Aufrüstung im Eiltempo: Brüssel stellt Fahrplan bis 2030 vor

16.10.2025 15:41

Ein noch größerer Krieg in Europa? Die EU-Kommission von Ursula von
der Leyen hält ein solches Szenario nicht mehr für ausgeschlossen.
Jetzt gibt es einen Fahrplan für Aufrüstung.

Brüssel (dpa) - Unter dem Eindruck der Bedrohungen durch Russland hat
die EU-Kommission einen Fahrplan für vier große europäische
Aufrüstungsprojekte präsentiert. Ziel des Vorstoßes ist es,
insbesondere die Luftverteidigung und den Schutz der Ostflanke bis
2030 deutlich zu verbessern. Dazu ist auch ein neues
Drohnenabwehrsystem geplant, das spätestens Ende des kommenden Jahres
in Betrieb genommen werden soll. Voll einsatzfähig soll es dann
spätestens Ende 2027 sein.

«Die jüngsten Bedrohungen haben gezeigt, dass Europa in Gefahr ist»,

sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Vorstellung
des Fahrplans. Es müsse nun mit Einigkeit, Solidarität und
Entschlossenheit reagiert werden. Der Verteidigungsfahrplan lege
dafür einen klaren Plan mit gemeinsamen Zielen und konkreten
Etappenzielen auf dem Weg bis 2030 vor.

Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland spätestens dann
militärisch in der Lage sein dürfte, einen weiteren Krieg zu
beginnen. «Russland hat derzeit keine Kapazität, einen Angriff auf
die EU zu starten. Es könnte sich aber in den kommenden Jahren darauf
vorbereiten», erklärte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Die
Gefahr werde nicht verschwinden, selbst wenn der Krieg in der Ukraine
ende.

Deutschland bietet Führungsrolle an

Zu den vier vorgeschlagenen Aufrüstungsprojekten gehören neben der
Drohnenabwehr-Initiative auch die sogenannte «Eastern Flank Watch»
zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeiten der östlichen
EU-Mitgliedstaaten und das «European Air Shield» zur Stärkung der
EU-Luftverteidigung. Zudem ist ein «European Defence Space Shield»
geplant, um den Schutz europäischer Satelliten sicherzustellen.

Die Finanzierung soll zunächst vor allem über die Mitgliedstaaten und
über bereits bestehende EU-Programme erfolgen. Mittelfristig könnten
dann zusätzliche Gelder über den nächsten Langfrist-Haushalt der EU
fließen, der derzeit für die Jahre 2028 bis 2034 geplant wird.
EU-Verteidigungsindustriekommissar Andrius Kubilius erklärte, über
die Nato hätten die meisten EU-Staaten bereits zugesagt, ihre
Verteidigungsausgaben bis 2035 massiv zu erhöhen. Im Schnitt müssten
insgesamt zusätzlich 288 Milliarden Euro pro Jahr ausgegeben werden.

Deutschland will nach Angaben von Verteidigungsminister Boris
Pistorius (SPD) die Führung beim geplanten «European Air Shield»
übernehmen. Bei diesem Projekt geht es darum, EU-Programme zu nutzen,
um ein über Ländergrenzen hinweg vernetztes, mehrstufiges
Flugabwehrsystem einschließlich der erforderlichen Sensorik
aufzubauen. Es soll gegen das gesamte Spektrum von Bedrohungen aus
der Luft schützen und nahtlos mit dem Führungs- und Kontrollsystem
der Nato zusammenarbeiten können.

Drohnen sollen auch attackieren können 

Über die Drohnen-Initiative soll dem Fahrplan zufolge ein
mehrschichtiges Hightech-System mit Fähigkeiten zur Erkennung,
Verfolgung und Neutralisierung feindlicher Drohnen aufgebaut werden,
das auch in der Lage ist, mittels eigener Drohnentechnik präzise
Schläge gegen Bodenziele auszuführen. Wichtig ist den Planern auch
dabei, dass es in enger Zusammenarbeit mit der Nato und geografisch
offen entwickelt wird.

Zur Begründung für diesen 360-Grad-Ansatz in alle Himmelsrichtungen
heißt es, die östlichen EU-Mitgliedstaaten an der Grenze zu Russland
und Belarus seien zwar der größten unmittelbaren Bedrohung
ausgesetzt. Die jüngsten Zwischenfälle hätten allerdings gezeigt,
dass jedes Land betroffen sein könne. So war wegen der Sichtung
unbemannter Flugkörper in den vergangenen Wochen unter anderem in
Dänemark und Deutschland wiederholt Alarm an zivilen und
militärischen Flughäfen ausgelöst worden. Zeitweise musste deswegen
sogar der Flugverkehr eingestellt werden.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Drohnen nicht zwingend direkt
aus Russland kommen müssen, soll künftig auch nicht mehr von einem
geplanten «Drohnenwall» gesprochen werden, sondern neutral von der
«European Drone Defence Initiative». Nach Angaben von
Bundesverteidigungsminister Pistorius will Deutschland in den
nächsten Jahren zehn Milliarden Euro in Drohnen investieren werde.

Offen ist, ob die Bundesrepublik die Vorstellungen der EU-Kommission
für Beschaffungsquoten unterstützt. So schlägt die Behörde vor, das
s
bis Ende 2027 mindestens 40 Prozent der Verteidigungsgüterbeschaffung
gemeinschaftlich organisiert werden sollten. Zudem soll es eine
äußerst enge Rüstungszusammenarbeit mit der Ukraine geben.

Entscheidung bis Jahresende?

Wie es mit dem Fahrplan weitergeht, liegt nun in der Hand der Staats-
und Regierungschefs der EU-Staaten. Sie werden in der kommenden Woche
bei einem Gipfeltreffen in Brüssel erstmals über die Vorschläge der
Kommission beraten. Im Fahrplan ist vorgesehen, dass sie bis
spätestens Ende des Jahres ihre Zustimmung geben.