Wer darf über das neue EU-Klimaziel entscheiden? Von Katharina Redanz, Martina Herzog und Theresa Münch, dpa

12.09.2025 18:10

Die EU ringt um ein neues Klimaziel für 2040. Wird es ehrgeizig? Das
hängt entscheidend auch an der Bundesregierung.

Brüssel/Berlin (dpa) - Die schwarz-rote Koalition hat einen
aufkeimenden Konflikt über ein wichtiges EU-Klimagesetz entschärft.
Umweltminister Carsten Schneider (SPD) rückte von seiner Forderung
ab, dass die EU-Umweltminister das Ziel noch in diesem Monat
beschließen sollen. Nicht nur Deutschland will damit warten: Mehrere
EU-Länder forderten bei einem Vorbereitungstreffen der ständigen
Vertreter in Brüssel, dass sich erst die Staats- und Regierungschefs
beim EU-Gipfel im Oktober damit befassen sollten. Die Entscheidung
ist damit vertagt. Ein Aufschub könnte allerdings Folgen haben. 

Worum geht es genau?

Bislang gibt es EU-Klimaschutzziele für 2030 und 2050. Laut
EU-Klimagesetz muss auch ein Ziel für 2040 festgelegt werden. Die
Kommission hatte Anfang Juli den Vorschlag vorgelegt, die Emissionen
klimaschädlicher Treibhausgase bis 2040 um 90 Prozent zu senken, im
Vergleich zu 1990. Dabei geht es vor allem um den Ausstoß von
Kohlendioxid, das beim Verbrennen von Kohle, Öl und Gas entsteht. Das
Europaparlament und die EU-Staaten müssen sich jeweils zu dem
Vorschlag positionieren und am Ende einigen. In mehreren Staaten regt
sich jedoch Widerstand. 

Wie positioniert sich die Bundesregierung?

In der Sache gab es ohnehin keinen großen Dissens: «Die
Bundesregierung steht zu den Klimazielen, und zwar sowohl zu denen,
die wir uns national gesetzt haben, als auch zu denen, die wir
europäisch verabredet haben, wie auch zu denen, die wir international
in einer ganzen Reihe von Abkommen vereinbart haben», hatte Kanzler
Friedrich Merz (CDU) schon am Mittwoch erklärt. Das EU-Ziel deckt
sich weitgehend mit den deutschen Klimaschutz-Plänen und steht auch
nicht in Konflikt mit dem Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot.
Inhaltlich wird Deutschland also wohl zustimmen, auch wenn man im
Detail noch einige Bedingungen stellt.

Allerdings wollte Schneider die Abstimmung so schnell wie möglich -
am liebsten beim Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen am
Donnerstag. Die Union dagegen schien es weniger eilig zu haben.
Unionspolitiker betonten, Deutschland müsse sich mit Frankreich einig
werden, das Vorbehalte hat gegen den 2040-Vorschlag. 

Nun erklärte Schneiders Ministerium: Der genaue Zeitplan sei Sache
der dänischen Ratspräsidentschaft. «Der informelle europäische Rat
am
1. Oktober bietet da Chancen, um politisch über die aktuelle
Klimapolitik zu reden. Klar ist, dass die Entscheidung über das neue
Klimaziel dann beim Rat der Umweltminister und beim Europäischen
Parlament liegt.»

Warum macht es einen Unterschied, wo über das Klimaziel beraten wird?

Bei den Umweltministern reicht eine sogenannte qualifizierte
Mehrheit, um die Position für das Klimaziel festzuzurren. Bei Gipfeln
auf Chefebene ist Einigkeit nötig - und die Dynamik ist
unberechenbar. Es wäre denkbar, dass Staaten wie Frankreich und Polen
dafür sorgen, dass ihre Skepsis Eingang in die gemeinsame Erklärung
findet. 

Die endgültige Entscheidung liegt bei den Umweltministern - doch wenn
der Gipfel der Staats- und Regierungschefs den aktuellen
2040-Vorschlag vom Tisch nähme, gäbe es da nicht mehr viel zu
entscheiden.

Selbst wenn das Klimaziel beim EU-Gipfel einstimmige Unterstützung
fände, dürfte nun eine Deadline platzen. Denn das Ziel soll als
Grundlage genutzt werden für die Klimaschutz-Pläne, die die EU bei
den Vereinten Nationen einreichen muss. Und die sollen bis spätestens
zum 24. September abgegeben sein. 

Klimaschützer warnen, wenn sich die EU nicht rechtzeitig einige,
drohe sie, am Ende mit einem viel zu schwachen Beitrag dazustehen und
damit Europas Glaubwürdigkeit kurz vor der Klimakonferenz im November
in Brasilien zu beschädigen.

Warum ist das EU-Klimaziel für 2040 wichtig?

Der Europa-Abgeordnete Michael Bloss von den Grünen sagte, was auf
dem Spiel stehe, sei nicht weniger als die weltweite
Handlungsfähigkeit im Kampf gegen die Klimakrise. «Ohne ambitionierte
Zusagen der Industrieländer werden die Länder des globalen Südens
keine neuen Verpflichtungen eingehen», kommentierte er nach der
Verlagerung der Entscheidung. «Friedrich Merz hat heute den
Frontalangriff auf den Klimaschutz gestartet», so Bloss.

Die Zeit drängt, denn der Planet heizt sich weiter auf. Die
Temperatur der Erde lag im vergangenen Jahr nach EU-Zahlen um 1,6
Grad über der Temperatur des vorindustriellen Zeitalters. Bei der
Pariser Klimakonferenz hatte sich die Weltgemeinschaft 2015 das Ziel
gesetzt, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, zumindest
aber auf deutlich unter 2 Grad. Wissenschaftler halten das für
zunehmend unrealistisch. Je wärmer es auf der Erde wird, desto
wahrscheinlicher werden extreme Wetterereignisse wie Dürren oder
extreme Regenfälle.