100 Tage Handelsdeal: Wie Trump-Zölle die Wirtschaft treffen Von den dpa-Korrespondenten

04.11.2025 04:00

Ende Juli einigten sich Brüssel und Washington im Zollstreit. Mit dem
Abkommen wurde das Schlimmste abgewendet, doch spürbare Folgen
bleiben. Wie sich der Deal auf Firmen und Verbraucher auswirkt.

Berlin (dpa) - Mit dem Deal wurde eine Eskalation im Zollstreit mit
Donald Trump abgewendet: Am 27. Juli einigten sich
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der US-Präsident
in Schottland auf ein Abkommen, das für die meisten EU-Importe in die
Vereinigten Staaten einen Basiszollsatz von 15 Prozent vorsieht. 

Doch 100 Tage danach ist die EU gespalten und die Kritik der
Wirtschaft groß an dem Abkommen, mit dem sich das Europaparlament und
die Mitgliedsstaaten derzeit in einem ordentlichen
EU-Gesetzgebungsverfahren befassen. Zu klein habe sich Europa vor
Trump gemacht, etwa bei Einfuhrerleichterungen zugunsten vieler
US-Produkte. Während Trump teils mit neuen Zöllen droht, sind die
Folgen seiner Politik längst spürbar. 

Absturz der Exporte

Zwar wächst die Wirtschaft in Europa leicht und hält sich robuster
als gedacht, doch gerade die exportstarke deutsche Wirtschaft steht
unter Druck. Im August brachen die Ausfuhren in die USA um 20 Prozent
zum Vorjahresmonat ein - der fünfte monatliche Rückgang in Folge. Die
neuen Zölle machten einst profitable Geschäftsmodelle weniger
attraktiv, sagt der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, Dirk
Jandura. «Wir sehen bei einigen Händlern eine Abkehr vom
USA-Geschäft.» Für die Exportnation Deutschland, wo fast jeder vierte

Job vom Export abhängt, sind die Zölle eine Bürde. Wie sie wichtige
Branchen und Konsumenten treffen.

Autoindustrie

Eigentlich sollte die Autobranche größter Profiteur des Deals sein.
Schließlich sanken die US-Zölle auf Autos aus Europa ab 1. August von
27,5 auf 15 Prozent, auch wenn es bis Ende September dauerte, bis das
rückwirkend in Kraft trat. Wirklich zufrieden ist der Branchenverband
VDA trotzdem nicht. Denn 15 Prozent sind das Sechsfache der 2,5
Prozent, die früher galten. 

VDA-Präsidentin Hildegard Müller sieht daher «weiterhin eine
erhebliche Herausforderung für die deutsche Automobilwirtschaft».
Hinzu kämen Belastungen durch die zusätzlichen Zölle auf eine Reihe
von Stahl- und Aluminiumprodukten sowie zusätzliche Abgaben auf
Nutzfahrzeuge, Busse und Teile. «Diese ab 1. November geltenden
zusätzlichen Zölle werden europäische Nutzfahrzeughersteller hart
treffen», warnt Müller.

Zudem müssen sich Europas Autohersteller womöglich auf stärkere
Konkurrenz aus den USA einstellen: Denn die EU muss im Gegenzug für
den niedrigeren Zollsatz US-Autos zollfrei nach Europa lassen. Bisher
galten hier 10 Prozent Einfuhrzoll. Von der Senkung profitieren
dürften aber auch deutsche Hersteller wie BMW, die in den USA auch
SUVs für den europäischen Markt produzieren.

Handel und Verbraucher

Im Einzelhandel sind dem Handelsverband Deutschland (HDE) zufolge
bisher keine Preiserhöhungen wegen der US-Zölle zu beobachten. Für
eine abschließende Bewertung sei es aber zu früh, da der Deal auf
EU-Ebene formal noch nicht umgesetzt sei, sagte Hauptgeschäftsführer
Stefan Genth. Erhöhte Abgaben auf US-Produkte seien derzeit
ausgesetzt - gut für Verbraucher. 

Die Zölle drücken die Stimmung, beeinflussen das Konsumverhalten aber
kaum, sagte Katharina Gangl, Direktorin des Nürnberger Instituts für
Marktentscheidungen. Und Marktexperte Thomas Els von der Agrarmarkt
Informations-Gesellschaft sieht bei frischen Lebensmitteln noch keine
Auswirkungen auf Preise oder Einkaufsverhalten. 

BGA-Präsident Jandura kann sich vorstellen, dass einige Preise für
Verbraucher sogar sinken, falls bestimmte US-Güter zollfrei in die EU
eingeführt werden dürfen. Dies hänge jedoch vom Ausgang der
Verhandlungen ab.

Maschinenbau

Der Maschinenbauverband VDMA sieht sich beim Zollabkommen komplett
über den Tisch gezogen. Der Grund: Auf die 15 Prozent Basiszoll für
Maschinen schlagen die Amerikaner bei vielen Produkten noch 50
Prozent Extra-Zoll für den enthaltenen Stahl- und Aluminiumanteil
drauf. Diese Praxis soll dem VDMA zufolge ab Dezember auf weitere
Produkte ausgeweitet werden. Zu den erhöhten, bis zur Einfuhr
unklaren Endpreisen kommt noch eine komplexe Zoll-Bürokratie mit
umfangreichen Nachweispflichten etwa zur Herkunft des verarbeiteten
Metalls. Die Branche rechnet angesichts des Zollkonflikts, wachsender
Konkurrenz aus China und der Schwäche bei ihren industriellen
Abnehmern mehrheitlich mit sinkenden oder stagnierenden Umsätzen. 

Pharma

US-Zölle sind das Thema in der Pharmaindustrie, die rund ein Viertel
ihrer Exporte in die USA liefert. Dort sind die Arzneipreise viel
höher als in Europa. In den USA dürften 2025 Pharmazeutika im Wert
von rund 600 Milliarden Dollar (rund 519 Mrd Euro) verkauft werden
und damit mehr als doppelt so viel wie in Europa, so der
Branchenverband VFA. Groß sind daher die Sorgen vor US-Zöllen auf
Arzneien aus der EU, für die eine Obergrenze von 15 Prozent gelten
soll. Noch profitiert die Pharmabranche vom Hin und Her im
Handelsstreit: Dieses Jahr dürften Umsatz, Produktion und
Investitionen um rund drei Prozent steigen - auch, weil aus Angst vor
Zöllen Exporte in die USA vorgezogen wurden und umgelenkte
Lieferungen in die ursprünglichen Empfängerländer nun nachgeholt
werden. 2026 erwartet der VFA schlechtere Geschäfte.

Chemie

Hier ist der Zollstreit nur eine Sorge - neben teurer Energie, einer
schwachen Nachfrage und einem weltweiten Überangebot an
Basischemikalien. Von Januar bis August sank der Umsatz der
Chemiebranche in Deutschland um 2,9 Prozent, auch im Ausland ging es
bergab. «Besonders deutlich zeigte sich die Auftragsflaute in
Nordamerika, wo neue US-Zölle den Absatz zusätzlich erschwerten», so

der Branchenverband VCI. In die USA lieferte die Chemiebranche 2024
Erzeugnisse im Wert von 10,2 Milliarden Euro, ein Anteil von rund 8
Prozent. Für ihre Geschäfte insgesamt ist die Chemiebranche
verhalten. Die Produktion soll 2025 um zwei Prozent sinken. «Weder im
Inlands- noch im Auslandsgeschäft zeichnet sich derzeit eine
Trendwende ab.»

Sind Trumps Zölle überhaupt rechtmäßig?

Unterdessen hegt sich in den USA Widerstand gegen Trumps Zollpolitik,
unter anderem hatte ein Dutzend Bundesstaaten dagegen geklagt.
Mittlerweile liegen zwei zusammen behandelte Verfahren beim Obersten
Gericht der Vereinigten Staaten, das die zentrale Frage klären soll:
Darf der Präsident auch Zölle erheben, wenn es im Grunde darum geht,
im Notstand den Import zu regulieren? Unklar ist, welchen konkreten
Einfluss der Ausgang des Prozesses auf die Handelsvereinbarung
zwischen EU und USA haben könnte. Die nächste Anhörung vor dem
Obersten US-Gericht ist für den 5. November angesetzt.