EZB bleibt in Lauerstellung: Leitzinsen unverändert Von Alexander Sturm und Jörn Bender, dpa

30.10.2025 14:25

Innerhalb eines Jahres haben die Euro-Währungshüter den für Banken
und Sparer wichtigen Einlagenzins halbiert. Nun hält die Europäische
Zentralbank vorerst still. Das hat seine Gründe.

Frankfurt/Florenz (dpa) - Die Europäische Zentralbank bleibt in einer
Welt voller Krisen vorsichtig: Sie lässt den für Sparer und Banken
relevanten Einlagenzins unverändert bei 2,0 Prozent, wie die
Notenbank mitteilte. Das entschied der EZB-Rat, der ausnahmsweise in
Florenz tagte und nicht am Sitz der Notenbank in Frankfurt.

Damit bleibt die EZB nach einer Serie von Zinssenkungen in
Lauerstellung, während die US-Notenbank Fed am Mittwoch die
Leitzinsen zum zweiten Mal in diesem Jahr senkte. Schon im Juli und
September hatte die EZB die Leitzinsen im Euroraum unverändert
gelassen und auf ein «außergewöhnlich unsicheres Umfeld» hingewiese
n.

Inflation eingedämmt

Zuvor hatte die Notenbank die Leitzinsen achtmal binnen eines Jahres
herabgesetzt. Noch im Frühjahr 2024 lag der Einlagenzins, den Banken
erhalten, wenn sie Geld bei der EZB parken, doppelt so hoch bei 4,0
Prozent. Seither sind auch die Sparzinsen deutlich gesunken.

Wichtigste Aufgabe der EZB ist es, für einen stabilen Euro zu sorgen
und so die Kaufkraft der Menschen zu erhalten. Das Ziel sieht die
Zentralbank bei einer Inflationsrate von mittelfristig 2,0 Prozent
gewährleistet. Die Leitzinsen der EZB haben weitreichende
Auswirkungen an den Finanzmärkten und beeinflussen etwa die Höhe der
Kreditzinsen für Unternehmen und die Zinsen für Sparer. 

Leichter Aufwärtstrend bei Sparzinsen

Zuletzt beobachtete das Vergleichsportal Verivox wieder leicht
steigende Tages- und Festgeldzinsen. Allerdings mache die angezogene
Inflation den Effekt zunichte, sodass Sparer unterm Strich Geld
verlieren - insbesondere mit Tagesgeld, das zuletzt im Schnitt 1,28
Prozent Zinsen abwarf, während sich die Teuerung über der
2-Prozent-Marke eingependelt hat.

An den Finanzmärkten ist mit der Zinspause der EZB die Erwartung
sinkender Leitzinsen geschwunden. Viele Ökonomen glauben, dass die
Notenbank die Zinsen dieses Jahr nicht mehr antasten wird: Die nach
Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ausgeuferte
Inflation im Euroraum ist eingedämmt. Für das laufende Jahr erwartet
die EZB eine Teuerungsrate von 2,1 Prozent. Das wäre nur leicht über
dem Ziel der Notenbank von 2,0 Prozent.

Zudem hält sich die Wirtschaft in der Eurozone trotz höherer US-Zölle

robuster als erwartet. Im dritten Quartal legte das
Bruttoinlandsprodukt nach Daten von Eurostat um 0,2 Prozent zu,
getragen von einstigen Krisenländern wie Spanien und Portugal sowie
Frankreich. Zuletzt hob die EZB ihre Wachstumsprognose für dieses
Jahr sogar leicht an. Und angesichts der vielen Unruheherde, darunter
die Regierungskrise in Frankreich, spricht viel dafür, dass sich die
Notenbank alle Optionen offen und ihr Pulver trocken halten will.
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel betonte jüngst, er sehe
geldpolitisch «gegenwärtig keinen Handlungsbedarf».

Lagarde sieht EZB gerüstet für Schocks

EZB-Präsident Christine Lagarde sah die Notenbank zuletzt in einer
guten Position. Bei einem Einlagenzins von 2,0 Prozent habe die EZB
Spielraum, um zu reagieren, falls sich die Inflationsrisiken
verschieben oder neue Schocks auftreten sollten, sagte sie.

Zuletzt sorgte die Regierungskrise in Frankreich für Unruhe an den
Finanzmärkten. Erst kürzlich senkte die Ratingagentur S&P ihre
Bonitätsnote für Frankreich, was den Druck auf das hochverschuldete
Land erhöht. 

Vorerst Ruhe im Zollstreit

Manche Volkswirte sehen auch die Inflationsrisiken im Euroraum nicht
ganz gebannt. So stiegen die Verbraucherpreise im September auf 2,2
Prozent. Im Währungsraum hält sich zudem die Inflation ohne die stark
schwankenden Lebensmittel- und Energiepreise hartnäckig, zuletzt lag
diese sogenannte Kerninflation bei 2,3 Prozent.

Immerhin: Die Sorgen um den Zollstreit mit den USA sind gesunken.
Zwar bleibt US-Präsident Donald Trump unberechenbar, doch mit dem
Handelsabkommen zwischen Washington und Brüssel ist das Szenario
einer Eskalation ausgeblieben. Noch im Frühjahr hatten manche
Notenbanker, gerade aus Südeuropa, für weitere Zinssenkungen
plädiert, um die Konjunktur anzukurbeln.