EU-Kommission schlägt weitreichende Israel-Sanktionen vor Von Ansgar Haase, dpa

17.09.2025 19:13

Insbesondere wegen des Widerstandes Deutschlands konnte die EU
bislang keine Sanktionen wegen des israelischen Vorgehens im
Gazastreifen verhängen. Jetzt werden neue Vorschläge vorgelegt.

Brüssel (dpa) - Als Reaktion auf die Entwicklungen im Gazastreifen
schlägt die Europäische Kommission den EU-Staaten das Verhängen
weitreichender Sanktionen gegen Israel vor. Nach dem Willen der
Behörde unter der Leitung von Ursula von der Leyen sollten unter
anderem Freihandelsvorteile gestrichen und Strafmaßnahmen gegen
extremistische israelische Minister und Siedler veranlasst werden.

Ziel des Vorstoßes ist es, Israel zu einem Kurswechsel bei seinem
Vorgehen im Gazastreifen zu bewegen. Aus Sicht der Kommission
verstößt das Land mit seiner Militäroffensive und der daraus
resultierenden humanitären Katastrophe gegen die Menschenrechte und
das humanitäre Völkerrecht.

Kommissionspräsidentin von der Leyen erklärte: «Die entsetzlichen
Dinge, die sich täglich im Gazastreifen abspielen, müssen aufhören.
»
Es brauche eine sofortige Waffenruhe, ungehinderten Zugang für
humanitäre Hilfe und die Freilassung aller von der Hamas
festgehaltenen Geiseln. EU-Ratspräsident António Costa teilte mit,
Europa könne die Maßnahmen der israelischen Regierung in Gaza und im
Westjordanland nicht akzeptieren, «die weit über das legitime Recht
Israels auf Selbstverteidigung hinausgehen». 

Der israelische Außenminister Gideon Saar nannte die Empfehlungen
«moralisch und politisch verzerrt» und schrieb, es sei zu hoffen,
dass diese nicht angenommen werden. «Israel wird mit Hilfe seiner
Freunde in Europa weiterhin gegen Versuche kämpfen, ihm zu schaden,
während es sich inmitten eines existenziellen Krieges befindet»,
schrieb er bei X. «Schritte gegen Israel werden entsprechend
beantwortet werden, und wir hoffen, dass wir nicht gezwungen sein
werden, sie zu ergreifen.»

Qualifizierte Mehrheit für Handelssanktionen notwendig

Das Streichen von Freihandelsvorteilen für Israel würde nach Angaben
aus der EU-Kommission 37 Prozent der israelischen Warenexporte in die
EU betreffen. Da die EU für Israel der wichtigste Handelspartner ist,
könnte vor allem dieser Kommissionsvorschlag Druck auf die
israelische Regierung ausüben.

EU-Handelskommissar Maros Sefcovic sagte, mit den Strafmaßnahmen
würden Importe aus Israel ihren bevorzugten Zugang zum EU-Markt
verlieren. Auf die Waren würden dann Zölle in der Höhe erhoben
werden, wie sie auch für andere Länder gelten, mit denen die EU kein
Freihandelsabkommen habe. Man bedauere, diesen Schritt gehen zu
müssen - halte ihn jedoch für angemessen und verhältnismäßig, sag
te
Sefcovic weiter.

Ob der Vorstoß aus Brüssel wirklich eine Wirkung entfalten kann, ist
allerdings unklar. Denkbar ist, dass EU-Staaten wie Deutschland und
Italien schnell deutlich machen, dass sie den Vorstoß von der Leyens
nicht unterstützen. Im Rat der Mitgliedstaaten bräuchte es zu seiner
Annahme die Zustimmung von 15 der 27 EU-Staaten, die zusammen
mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Ohne
ein Ja aus Rom oder Berlin ist diese derzeit nicht absehbar, da auch
einige kleinere Länder wie Ungarn, die Slowakei, Tschechien und
Österreich bislang gegen scharfe Israel-Sanktionen waren.

Der deutsche Regierungssprecher Stefan Kornelius hielt sich bei dem
Thema am Mittwoch zunächst bedeckt. Er sagte, die Bundesregierung
habe sich noch keine abschließende Meinung zu den Sanktionsplänen
gebildet. 

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hatte bereits vor der offiziellen
Vorstellung an Deutschland und Italien appelliert, die Pläne für
europäische Handelssanktionen gegen Israel zu unterstützen oder
alternativ andere Druckmittel vorzuschlagen. «Wenn wir uns einig
sind, dass die Lage unhaltbar ist und wir die israelische Regierung
zum Kurswechsel bringen wollen, dann müssen wir klären: Was können
wir dafür tun?», sagte sie in einem Interview des Senders Euronews.
Wer vorgeschlagene Maßnahmen als Reaktion auf Israels Vorgehen im
Gazastreifen nicht unterstütze, solle bitte Alternativen nennen. Zu
den geplanten Handelssanktionen sagte Kallas, diese würden für Israel
hohe Kosten verursachen. 

Nach EU-Zahlen machte Israels Handel mit der EU 2024 rund 32 Prozent
des gesamten internationalen israelischen Warenhandels aus. Das
gesamte Handelsvolumen mit Waren zwischen der EU und Israel belief
sich 2024 auf 42,6 Milliarden Euro. Die Einfuhren der EU aus Israel
hatten dabei einen Wert von 15,9 Milliarden Euro, die Ausfuhren der
EU nach Israel einen Wert von 26,7 Milliarden Euro.

Finanz- und Polizeiminister im Visier

Bei den israelischen Ministern, die nach dem Willen der EU-Kommission
sanktioniert werden sollten, handelt es sich um Finanzminister
Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Ihnen werden
Menschenrechtsverletzungen und Aufstachelung zum Hass vorgeworfen.
Zudem schlägt die Kommission auch neue Sanktionen gegen die
palästinensische Terrororganisation Hamas vor. Sie hatte den
Gaza-Krieg ausgelöst, indem sie am 7. Oktober 2023 gemeinsam mit
anderen Extremisten einen Terrorangriff auf Israel ausübte und dabei
rund 1.200 Menschen tötete und mehr als 250 weitere verschleppte.

EU-Kommission stoppt Zahlungen

Israel hatte den Sanktionsvorstoß der Kommission bereits vor der
Vorlage von Details scharf kritisiert. Außenminister Saar schrieb in
einem Brief an von der Leyen, es sei «unverhältnismäßig» und
«beispiellos», wegen des israelischen Vorgehens im Gazastreifen
bestimmte Handelsvorteile aussetzen zu wollen. Ein solcher Vorschlag
sei im Falle anderer Länder noch nie umgesetzt worden, kritisierte
Saar.

Die EU-Kommission verlasse sich auf Angaben der Hamas und spiele der
Terrororganisation damit in die Hände. Israel sei der Gaza-Krieg nach
dem Hamas-Terroranschlag aufgezwungen worden. Man werde sich nicht
«von Drohungen einschüchtern lassen», solange die Sicherheit des
Landes gefährdet sei.

Scharfe Kritik aus Israel hatte es zuvor bereits gegeben, als die
EU-Kommission im Juli vorschlug, Teile der Zusammenarbeit im Rahmen
des Forschungsförderungsprogramms Horizon Europe einzustellen. Unter
anderem die Bundesregierung verhindert die Maßnahme allerdings
bislang und begründet dies damit, dass sie nicht zielgerichtet genug
sei.

Sicher ist deshalb bislang nur, dass für Israel vorgesehene Mittel
aus einem EU-Topf für die internationale Zusammenarbeit eingefroren
werden. Diese Entscheidung hatte von der Leyen bereits in der
Vorwoche angekündigt. Für sie braucht es keine Zustimmung der
EU-Mitgliedstaaten.