EZB in Lauerstellung: Keine weitere Zinssenkung in Sicht Von Alexander Sturm und Jörn Bender, dpa

30.10.2025 15:55

Innerhalb eines Jahres haben die Euro-Währungshüter den für Banken
und Sparer wichtigen Einlagenzins halbiert. Nun hält die Europäische
Zentralbank vorerst still. Wie geht es weiter?

Frankfurt/Florenz (dpa) - Die Europäische Zentralbank bleibt
angesichts weltweiter Krisen vorsichtig: Die Notenbank lässt den für
Sparer und Banken relevanten Einlagenzins zum dritten Mal in Folge
unverändert bei 2,0 Prozent. Das entschied der EZB-Rat, der
ausnahmsweise in Florenz tagte und nicht am Sitz der Notenbank in
Frankfurt.

Damit verharren die Euro-Währungshüter nach einer Serie von
Zinssenkungen in Lauerstellung, während die US-Notenbank Fed am
Mittwoch die Leitzinsen zum zweiten Mal in diesem Jahr senkte. Die
EZB hatte schon im Juli und September die Leitzinsen im Euroraum
unverändert gelassen und auf ein «außergewöhnlich unsicheres Umfeld
»
hingewiesen. 

EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte in Florenz: «Die
Aussichten sind nach wie vor unsicher, insbesondere aufgrund der
anhaltenden globalen Handelsstreitigkeiten und geopolitischen
Spannungen.» Volkswirte rechnen in diesem Umfeld nicht mit weiteren
Zinssenkungen im laufenden Jahr.

Leichter Aufwärtstrend bei Sparzinsen

Vor ihrer Zinspause hatte die EZB die Leitzinsen achtmal binnen eines
Jahres gesenkt. Noch im Frühjahr 2024 lag der Einlagenzins, den
Banken erhalten, wenn sie Geld bei der Notenbank parken, doppelt so
hoch bei 4,0 Prozent. Seither sind auch die Sparzinsen deutlich
gesunken. Die Leitzinsen der EZB haben weitreichende Auswirkungen an
den Finanzmärkten und beeinflussen etwa die Höhe der Kreditzinsen für

Unternehmen und die Zinsen für Sparer.

Zuletzt beobachtete das Vergleichsportal Verivox wieder leicht
steigende Tages- und Festgeldzinsen. Allerdings mache die Inflation
den Effekt zunichte, sodass Sparer unter dem Strich Geld verlören -
insbesondere mit Tagesgeld, das zuletzt im Schnitt 1,28 Prozent
Zinsen abwarf, während sich die Teuerung etwas über der
Zwei-Prozent-Marke eingependelt hat.

Inflation im Griff

Wichtigste Aufgabe der EZB ist es, für einen stabilen Euro zu sorgen
und so die Kaufkraft der Menschen zu erhalten. Das Ziel sieht die
Zentralbank bei einer Inflationsrate von mittelfristig 2,0 Prozent
gewährleistet. Die nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen
die Ukraine ausgeuferte Inflation im Euroraum ist eingedämmt. Für das
laufende Jahr erwartet die EZB eine Teuerungsrate von 2,1 Prozent.
Das wäre nur leicht über dem Ziel der Notenbank.

Stabile Zinsen erwartet

Zudem hält sich die Wirtschaft im Euroraum trotz höherer US-Zölle
robuster als angenommen. Im dritten Quartal legte das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Daten von Eurostat um 0,2 Prozent zu
- getragen von einstigen Krisenländern wie Spanien und Portugal sowie
Frankreich. Zuletzt hatte die EZB ihre Wachstumsprognose für dieses
Jahr leicht angehoben. 

Angesichts der vielen Unruheherde, darunter auch die Regierungskrise
in Frankreich, spricht jedoch viel dafür, dass sich die Notenbank
alle Optionen offen halten will. «Bei schwachem Wachstum und stabiler
Inflation ist bei der EZB wohl auch mit einem ruhigen Jahresausklang
zu rechnen», meint Michael Heise, Chefökonom beim Vermögensverwalter

HQ Trust. «Die Zinsen dürften da bleiben, wo sie sind.»

Lagarde bekräftigte, die Notenbank sei weiterhin in einer «guten
Position». Bei einem Einlagenzins von 2,0 Prozent sehen die
Euro-Währungshüter Spielraum, um zu reagieren, falls sich die
Inflationsrisiken verschieben oder neue Schocks auftreten sollten.

Vorerst Ruhe im Zollstreit

Manche Volkswirte sehen die Inflationsrisiken im Euroraum nicht ganz
gebannt. So stiegen die Verbraucherpreise im September auf 2,2
Prozent. Im Währungsraum hält sich zudem die Inflation ohne die stark
schwankenden Lebensmittel- und Energiepreise hartnäckig, zuletzt lag
diese sogenannte Kerninflation bei 2,3 Prozent. «Die EZB tut gut
daran, ihre Leitzinsen nicht weiter zu senken», sagt
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. 

Immerhin: Die Sorgen wegen des Zollstreits mit den USA haben sich
abgeschwächt. Zwar bleibt US-Präsident Donald Trump unberechenbar,
doch mit dem Handelsabkommen zwischen Washington und Brüssel blieb
eine Eskalation aus.