Belgien warnt vor Merz-Plan für russisches Vermögen Von Katharina Redanz, Ansgar Haase, Michael Fischer und Steffen Trumpf, dpa

02.10.2025 15:16

Kanzler Merz will das in der EU lagernde russische Vermögen nutzen,
um die Ukraine aufzurüsten. Aus dem Land, in dem das Geld liegt,
kommt Widerstand. Und nicht nur von dort.

Kopenhagen (dpa) - Die von Bundeskanzler Friedrich Merz
vorangetriebene Initiative zur Nutzung eingefrorener russischer
Zentralbankgelder für die Ukraine stößt auf massiven Widerstand eines

anderen zentralen Akteurs. Der belgische Premierminister Bart De
Wever warf den Unterstützern des Projekts bei einem Europa-Gipfel in
Kopenhagen vor, die Gefahren sträflich zu vernachlässigen und keine
Antworten auf offene Fragen zu haben. Man begebe sich in unbekannte
Gewässer. «Das ist sehr, sehr riskant», sagte er.

Neben der Gefahr einer Enteignung von Vermögenswerten europäischer
Unternehmen in Russland nannte De Wever dabei auch die Möglichkeit,
dass es Anschlagsversuche gegen den Chef des belgischen
Finanzinstituts Euroclear geben könnte.

«Ich höre bereits aus Moskau: Wenn ihr mein Geld antastet, werdet ihr
die Folgen bis in alle Ewigkeit spüren», sagte De Wever. Nach seinem
Verständnis heiße das auf Russisch auch: «Wir könnten euch in die
Ewigkeit schicken.» Der Direktor von Euroclear stehe bereits unter
engem Personenschutz.

Merz räumt Hindernisse ein

Merz warb vor den mehr als 40 anwesenden Staats- und Regierungschefs
- darunter De Wever - für seinen Vorstoß, der Kredite in Höhe von 140

Milliarden Euro für die Aufrüstung des ukrainischen Militärs bringen

soll. Der Kanzler habe in seiner Rede aber auch eingeräumt, «dass er
sich der Hindernisse durchaus bewusst ist», wie es aus seinem Umfeld
hieß. Man werde daran arbeiten, eine rechtlich sichere und finanziell
tragfähige Lösung zu finden.

Eingefrorenes russisches Staatsgeld liegt in Belgien

Euroclear verwaltet derzeit einen großen Teil der in der EU
eingefrorenen russischen Vermögenswerte, die Merz und andere
EU-Politiker für Milliarden-Darlehen für die Ukraine nutzen wollen.

Russland soll das Geld nur dann zurückbekommen, wenn es nach einem
Ende des Krieges gegen die Ukraine Reparationszahlungen leistet. Für
den Fall, dass die eingefrorenen russischen Gelder unerwartet wieder
freigegeben werden müssen, sollen die EU-Staaten Garantien leisten. 

De Wever stellte allerdings die Argumentation von Merz infrage, nach
der mit dem Vorhaben nicht in die russischen Eigentumsverhältnisse
eingegriffen werde

De Wever ist bei den von Merz und EU-Kommissionschefin Ursula von der
Leyen vorangetriebenen Plänen eine Schlüsselfigur, weil das Vorhaben
ohne die Zustimmung Belgiens nicht umsetzbar ist.

Huhn oder Eier essen

Bislang werden nur die Zinserträge aus dem über Euroclear
festgesetzten Geld zur Unterstützung der von Moskau angegriffenen
Ukraine genutzt. De Wever verglich das festgesetzte Staatsgeld mit
einem dicken Huhn und die abfallenden Zinsen mit goldenen Eiern. Die
Frage sei: Wann esse man das Huhn?

De Wever warnte außerdem vor Risiken für den Euro - wenn etwa die
Entscheidung dazu führen würde, dass andere Länder ihre in Europa
angelegten Staatsgelder abziehen. Wenn das russische Zentralbankgeld
genutzt werde, werde das anderen Nationen in der Welt auffallen,
sagte er. China habe beispielsweise bedeutende Summen in der
Eurozone. «Sie könnten ihre Reserven in Europa abziehen, weil sie
sich vielleicht denken: Okay, wir sind mehr oder weniger ein
Verbündeter Russlands. Vielleicht haben wir einige Pläne in Bezug auf
Taiwan», so der Belgier. Vermutungen, dass er nur wegen des möglichen
Wegfalls von Steuereinnahmen gegen das Vorhaben ist, wies er vehement
zurück.

Belgien nicht allein

An seiner Seite hat De Wever aus dem Kreis der EU-Staaten unter
anderem den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Dieser
sieht die Merz-Pläne allerdings vor allem aus anderen Gründen
kritisch. Die derzeit auf dem Tisch liegenden
Unterstützungsvorschläge für die Ukraine würden zeigen, dass die EU

in den Krieg ziehen wolle, wetterte er am Rande des Gipfeltreffens.
Ungarn lehne dies ab. Europa müsse für Frieden verhandeln.

Auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni äußerte in
einem Gespräch mit Merz Bedenken. Sie habe die geplanten finanziellen
Garantien der EU-Mitgliedstaaten als zu «debattierendes Thema»
hervorgehoben, hieß es in deutschen Regierungskreisen.

Wie es nun weitergeht, ist unklar. Eine Option ist, dass beim
nächsten EU-Gipfel in drei Wochen erneut über das Thema gesprochen
wird. Sollte es dann ausreichend Unterstützung für den Plan geben,
könnten Details ausgearbeitet werden. Eine Umsetzung wird derzeit
frühestens in einigen Monaten erwartet. Die Zeit drängt allerdings,
weil die USA aus der Finanzierung der Ukraine-Unterstützung nahezu
komplett ausgestiegen sind und der Bedarf des Landes riesig ist.