Merz fordert stärkeres Europa - und schweigt zum Wehrdienst
16.10.2025 12:32
Gaza-Friedensplan, EU-Regulierung, Klimaziele, Putins Angriffskrieg:
Der Kanzler spricht in seiner Regierungserklärung viele Themen an.
Das «Thema des Tages» im Bundestag spart er aber aus.
Berlin (dpa) - Vor dem EU-Gipfel in der kommenden Woche hat
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gefordert, dass Europa seine Rolle
als «Friedensmacht» stärker ausfüllt. «Europa muss seine
Möglichkeiten entschlossener und geschlossener nutzen und muss seine
Macht zum Einsatz bringen, um die Welt zum Besseren zu gestalten»,
forderte er in seiner Regierungserklärung zu dem Spitzentreffen im
Bundestag. Die Einigung auf den Gaza-Friedensplan habe gezeigt, dass
politisches Handeln einen Unterschied mache.
Merz kündigte an, dass er sich beim Gipfel weiter für die Nutzung
russischen Vermögens für die Aufrüstung der ukrainischen Armee
einsetzen werde. «Wir wollen das nicht tun, um diesen Krieg zu
verlängern, wir wollen das tun, um diesen Krieg so schnell wie
möglich zu beenden», betonte er und kündigte auch einen Aktionsplan
gegen hybride Bedrohung aus Russland an.
Dröge kritisiert Durcheinander in Koalition beim Wehrdienst
Auf den aktuellen Streit in der Koalition über den Wehrdienst ging
Merz in seiner halbstündigen Rede nicht ein. In der anschließenden
Debatte spielte er dennoch eine Rolle. Grünen-Fraktionschefin
Katharina Dröge kritisierte das Durcheinander im schwarz-roten
Bündnis beim Ringen um den Gesetzentwurf, der heute in den Bundestag
eingebracht werden soll. «Keiner weiß, wie es jetzt weitergeht»,
sagte sie. «Sie reisen jetzt nach Brüssel als ein Kanzler, der die
Lage nicht im Griff hat.» In Serie verweigerten die
Koalitionsfraktionen ihrem Kanzler die Mehrheit. «Ein Kanzler ohne
Mehrheit, der kann keine Regierung führen.»
Die Koalition geht heute ohne gemeinsame Position in die
parlamentarischen Beratungen über den Wehrdienst. Eine Einigung der
Fachpolitiker beider Seiten war am Dienstag von der SPD-Fraktion
ausgebremst worden. Unions-Fraktionschef Jens Spahn versicherte im
Bundestag aber, dass es im weiteren Verfahren einen Kompromiss geben
werde. «Dass wir gelegentlich diskutieren, dass wir debattieren, dass
wir - ja auch hart - verhandeln: Das gehört dazu», sagte der
CDU-Politiker. «Entscheidend ist, dass wir am Ende zu Entscheidungen
kommen. Und das wird diese Koalition, wie in den letzten Monaten
auch, ohne Zweifel.»
Merz hofft auf Entscheidungen zu russischem Vermögen
Die Staats- und Regierungschefs der EU kommen nächste Woche am
Donnerstag und Freitag zu ihrem Herbstgipfel zusammen.
Regierungserklärungen im Bundestag vor solchen Gipfeln sind üblich.
Ein zentrales Projekt des Kanzlers bei dem Treffen in Brüssel wird
das Werben für die Nutzung des eingefrorenen russischen Vermögens
sein. Er hat schon beim Gipfel in Kopenhagen Anfang Oktober die
Erwartung geäußert, dass es nun in Brüssel konkrete Entscheidungen
dazu gibt.
Merz will das Vermögen der russischen Zentralbank für Kredite in Höhe
von 140 Milliarden Euro nutzen, um die Ukraine für den weiteren
Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer aufzurüsten. Dagegen gibt
es aber massive Bedenken vor allem in Belgien, wo der größte Teil des
Gelds lagert. Der russische Präsident Wladimir Putin müsse erkennen,
dass er nicht den längeren Atem in dem Konflikt hat, sagte Merz.
Aktionsplan gegen Bedrohung aus Russland geplant
Auf die Bedrohung aus Russland will die Bundesregierung mit einem
neuen umfassenden Aktionsplan zur Abwehr hybrider Gefahren reagieren.
Der Nationale Sicherheitsrat werde in wenigen Tagen in seiner
konstituierenden Sitzung darüber beraten, sagte der Kanzler. Er warf
Russland vor, Deutschland und Europa destabilisieren zu wollen - mit
Sabotage, mit Spionage und mit Mord, mit Cyberangriffen und gezielter
Desinformation. «Auch aus Ihren Reihen», sagte Merz unter Applaus an
die Adresse der AfD-Fraktion.
Merz will Regulierung eindämmen
Merz will beim EU-Gipfel auch auf Fortschritte für eine stärkere
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in der Europäischen Union
dringen. «Europa wird nur produktiver werden, wenn es sich
grundlegend ändert», sagte er. Das heiße Schluss mit Regelungswut,
schnellere Verfahren, offene Märkte und mehr Innovation. Merz betonte
zugleich, dies stehe nicht im Widerspruch zu dem klaren Bekenntnis,
die Klimaschutzziele bis 2045 und die Zwischenziele bis 2040 zu
erreichen.
Keine Ansage zum Verbrenner-Aus
Er wolle allen Zweifeln daran ausdrücklich entgegentreten, sagte der
Kanzler. Dies sei organischer Teil der Umwelt- und
Wirtschaftspolitik. «Allerdings nicht nur mit Regulierung und schon
gar nicht mit Verboten, sondern mit offener Technologie, mit
Innovation, mit Wettbewerbsfähigkeit auch gerade in Technologien, die
Umweltschutz überhaupt erst möglich machen.» Zur Diskussion über da
s
geplante Aus für Verbrennermotoren ab 2035 äußerte der Kanzler sich
nicht.
