Proteste in Lettland gegen Ausstieg aus Istanbul-Konvention

29.10.2025 20:47

Gerade etwas mehr als ein Jahr ist in Lettland ein Übereinkommen des
Europarats gegen Gewalt an Frauen in Kraft. Nun könnte sich das Land
wieder daraus zurückziehen. Dagegen gibt es Widerstand.

Riga (dpa) - In Lettlands Hauptstadt Riga sind Tausende Menschen
gegen einen möglichen Ausstieg des baltischen EU-Landes aus der
sogenannten Istanbul-Konvention auf die Straße gegangen. Auf
Transparenten und in Sprechchören forderten die Demonstranten den
Verbleib Lettlands im Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und
Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Nach
Angaben der Polizei handelte es sich um eine der größten
Demonstrationen der vergangenen Jahre in Lettland - demnach hatte sie
rund 5.000 Teilnehmer. 

Die Kundgebung fand vor dem lettischen Parlament statt, das zuletzt
in erster Lesung mit den Stimmen einer der drei Regierungsparteien
einem von der Opposition eingebrachten Gesetzentwurf zum Austritt
Lettlands zugestimmt hatte. Die entscheidende zweite Abstimmung ist
für Donnerstag angesetzt. Lettland hatte die 2011 vom Europarat
ausgearbeitete Konvention nach langer Debatte erst im Vorjahr
ratifiziert - sie ist am 1. Mai 2024 in dem Baltenstaat in Kraft
getreten. 

Die Istanbul-Konvention stuft Gewalt gegen Frauen als
Menschenrechtsverletzung ein. Zudem werden darin politische und
rechtliche Maßnahmen definiert, mit denen die Unterzeichnerstaaten
einen europaweit einheitlichen Rahmen für Prävention, Opferschutz und
Strafverfolgung schaffen sollen. In Deutschland ist das Übereinkommen
am 1. Februar 2018 in Kraft getreten.

Kritiker und Gegner des Vertragswerks argumentierten damals wie
heute, dass es eine ideologische Grundlage habe, das traditionellen
Familienwerten in Lettland widerspreche. Dagegen warnen
Frauenrechtsorganisation und Institutionen, die mit Gewaltopfern
arbeiten, im Falle einer Aufkündigung der Konvention vor
Rückschritten bei Demokratie und Menschenrechten. Andere wiederum
weisen auf den möglichen Reputationsschaden hin: Lettland wäre das
erste EU-Land, das aus dem Übereinkommen austritt.