Orban im Clinch mit Schweden

15.09.2025 11:33

Ungarns Regierungschef wirft Schweden vor, jegliche Kontrolle über
die Kriminalität zu verlieren. Dabei zitiert er einen deutschen
Medienbericht. In Stockholm will man das so nicht stehen lassen.

Stockholm (dpa) - Mit einer Breitseite gegen den EU- und Nato-Partner
Schweden hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ungewohnt
deutliche Kritik aus Stockholm auf sich gezogen. Auf der Plattform X
hatte Orban moniert, dass die schwedische Regierung Ungarn Vorträge
über Rechtsstaatlichkeit halten wolle, während in ihrem eigenen Land
gleichzeitig Recht und Ordnung kollabierten. Damit spielte er auf die
grassierende Bandenkriminalität an, mit der Schweden seit Jahren
ringt und in die immer wieder Minderjährige hineingezogen werden. 

Orban erklärte unter Verweis auf einen Artikel der Zeitung «Die
Welt», dass kriminelle Netzwerke schwedische Kinder als Mörder
ausnutzten - wohl wissend, dass das Rechtssystem sie nicht
verurteile. «Wenn jede Ordnung zusammenbricht, bleibt die Barbarei
übrig», sagt er in einem verlinkten Video von einem Wahlkampfauftritt
am Wochenende. 

Darin behauptet Orban auch, dass 284 minderjährige Mädchen wegen
Mordes in Schweden verhaftet worden seien - eine Zahl, die so nicht
stimmt. In dem von der «Welt» publizierten Artikel ist die Rede
davon, dass gegen etwa 280 Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren im
vergangenen Jahr Ermittlungsverfahren wegen Mordes, Totschlags oder
anderer Gewaltverbrechen eingeleitet worden seien. Inwieweit sich die
Gesamtzahl auf die einzelnen Tatbestände bezieht, geht daraus nicht
hervor.

Kristersson: «Ungeheuerliche Lügen»

In Stockholm wollte man Orbans Angaben so nicht stehen lassen. «Das
sind ungeheuerliche Lügen», wetterte Ministerpräsident Ulf
Kristersson auf X. Überraschend sei es nicht, dass diese Worte aus
dem Mund des Mannes kämen, der die Rechtsstaatlichkeit in seinem Land
abbaue. Orban sei vor der bevorstehenden Parlamentswahl in Ungarn
verzweifelt, fügte er hinzu.

Normalerweise sind die Regierungen der EU-Länder darum bemüht,
Inlandsthemen in den anderen Mitgliedstaaten möglichst unkommentiert
zu lassen. Orban ist jedoch dafür bekannt, seine Amtskollegen immer
wieder öffentlich anzugehen. 

Gerade Schweden ist in der Hinsicht ein gebranntes Kind: Als sich das
skandinavische Land vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs
gegen die Ukraine 2022 zum Nato-Beitritt entschlossen hatte, musste
es sich immer wieder kritische Aussagen von Orban anhören. Ebenso wie
die Türkei blockierte Ungarn die schwedische Nato-Mitgliedschaft
lange Zeit, ehe Schweden im März 2024 doch noch als 32. Mitglied in
das Verteidigungsbündnis aufgenommen wurde.