier kommt eine scheinbar technische, aber sehr wichtige
Verfahrensfrage ins Spiel: Entscheiden die EU-Umweltminister in der
kommenden Woche über das Klimaziel oder befassen sich die Staats- und
Regierungschefs mit dem Thema? 

Warum macht es einen Unterschied, wo über das Klimaziel beraten wird?

Bei den Umweltministern reicht eine sogenannte qualifizierte
Mehrheit, um die Position für das Klimaziel festzuzurren. Bei Gipfeln
auf Chefebene ist Einigkeit nötig - und die Dynamik ist
unberechenbar. Es wäre denkbar, dass Staaten dafür sorgen, dass ihre
Skepsis Eingang in die gemeinsame Erklärung findet. Die endgültige
Entscheidung liegt bei den Umweltministern - doch wenn der Gipfel den
aktuellen 2040-Vorschlag vom Tisch nimmt, gäbe es nicht mehr viel zu
entscheiden. 

Umweltminister Schneider dringt auf einen Beschluss der
Umweltminister. Der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Hille
klang ganz anders, als er darauf hinwies, dass es im Oktober ja auch
die Staats- und Regierungschefs der EU zusammenkommen. Dabei gilt:
Beim Umweltministerrat müsste die Bundesregierung Farbe bekennen oder
sich enthalten, falls die Koalition sich nicht einig wird. Sollten
Teile der Regierung tatsächlich Interesse an einer Abschwächung des
2040-Vorschlags haben, dann käme ihnen eine Gipfel-Diskussion zum
Thema gelegen. 

Warum ist das EU-Klimaziel für 2040 wichtig?

Das Ziel soll als Grundlage genutzt werden für die Klimaschutz-Pläne,
die die EU bei den Vereinten Nationen einreichen muss. Denn bis
spätestens zum 24. September muss die EU vor der nächsten
Weltklimakonferenz in Brasilien im November noch ein Zwischenziel für
2035 abgeben.

Der Europa-Abgeordnete Michael Bloss von den Grünen sagt, was jetzt
auf dem Spiel stehe, sei nicht weniger als die weltweite
Handlungsfähigkeit im Kampf gegen die Klimakrise. «Nach dem Rückzug
der USA würde sich mit Europa der nächste große Block der
Industrieländer aus dem internationalen Klimaschutz verabschieden.
Wenn wir selbst kein ambitioniertes Ziel vorlegen, werden wir auch
von China oder anderen Ländern nichts mehr verlangen können.»

Die Zeit drängt, denn der Planet heizt sich weiter auf. Die
Temperatur der Erde lag im vergangenen Jahr nach EU-Zahlen um 1,6
Grad über der Temperatur des vorindustriellen Zeitalters. Bei der
Pariser Klimakonferenz hatte sich die Weltgemeinschaft 2015 das Ziel
gesetzt, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, zumindest
aber auf deutlich unter 2 Grad. Wissenschaftler halten das für
zunehmend unrealistisch. Je wärmer es auf der Erde wird, desto
wahrscheinlicher werden extreme Wetterereignisse wie Dürren oder
extreme Regenfälle.

Warum könnte es an Deutschland scheitern?

Damit die EU-Länder in Verhandlungen mit dem Europaparlament zum
Klimaziel für 2040 starten können, braucht es im Rat der
Mitgliedstaaten die Unterstützung einer qualifizierten Mehrheit.
Konkret müssten dafür 15 der 27 EU-Staaten zustimmen, die zusammen
mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der teilnehmenden
Mitgliedstaaten repräsentieren. Bei den Umweltministern soll es am
Donnerstag zur Abstimmung kommen. 

Einige Länder, wie beispielsweise Polen, wollen das Thema auf jeden
Fall zu den Staats- und Regierungschefs schieben. Wie aus Berlin kam
auch aus Paris bis zuletzt noch keine eindeutige Äußerung. Doch ohne
solche großen Länder dürfte eine qualifizierte Mehrheit unter den
Umweltministern kaum erreichbar sein. Noch hofft Dänemark als
aktuelles EU-Vorsitzland, dass die Minister sich kommende Woche zum
2040-Ziel einigen können.