Lieferkrise bei Nexperia: Hoffnung für Autoindustrie? Von Johannes Neudecker, dpa
02.11.2025 09:57
Chinas Regierung stellt wieder Ausfuhren von Nexperia-Chips in
Aussicht. Was das für die Produktion in der Autoindustrie bedeutet -
und welche Fragen weiterhin offenbleiben.
Peking (dpa) - Im Streit um die Lieferprobleme beim wichtigen
Chip-Hersteller Nexperia hoffen Bundesregierung und Industrie nach
neuen Aussagen aus China auf einen Ausweg aus der Krise. Zuvor hatte
die Regierung in Peking die Ausfuhr dringend benötigter Halbleiter in
Aussicht gestellt. Als Reaktion teilte das
Bundeswirtschaftsministerium in Berlin auf Anfrage mit: «Die jüngsten
Meldungen aus China sind positive erste Signale der Entspannung.»
In der Mitteilung des chinesischen Handelsministeriums hieß es, man
bitte Firmen, die Probleme hätten, das Ministerium zu kontaktieren.
Die Behörde werde sich die Lage jener Unternehmen ansehen und Exporte
zulassen, welche die entsprechenden Voraussetzungen erfüllten.
Zugleich gab die chinesische Führung der niederländischen Regierung
die Schuld an den aktuellen Lieferproblemen. «Die unzulässige
Intervention der niederländischen Regierung in interne
Unternehmensangelegenheiten hat zum derzeitigen Chaos der globalen
Produktions- und Lieferketten geführt», betonte das
Handelsministerium in Peking.
«Die Bundesregierung beobachtet die Lage sehr genau», hieß es vom
Bundeswirtschaftsministerium weiter. «Wir nehmen die Situation der
betroffenen Unternehmen sehr ernst und sind zum Sachverhalt mit den
Unternehmen sowie den niederländischen und europäischen Partnern in
verschiedenen Formaten im Gespräch.» Eine abschließende Bewertung sei
derzeit aber nicht möglich.
Aufatmen für die Hersteller?
In Deutschland hatten die Lieferprobleme vor allem der
Automobilindustrie für große Sorgen bereitet. Die Situation könne
schon in naher Zukunft zu erheblichen Produktionseinschränkungen,
gegebenenfalls sogar zu Produktionsstopps führen, hieß es vom Verband
der Automobilindustrie (VDA).
Ob die frische Ankündigung der Chinesen den Firmen nun mehr
Sicherheit gibt, bleibt abzuwarten. Viele Fragen in dem Fall ließ die
Behörde nämlich offen. Peking machte keine detaillierten Angaben, ob
sich nur chinesische Firmen beim Handelsministerium melden sollen
oder auch ausländische Unternehmen.
Zudem bleibt offen, welche Voraussetzungen gelten müssen, damit die
Behörde den Export von Chips prüft und genehmigt.
Nexperia China sieht Schuld bei Zentrale
Auch die chinesische Sparte von Nexperia machte hierzu keine
konkreten Angaben. Man habe genügend auf Lager, um Kundenaufträge bis
zum Jahresende und darüber hinaus zu bedienen, hieß es in einer
Mitteilung. Die Lieferkette sei stabil, und es würden neue
Wafer-Lieferanten geprüft, um die Versorgung künftig sicherzustellen.
Nexperia China machte die Entscheidungen der niederländischen
Zentrale für die Lage verantwortlich.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur setzte Nexperia in
den Niederlanden die Lieferung von Vorprodukten, sogenannten Wafern,
an sein chinesisches Montagewerk aus. Halbleiter-Wafer sind für die
Herstellung von Chips von großer Bedeutung. Das Unternehmen
bestätigte, dass Kunden von Nexperia über den Schritt informiert
worden seien. Weitere Angaben lehnte es ab.
Wofür sind die Teile überhaupt wichtig?
Nexperia ist ein wichtiger Anbieter sogenannter diskreter Halbleiter.
Das sind eher einfache Bauteile, die aber für die Wirtschaft
unverzichtbar sind. Internen VW-Angaben zufolge entfallen rund 40
Prozent des weltweiten Angebots an Standardchips für die
Automobilindustrie auf Nexperia. Die Halbleiter kommen häufig in
elektronischen Steuergeräten von Fahrzeugelektroniksystemen zum
Einsatz. In einem modernen Auto stecken Dutzende dieser Geräte.
Der Auslöser der Krise
Die Lieferprobleme bei Nexperia entstanden, nachdem die
niederländische Regierung die Kontrolle über die von einer
chinesischen Konzernmutter geführte Firma mit Sitz in Nimwegen
übernommen hatte. China stoppte daraufhin die Ausfuhr von
Nexperia-Produkten wie Chips für die Autoindustrie.
Grund für den Konflikt ist laut den Niederländern Missmanagement der
chinesischen Unternehmensführung. Der Eingriff der Regierung bei
Nexperia sei keine Maßnahme gegen China, hieß es. Chinas
Handelsminister Wang Wentao hatte das Eingreifen laut Angaben aus
Peking im Telefonat mit der niederländischen Seite kritisiert. Dies
habe die Stabilität der globalen Lieferketten ernsthaft
beeinträchtigt, sagte er. China fordere von den Niederlanden, die
Angelegenheit schnellstmöglich zu lösen, hieß es.
Ankündigung aus den USA?
Unterdessen berichteten mehrere Medien unter Berufung auf mit der
Sache vertraute Personen, dass die US-Regierung ankündigen wolle,
Nexperias Niederlassung in China werde wieder Chips liefern. Das
«Wall Street Journal» führte die geplante Bekanntmachung auf die
Gespräche zwischen US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatschef Xi
Jinping zurück. Dabei hätten beide Seiten eine Rahmenvereinbarung
getroffen. Xi und Trump hatten sich am Rande des Gipfels der
Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) im
südkoreanischen Gyeongju getroffen.
Was wird aus der EU?
Sollte China wieder erlauben, Nexperia-Chips in die USA zu liefern,
bliebe die Frage, ob es auch Zugeständnisse an Europa geben könnte.
Laut EU-Handelskommissar Maros Sefcovic sprachen Vertreter Brüssels
und hohe Beamte des chinesischen Handelsministeriums miteinander, wie
der Slowake auf der Online-Plattform X schrieb. China habe dabei
bestätigt, dass die Aussetzung der Exportkontrollen auf seltene Erden
auch für Europa gelte.
«Beide Seiten bekräftigten ihre Entschlossenheit, sich weiterhin für
eine Verbesserung der Umsetzung der Exportkontrollpolitik
einzusetzen», schrieb er weiter. Auf den Fall Nexperia ging er nicht
ein. Das Handelsministerium in Peking machte zunächst keine Angaben
zu den Gesprächen in Brüssel.
