EU-Länder wollen 90 Prozent weniger Emissionen bis 2040 Von Katharina Redanz, dpa
05.11.2025 10:25
Nach mehr als 20 Stunden langem Feilschen steht fest: Die EU-Länder
wollen den Treibhausgasausstoß bis 2040 um 90 Prozent reduzieren -
auch mit Hilfe aus dem außereuropäischen Ausland.
Brüssel (dpa) - Zum Klimaschutz wollen die EU-Staaten ihre
Treibhausgasemissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent im Vergleich
zu 1990 senken. Nach einem Kompromiss der Umweltminister sollen
allerdings fünf Prozentpunkte davon durch Deals mit dem
außereuropäischen Ausland erkauft werden können, wie die dänische
EU-Ratspräsidentschaft mitteilte. Die Minister hatten bis in den
frühen Mittwochmorgen in teils chaotischen Verhandlungen um eine
Einigung gerungen, über die nun noch mit dem Europaparlament
verhandelt werden muss.
Schneider lobt Ergebnis
Von diesem Ziel abgeleitet beschlossen Bundesumweltminister Carsten
Schneider (SPD) und seine Kollegen nach mehr als 20 Stunden
Verhandlung in Brüssel, die Emissionen bis 2035 zwischen 66,25
Prozent und 72,5 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Diesen
Klimaplan muss die EU nun für die Weltklimakonferenz COP30 bei den
Vereinten Nationen einreichen.
Nach Deutschland habe nun auch die EU ein verbindliches starkes
Klimaziel für 2040, erklärte Schneider - obwohl noch die
Verhandlungen mit dem EU-Parlament ausstehen. «Das ist ein wichtiger
Fortschritt für das Klima und eine gute Nachricht für die deutsche
Wirtschaft, weil es gleiche Wettbewerbsbedingungen gibt.» Er sprach
von einem guten Ergebnis.
Die Zeit drängt: Die Konferenz in Brasilien beginnt in wenigen Tagen.
Zwei Fristen, im Februar und zuletzt im September, wurden schon
gerissen, weil sich die Mitgliedsstaaten nicht einig geworden waren.
Klimaschutz abschwächen, um Wirtschaft zu entlasten?
Für 2030 und 2050 hat die EU bereits Klimaziele - das für 2040 steht
noch aus. Deshalb hatte die Europäische Kommission im Juli auf Basis
wissenschaftlicher Erkenntnisse vorgeschlagen, die Emissionen in den
nächsten 15 Jahren um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Der
Vorschlag entspricht in den wesentlichen Punkten den im
Koalitionsvertrag festgehaltenen Klimazielen der schwarz-roten
Bundesregierung.
Den Kommissionsvorschlag schwächten die Länder nun deutlich ab. Denn
mit Blick auf wirtschaftliche Belastungen, ein angespanntes
geopolitisches Umfeld und Probleme der Industrie regte sich in
einigen EU-Staaten bis zuletzt Widerstand. Nun sollen laut Kompromiss
unter anderem bis zu fünf Prozentpunkte schon ab 2031 durch
Klimazertifikate aus dem Ausland erzielt werden können. Die
EU-Kommission hatte drei Prozentpunkte ab 2036 vorgeschlagen,
Deutschland unterstützte das.
Polen beispielsweise hatte zuvor gefordert, zehn Prozentpunkte der
nötigen Senkung mit Auslandszertifikaten erfüllen zu können.
Bislang muss die EU ihre Klimaziele durch Treibhausgas-Minderungen
auf eigenem Boden erreichen. Mit Klimazertifikaten aus
Nicht-EU-Ländern sollen Treibhausgasemissionen, die in der EU
entstehen, verrechnet werden können: So soll etwa möglich sein,
Emissionsgutschriften für Projekte der Kohlenstoff-Speicherung oder
-Entnahme aus der Atmosphäre zu kaufen und zu den inländischen
Reduktionen zu addieren.
Bei der Nutzung von Auslandszertifikaten zur Kompensation befürchten
Kritiker, dass Staaten im Globalen Süden ihre nationalen Klimaziele
bewusst niedriger ansetzen, um sich Aufstockungen von den Europäern
bezahlen zu lassen - oder dass Minderungen doppelt angerechnet werden
könnten.
Ziel soll regelmäßig überprüft werden
Darüber hinaus soll die EU-Kommission nach ihrem Willen alle zwei
Jahre überprüfen, ob die EU sich in die richtige Richtung bewegt und
ob das 2040er-Ziel mit Europas Wettbewerbsfähigkeit und der
Wissenschaft vereinbar ist. Wenn nötig, soll die Kommission auch neue
Gesetzesvorschläge machen können. Sollten Kohlenstoffsenken wie
Wälder oder Moore weniger zur Senkung der Emissionen beitragen als
angenommen, soll das Ziel ebenfalls gesenkt werden können.
Die EU-Länder wollen außerdem, dass Brennstoffe erst ab 2028 und
damit ein Jahr später als geplant in das Handelssystem mit
Treibhausgas-Zertifikaten eingreifen. Beim sogenannten
Emissionshandel müssen Unternehmen Rechte zum Ausstoß von
Treibhausgasen nachweisen. Eigentlich sollen ab 2027 auch Brennstoffe
einbezogen werden, was besonders den Verkehrs- und Gebäudebereich
betrifft.
Weiterer Schritt steht noch aus
Auch das EU-Parlament muss sich noch zum Kommissionsvorschlag für das
Klimaziel für 2040 positionieren. Einen Zeitplan dafür gibt es noch
nicht. Im Anschluss müssen die Staaten und die Parlamentarier
verhandeln, bevor das Ziel in Kraft treten kann.
Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss monierte, die
Ministerinnen und Minister betrieben politischen Selbstbetrug statt
Klimaschutz. «Der Rat beschließt ein Ziel voller Revisionsklauseln,
Senken-Ausreden und neuen Hintertüren», so Bloss. «Weniger
Klimaschutz für ein starkes Klimaziel, diese Gleichung geht nicht
auf.»
