Schon wieder: Misstrauensanträge gegen EU-Kommission
16.09.2025 16:46
Nur gut zwei Monate nach einem überstandenen Misstrauensvotum sieht
sich die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen wieder mit
Misstrauensanträgen konfrontiert. Die Abstimmung steht schon bald an.
Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen muss sich
Anfang Oktober im Europäischen Parlament der Abstimmung über zwei
Misstrauensanträge stellen. Nach Informationen der Deutschen
Presse-Agentur unterrichtete Parlamentspräsidentin Roberta Metsola
die Abgeordneten darüber. Die Kritik in den von der rechten
PfE-Fraktion und der Linkenfraktion eingebrachten Anträgen richtet
sich vor allem gegen von der Leyen, Misstrauensanträge können aber
nur gegen die gesamte EU-Kommission gestellt werden. Im Juli hatte
das Gremium ein erstes Misstrauensvotum überstanden.
Zuvor war geprüft worden, ob die Misstrauensanträge wie in den Regeln
vorgesehen von mindestens einem Zehntel der aktuell 719 Abgeordneten
unterstützt werden.
Kritik an Klimapolitik und Handelsabkommen
Im PfE-Antrag wird unter anderem von der Leyens Klima- sowie
Migrationspolitik kritisiert. Zudem werfen ihr die Abgeordneten
Intransparenz und Zensur vor.
Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan hatte unter anderem
kritisiert: «Die Kommission hat ein verheerendes Zollabkommen mit
Trump geschlossen.» Der Pakt sei ein Angriff auf Europas Industrie
und werde Tausende Arbeitsplätze vernichten. Außerdem habe die
Kommission angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen zu
lange geschwiegen.
Von der Leyen werde bis Oktober viele Gespräche und
Überzeugungsarbeit leisten müssen, wolle sie die Abstimmung politisch
überstehen, sagte Schirdewan. Seinen Worten zufolge haben auch
Politiker aus den Reihen der Sozialdemokraten und Grünen den
Misstrauensantrag der Linken unterstützt.
Ist ein Scheitern vorprogrammiert?
Die Unterstützung der Anträge durch jeweils mindestens ein Zehntel
der Abgeordneten bedeutet, dass darüber während der Tagung des
Parlaments Anfang Oktober debattiert und abgestimmt wird. Sollte
einer der Misstrauensanträge angenommen werden, müsste die
EU-Kommission geschlossen zurücktreten.
Ein solches Szenario gilt allerdings als unwahrscheinlich, da es
dafür die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und
gleichzeitig die Mehrheit der Mitglieder des Parlaments bräuchte. Das
wären mindestens 360, und wenn alle Abgeordneten anwesend sind und
ihre Stimmen abgeben, sogar 480 Stimmen. Bei der Wahl im vergangenen
November hatte die Kommission von Ursula von der Leyen 370 von 688
abgegebenen Stimmen bekommen.
Misstrauensvoten in der Kritik
Auch wenn von der Leyens politische Gegner ihr mit den Manövern de
facto wohl nicht gefährlich werden können - ein Schlaglicht auf ihre
Kritikpunkte richten sie mit den Misstrauensvoten allemal. Der Chef
der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), kritisiert,
Parteien von extrem links und rechts versuchten, innenpolitische
Konflikte auf dem Rücken der EU-Stabilität auszutragen. «Das ist
unverantwortlich», teilte er mit. Alle Demokraten müssten sich klar
diesen extremistischen Spielchen entgegenstellen.
Der Chef der Europa-SPD, René Repasi, sagte: «Frau von der Leyen hat
in ihrer Rede im September rhetorisch klargemacht, dass sie den Ernst
der Lage verstanden hat.» Die Kommissionspräsidentin müsse die Zeit
bekommen, um zu zeigen, dass sie auch liefere. «Daran werden wir sie
messen», so Repasi. Die SPD werde den inflationären Gebrauch des
Misstrauensvotums nicht stützen.
Die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Terry
Reintke, teilte mit, dass in der aktuellen geopolitischen
Krisensituation eine zusätzliche institutionelle Krise die
europäische Einheit untergrabe.
Vorwürfe zur Corona-Politik
Das Misstrauensvotum im Juli wurde unter anderem mit den Vorwürfen
begründet, dass Informationen zu in der Corona-Krise ausgetauschten
Textnachrichten zwischen von der Leyen und dem Chef des
US-Pharma-Konzerns Pfizer zurückgehalten worden seien.
Misstrauensanträge gegen die Kommission sind eigentlich selten. Vor
dem Antrag im Juli waren Rechtspopulisten im Jahr 2014 mit einem
Misstrauensantrag gegen die damalige EU-Kommission um Jean-Claude
Juncker gescheitert. Bei der Abstimmung damals votierten lediglich
101 Abgeordnete für den Vorstoß aus dem EU-kritischen Lager. 461
lehnten ihn ab, 88 enthielten sich.
Zum Rücktritt einer EU-Kommission führte lediglich ein drohender
erfolgreicher Misstrauensantrag im Jahr 1999. Damals stellte eine von
Jacques Santer geführte Kommission ihre Posten vorsorglich zur
Verfügung, nachdem ein Bericht über Betrug, Missmanagement und
Vetternwirtschaft vorgelegt worden war.