EU-Länder ringen um Klimaziele - Einigung in letzter Minute? Von Katharina Redanz und Larissa Schwedes, dpa
04.11.2025 15:57
Die EU-Länder müssen sich auf zwei Klimaziele festlegen, für eins
davon ist es allerhöchste Eisenbahn. Können sich die Umweltminister
einigen?
Brüssel (dpa) - Wie viel weniger Treibhausgase sollen die EU-Länder
bis 2040 ausstoßen - und wie soll das erreicht werden? Bei einem
Treffen in Brüssel geht das Ringen um Zahlen und mögliche
Flexibilität der Umweltminister und -ministerinnen der EU zum
Klimaziel bis 2040 weiter. Außerdem wird über einen UN-Klimaplan bis
2035 verhandelt. Dieser wird für die in wenigen Tagen beginnende
Weltklimakonferenz COP30 in Brasilien gebraucht und hätte längst
eingereicht werden müssen. Am Nachmittag war noch kein Ende der
Verhandlungen absehbar.
Auch losgelöst von Konferenzen drängt die Zeit, wie gewaltige
Überschwemmungen oder Dürren immer wieder zeigen. Eine aktuelle
Berechnung der Vereinten Nationen zeigt zudem: Die Welt ist fernab
vom angestrebten Kurs.
Worüber genau wird in Brüssel verhandelt?
Laut EU-Klimagesetz muss die Staatengemeinschaft neben bestehenden
Zielen für 2030 und 2050 auch festlegen, um wie viel Prozent die
Treibhausgase bis 2040 reduziert werden sollen. Die EU-Kommission
schlägt vor, die Emissionen in den nächsten 15 Jahren um 90 Prozent
im Vergleich zu 1990 zu senken. Grundlage dafür sind
wissenschaftliche Erkenntnisse. Der Vorschlag braucht noch die
Zustimmung der Mehrheit der EU-Staaten und des Europaparlaments.
In mehreren Staaten regt sich jedoch Widerstand - sie verweisen etwa
auf wirtschaftliche Belastungen, Probleme der Industrie und ein
angespanntes geopolitisches Umfeld. Für den Beschluss ist eine
sogenannte qualifizierte Mehrheit nötig. Dafür müssen 15 der 27
EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der
Bevölkerung repräsentieren.
Was wird diskutiert?
Es wird hart verhandelt, um wie viel die Emissionen bis 2040
reduziert werden sollen - um 90 Prozent oder weniger. Außerdem geht
es noch um das Wie: Bislang muss die EU ihre Klimaziele durch
Treibhausgas-Minderungen auf eigenem Boden erreichen. Auch geht es
darum, wie eine Überprüfbarkeit des Ziels in dem Gesetzestext
verankert wird.
Ferner sollen laut Kommissionsvorschlag nun bis 2040 drei Prozent
durch international anerkannte Klimazertifikate kompensiert werden
dürfen. Einige Länder wollen mehr. Linda Kalcher von der Brüsseler
Denkfabrik Strategic Perspectives sagt, es bestehe die Gefahr, dass
viele Länder fünf Prozent internationale Klimazertifikate nutzen
wollten. «Was nach einem Freifahrtschein für die europäische
Wirtschaft klingt, sorgt allerdings in der Realität dafür, dass
dieses Geld außerhalb der EU investiert wird.»
Worüber wird noch verhandelt?
Außerdem gilt es bei dem heutigen Treffen noch, einen Klimaplan für
2035 zu beschließen. Dieser muss zur COP30 bei den Vereinten Nationen
eingereicht werden. Die EU riss schon zwei Fristen dafür, nun -
unmittelbar vor der Klimakonferenz - ist es der allerletzte Drücker.
Bislang konnten sich die Länder nicht formell auf ein Ziel zur
Minderung von Treibhausgasen für die nächsten zehn Jahre einigen, nur
auf eine Absichtserklärung mit Zielkorridor. Darin heißt es, die EU
wolle ihre Emissionen bis 2035 zwischen 66,25 Prozent und 72,5
Prozent im Vergleich zu 1990 senken.
Das Ziel muss nun noch formell beschlossen werden. Noch verhandelt
wird, ob man mit einer konkreten Zahl oder einer Spannbreite als Ziel
nach Brasilien reist - und wie diese Zahl oder Spannbreite genau
aussehen soll. Der Klimaplan bis 2035 muss einstimmig beschlossen
werden. Die EU gilt als weltweiter Vorreiter in der Klimapolitik. Das
Ergebnis der Verhandlungen wird den Ton für die jährliche
UN-Klimakonferenz prägen.
Welche Rolle spielt Deutschland?
Dass es bislang unmöglich war, eine Einigung für ein EU-Klimaziel für
2040 sowie bis 2035 unter den Mitgliedsstaaten zu finden, liegt am
Widerstand mehrerer EU-Staaten - Frankreich und Polen etwa zeigten
sich bis zuletzt skeptisch.
Auch Deutschland sorgte dafür, dass es bislang zu keiner
ausreichenden Mehrheit kam, obwohl der Vorschlag der EU-Kommission in
den wesentlichen Punkten den im Koalitionsvertrag festgehaltenen
Klimazielen der schwarz-roten Bundesregierung entspricht: Man wollte
zuerst bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs über das
Thema sprechen. Bei der Ankunft zum Treffen sagte
Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD), Deutschland stehe für
ein klares Klimaziel von 90 Prozent. «Ich unterstütze den
Kommissionsvorschlag mit 3 Prozent internationalen Klimazertifikaten
und so gehen wir in die Verhandlung rein.»
Außenminister Johann Wadephul (CDU) versicherte bei einer Konferenz
in Berlin, durch den Regierungswechsel habe sich nichts an den
deutschen Klimazielen geändert. Auf dem Weg dorthin setzte man
allerdings stärker auf Wettbewerbsfähigkeit und Innovation statt auf
Regulierung.
Was passiert, wenn man sich nicht einigen kann?
Auf diese Frage geben EU-Diplomaten keine wirkliche Antwort. Fest
steht aber, dass die EU ohne Einigung auf ein 2035er Ziel riskiert,
mit leeren Händen zur Weltklimakonferenz zu reisen.
Wäre das denn ein Problem?
Ohne starkes Signal der EU wird es noch unwahrscheinlicher als
ohnehin schon, dass die Weltgemeinschaft sich in Brasilien auf einen
entschlosseneren Kampf gegen die Klimakrise einigt. Die Erde steuert
den Vereinten Nationen zufolge mit der aktuellen weltweiten
Klimapolitik bis zum Ende des Jahrhunderts auf 2,8 Grad Erwärmung
gegenüber der vorindustriellen Zeit zu. Sehr wahrscheinlich werde das
international vereinbarte 1,5-Grad-Ziel schon innerhalb des nächsten
Jahrzehnts überschritten, teilte das UN-Umweltprogramm (UNEP) mit
Sitz in Nairobi mit. Das würde nicht nur sehr viel häufigere und
heftigere Extremwetterereignisse bedeuten, sondern auch, dass viele
Weltregionen unbewohnbar werden könnten.
Geht man davon aus, dass die Staaten alles umsetzen, was sie sich in
ihren nationalen Klimaschutzplänen vorgenommen haben, wäre der
Berechnung zufolge bis Ende des Jahrhunderts mit 2,3 bis 2,5 Grad
Erwärmung zu rechnen. Im vergangenen Jahr lag diese Prognose noch bei
2,6 bis 2,8 Grad. Allerdings seien für 0,1 Grad der Verbesserung
methodische Änderungen verantwortlich, so die UNEP. Der Austritt der
USA aus dem Pariser Klimaabkommen werde mit 0,1 Grad negativ ins
Gewicht fallen.
